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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 15.01.2004
Aktenzeichen: 3 StR 352/03
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 306
StGB § 306 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 StR 352/03

vom 15. Januar 2004

in der Strafsache

gegen

wegen Brandstiftung

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Januar 2004, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Tolksdorf,

die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Miebach, Winkler, Becker, Hubert als beisitzende Richter,

Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt als Verteidiger,

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 7. Mai 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen, eine Segelyacht in Brand gesetzt zu haben, um die Versicherungssumme von 300.000 DM zu erlangen.

Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte, ein EDV-Fachmann, eine Segelyacht nach den Plänen einer hochseetauglichen Selbstbaukonstruktion gebaut, um nach seinem Ruhestand im Sommer 2001 eine Weltumsegelung vornehmen zu können. Am Nachmittag des 21. Januar 2001 hatte ein Brandstifter in dem im Hafen von Varel liegenden Schiff Kerzen und Luntenmaterialien entzündet, die am nächsten Vormittag den Brand auslösten.

Die Strafkammer hat sich von der Täterschaft des Angeklagten nicht zu überzeugen vermocht. Zum einen sei ein Motiv nicht feststellbar, und zum anderen habe sich der Angeklagte zur Tatzeit nicht in Varel, sondern im Stadtgebiet von Bielefeld aufgehalten, wo er auf einer nur lokal nutzbaren Frequenz ein mehrstündiges Funkgespräch mit einem Bekannten geführt habe.

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Beweiswürdigung der Strafkammer hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand, da sie zur Alibifrage widersprüchlich ist.

Zum einen hat die Strafkammer festgestellt, daß der Zeuge P. den ihm bekannten Angeklagten im Tatzeitbereich am Tatort "glaubhaft" gesehen, erkannt und mit ihm gesprochen hatte. Andererseits geht sie davon aus, daß der Angeklagte zu dieser Zeit nicht am Tatort gewesen sein kann, weil er das Funkgespräch im Stadtbereich von Bielefeld geführt hatte und auch sein Pkw vor seinem Anwesen gestanden habe.

Beide Feststellungen lassen sich nicht vereinbaren. Wenn der Angeklagte "glaubhaft" am Tatort in Varel war, kann er nicht gleichzeitig ununterbrochen in Bielefeld gewesen sein.

Da dieser sachlichrechtliche Mangel bereits zur Aufhebung führt, kommt es auf die übrigen Beanstandungen der Staatsanwaltschaft nicht an.

2. Für die neue Hauptverhandlung gibt der Senat folgende Hinweise:

a) Wie der Generalbundesanwalt in seiner Stellungnahme vom 3. November 2003 zutreffend dargelegt hat, kommt es bei einer Indizienbeweisführung auf eine Gesamtwürdigung an (BGH NJW 2002, 1811, 1812). Dabei ist zu beachten, daß eine festgestellte Tatsache, die für sich allein noch keinen sicheren Schluß auf die Täterschaft des Angeklagten erlaubt, sondern auch andere Erklärungsmöglichkeiten aufweist, deswegen noch nicht unberücksichtigt bleiben darf, sondern mit dem ihr zukommenden Indizwert in die Gesamtwürdigung einzustellen ist. Denn auch mehrere Indizien, die für sich allein gesehen einen Nachweis der Täterschaft nicht erlauben, können doch in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die erforderliche Überzeugung vermitteln (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 20). Dabei darf der Zweifelssatz, der eine Entscheidungs- und keine Beweiswürdigungsregel ist, nicht auf eine einzelne Indiztatsache angewendet werden, sondern kann erst bei der Gesamtbetrachtung zum Tragen kommen (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2001, 609 m. w. N.). So wird der festgestellte Umstand, wonach das Schiff mit einer Summe von 300.000 DM versichert, aber infolge mängelbehafteter Schweißnähte nur 150.000 DM wert war, nicht deswegen als mögliches Motiv völlig außer Betracht bleiben dürfen ("bloße Hypothese" UA S. 7), weil der sichere Nachweis nicht gelingt, daß der Angeklagte davon wußte. Schon der Möglichkeit, wenn nicht sogar Wahrscheinlichkeit, daß der Angeklagte, der die Schweißnähte selbst gefertigt hatte, davon ebenso wie andere Zeugen Kenntnis hatte, kann ein nicht unerheblicher Indizwert zukommen. Entsprechendes kann für die weiteren Auffälligkeiten der Tatbegehung gelten (wie Brandlegung unter Verwendung von vorbereiteten Brandhilfsmitteln, insbesondere aber von zeitverzögernden Kerzen, Mehrfachmanipulation am Schloß, Hinterlassen eines Trägers mit vollen Bierflaschen, ungewöhnlich langes Funkgespräch, Vorhandensein einer Cassette mit Wohngeräuschen u. ä.).

b) Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, auf die gegen die bisherige Beweiswürdigung erhobenen Einwendungen in der Revisionsbegründung Bedacht zu nehmen und in die Erörterung technischer Möglichkeiten zur Überbrückung der Entfernung zwischen Varel und Bielefeld eine Verbindung über das Internet (EchoLink-Verfahren) einzubeziehen. Sollte er erneut zum Ergebnis kommen, daß sich die Aussagen der Zeugen P. und G. unvereinbar gegenüberstehen, wird er bei der Gesamtabwägung zu bedenken haben, ob es sich auch bei dem Zeugen G. um einen neutralen Zeugen gehandelt hat oder ob das außergewöhnlich lange Funkgespräch von dreieinhalb Stunden nicht für eine enge Verbundenheit mit dem Angeklagten spricht. Ebenso wird die Möglichkeit einer kurzen Unterbrechung des Funkgesprächs, die sich mit einem Zusammentreffen mit P. vereinbaren ließe, nicht nur für den Zeugen G. (möglicher Toilettengang o. ä. - UA S. 16), sondern auch für den Angeklagten zu erwägen sein.

d) Für eine eventuelle Anwendung der in der Anklage benannten Strafvorschriften der §§ 306, 306 a StGB werden die Eigentumsverhältnisse am Schiff (fremd?) und der Umstand zu prüfen sein, ob das Schiff im Tatzeitpunkt noch zum (gelegentlichen) Wohnen diente oder dieser Zweck durch den Nutzungsberechtigten aufgegeben war.



Ende der Entscheidung

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