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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 05.12.2002
Aktenzeichen: 3 StR 399/02
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 57 Abs. 1
StGB § 67 Abs. 1
StGB § 67 Abs. 2
StGB § 67 Abs. 4
StPO § 473 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 StR 399/02

vom

5. Dezember 2002

in der Strafsache

gegen

wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Dezember 2002, an der teilgenommen haben:

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 11. Juni 2002 wird verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, daß die erkannte Gesamtfreiheitsstrafe "für die Dauer von zwei Jahren und sechs Monaten unter Einschluß der anzurechnenden Untersuchungshaft vor der Maßregel zu vollziehen" ist. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.

Nach den Feststellungen hat der seit mehreren Jahren von Heroin und Kokain abhängige Angeklagte jeweils im Zustand starken Entzugs zur Beschaffung von Drogen zwei Überfälle begangen.

1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung stand; insbesondere hat das Landgericht seine Feststellungen zur nicht aufgehobenen strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten zu den Tatzeiten in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Gutachten des Sachverständigen S. getroffen. Allerdings hat das Landgericht in seiner Beweiswürdigung am Ende des ersten Absatzes der Darstellung des Gutachtens zur Schuldfähigkeit des Angeklagten formuliert, der Sachverständige habe folgendes ausgeführt: "Es müsse deshalb für die erste von ihm begangene Tat davon ausgegangen werden, daß insoweit zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, daß seine Steuerungsfähigkeit aufgehoben war, während für die zweite Tat sicher davon auszugehen sei, daß dabei die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgehoben war" (UA S. 6). Diese Formulierungen beruhen aber offensichtlich auf einem Versehen. Denn bereits eingangs des Absatzes, an dessen Ende der zitierte Satz steht, hat die Strafkammer ausgeführt, sie habe "ihren Feststellungen zur - wenn auch erheblich verminderten - Schuldfähigkeit" die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen S zu Grunde gelegt. Zudem ergeben sich aus den ausführlichen und detaillierten Darlegungen des Landgerichts zu Inhalt und Ergebnis des Schuldfähigkeitsgutachtens, das auch den vor der zweiten Tat stattgefundenen Kokainkonsum berücksichtigt hat, in den beiden, dem zitierten Satz unmittelbar folgenden Absätzen, daß der Sachverständige jeweils mit überzeugenden Argumenten im ersten Fall von einer nicht aufgehobenen, im zweiten Fall von einer erhaltenen, wenn auch eingeschränkten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten ausgegangen ist und daß das Landgericht in Übereinstimmung mit diesen Ausführungen des Sachverständigen eine Aufhebung der Schuldfähigkeit ausgeschlossen hat. Danach ergibt die Würdigung der gesamten tatrichterlichen Beweiswürdigung, daß das Landgericht zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten keine widersprüchliche Feststellungen getroffen und die Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht anders bewertet hat als der Sachverständige. Die Sachverhaltsfeststellungen des Landgerichts, daß nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der ersten Tat erheblich vermindert gewesen und wegen des danach geschehenen Kokainkonsums hinsichtlich der zweiten Tat von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit sicher auszugehen ist, stehen vielmehr im Einklang mit Inhalt und Ergebnis des Sachverständigengutachtens.

2. Auch die Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Freiheitsstrafe und seine bestimmte Dauer begegnen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Zwar weicht die Strafkammer von der gesetzlichen Regel des § 67 Abs. 1 StGB ab, wonach grundsätzlich die Maßregel vor der Strafe vollzogen werden soll, weil die möglichst umgehende Behandlung des süchtigen Rechtsbrechers am ehesten einen dauerhaften Erfolg verspricht (BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 4, 12). Die Strafe oder ein Teil von ihr kann aber vor der Maßregel vollzogen werden, wenn ihr Zweck dadurch leichter erreicht wird (§ 67 Abs. 2 StGB). In diesem Fall bedarf es der Darlegung nachvollziehbarer Gründe, weshalb der sich an die Maßregel anschließende Strafvollzug den Therapieerfolg gefährden und wie sich dies bei dem Angeklagten konkret auswirken könnte (vgl. BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 12).

b) Bei längerer Dauer des Vorwegvollzugs muß das Urteil zusätzlich die hierfür wesentlichen Gründe erkennen lassen, was insbesondere für die Fälle gilt, in denen die Zeit des Vorwegvollzugs - wie hier - zusammen mit der zu erwartenden anrechenbaren (§ 67 Abs. 4 StGB) Dauer der Unterbringung zwei Drittel der verhängten Strafe und damit den Zeitpunkt übersteigt, von dem an regelmäßig eine Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe in Betracht kommt (§ 57 Abs. 1 StGB), da dann die Gefahr besteht, daß der spätere Vollzug der Unterbringung sich wie ein zusätzliches Strafübel auswirkt (vgl. BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 7).

Die entsprechenden Erwägungen der insoweit sachverständig beratenen Strafkammer, die wegen der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten und seiner für seine Lebensgestaltung positiv wirkenden familiären Verhältnisse in dem Vorwegvollzug eine Bedingung für den Erfolg der Maßregel sieht, werden diesen Anforderungen zu Anordnung und Dauer des Vorwegvollzugs insgesamt noch gerecht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

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