Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.03.2006
Aktenzeichen: 3 StR 411/04 (1)
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 136 a
StPO § 136 a Abs. 1 Satz 3
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO § 349 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 411/04

vom 21. März 2006

in der Strafsache

gegen

wegen Betruges

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. März 2006 gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 13. Juli 2004 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

1. Das Landgericht hat den geständigen Angeklagten wegen Betruges in acht Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen hat der Angeklagte mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts Revision eingelegt.

2. Zur Verfahrensrüge, das Landgericht habe gegen die Garantie eines fairen Verfahrens verstoßen, haben die Verteidiger im Revisionsverfahren im Wesentlichen vorgetragen:

Zu Beginn der Hauptverhandlung sei der Angeklagte dem Anklagevorwurf der gemeinsam mit anderen begangenen Betrugstaten entgegengetreten und habe angegeben, von den Täuschungen nichts gewusst zu haben. In der Mittagspause habe der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft für den Fall, dass der Angeklagte seine Einlassung aufrechterhalte, einen hohen Strafantrag in Aussicht gestellt. Diese Erklärung habe auf den Angeklagten einen so starken Eindruck gemacht, dass er sich in einem weiteren Gespräch, an dem sein Verteidiger und der Staatsanwalt teilgenommen hätten, für den Fall einer Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe zu einem Geständnis bereit erklärt habe. Der Staatsanwalt habe erklärt, auch ein Geständnis werde keinesfalls zu einer Bewährungsstrafe, sondern allenfalls zu einer milderen Freiheitsstrafe führen. Er, der Staatsanwalt, werde bei einem Geständnis eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten beantragen, während die Strafe ohne Geständnis sechs bis sieben Jahre betragen könne. Aus Angst vor einer derart hohen Freiheitsstrafe habe sich der Angeklagte entschlossen, den Anklagevorwurf in vollem Umfang einzuräumen. Nach der Mittagspause seien die Mitglieder der Strafkammer vom Inhalt der Gespräche unterrichtet worden. Die Strafkammer habe sich die Einschätzung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft zur Straferwartung mit und ohne Geständnis "zu eigen gemacht". Dadurch habe sie, da die Differenz der Strafen nicht mehr mit der strafmildernden Wirkung eines Geständnisses im Rahmen schuldangemessenen Strafens zu erklären sei, die Willensentschließungsfreiheit des Angeklagten ungebührlich beeinträchtigt und gegen die Garantie eines fairen Verfahrens verstoßen.

3. Mit Beschluss vom 12. Januar 2005 hat der Senat (vgl. StV 2005, 201) die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Zu dem geltend gemachten Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens hat er ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts ausgeführt:

"Die Rüge, das Landgericht habe das vom Angeklagten in der Hauptverhandlung abgelegte Geständnis nicht verwerten dürfen, weil die Kammer sich die vom Staatsanwalt in einer Sitzungspause gegenüber dem Angeklagten und seinem Verteidiger abgegebene Erklärung über die Höhe seines Strafantrages bei geständiger bzw. nicht geständiger Einlassung 'zu eigen gemacht' habe, ist nicht hinreichend ausgeführt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO); denn weder lässt sich dem Revisionsvortrag entnehmen, dass der Kammer ausdrücklich auch die vom Staatsanwalt angekündigten Strafanträge mitgeteilt worden sind, noch wird erkennbar, in welcher Weise sie sich die Straferwartung des Staatsanwalts zu eigen gemacht haben soll. Der Senat vermag daher auf Grundlage der Revisionsrechtfertigung nicht zu prüfen, ob die Kammer den Angeklagten tatsächlich durch unzulässige Mittel zu seinem Geständnis veranlasst hat.

Sollte der Staatsanwalt - entsprechend dem Vortrag der Revision - den Angeklagten zu dem Geständnis durch die Äußerung veranlasst haben, er werde bei geständiger Einlassung eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten beantragen, während sich die Strafe ohne Geständnis auf sechs bis sieben Jahre belaufen könne, läge hierin allerdings ein Verstoß gegen § 136 a Abs. 1 Satz 3 StPO (Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils) bzw. eine mit den Grundsätzen eines fairen Strafverfahrens nicht zu vereinbarende Androhung einer die Schuldangemessenheit übersteigenden Strafe. Denn ein so gravierender Unterschied in den Schlussanträgen wäre mit der strafmildernden Wirkung eines Geständnisses nicht mehr erklärbar und als unzulässiges Druckmittel zur Erwirkung eines verfahrensverkürzenden Geständnisses zu werten (vgl. BGH StV 2004, S. 470 f.). Dies hätte dessen Unverwertbarkeit zur Folge (vgl. § 136 a Abs. 3 Satz 2 StPO). An die behauptete Äußerung des Staatsanwalts knüpft die Revisionsrüge indessen nicht an. Sie will die Unverwertbarkeit des Geständnisses vielmehr ausdrücklich aus einer rechtsstaatswidrigen Beeinträchtigung der Willensfreiheit des Angeklagten durch die Strafkammer ableiten. Wegen dieser eindeutigen Stoßrichtung der Rüge kann diese nicht dahin verstanden werden, der Beschwerdeführer wolle die mangelnde Verwertbarkeit seiner Einlassung allein auf die behauptete Vorgehensweise des Staatsanwalts stützen (vgl. Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 36)."

4. Gegen die Entscheidung des Senats hat der Angeklagte Verfassungsbeschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er unter anderem vorgetragen:

"... Die Mitglieder der Kammer wurden vom Inhalt der Gespräche in der Mittagspause unterrichtet. Sie wurden hierbei auch darüber informiert, dass im Falle einer Verurteilung ohne Geständnis nach Einschätzung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von sechs bis sieben Jahren zu erwarten sei. Zwar äußerten die Mitglieder der Strafkammer bei dieser Gelegenheit nicht erneut eine eigene Strafmaßprognose für den Fall einer geständigen Einlassung. ... Sie traten der Einschätzung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft (und insbesondere den Äußerungen zum beabsichtigten Strafantrag) jedoch nicht entgegen, sondern setzten die Hauptverhandlung fort ... ."

5. In seiner Stellungnahme, zu der ihm das Bundesverfassungsgericht Gelegenheit gegeben hat, hat der Senat zur Verfassungsbeschwerde ausgeführt:

"Die Begründung der Verfassungsbeschwerde gibt Anlass zu dem Hinweis, dass sie den Revisionsvortrag in einem für die Entscheidung des Senats erheblichen Punkt ergänzt. Den pauschalen Vortrag in der Revisionsbegründung 'Die Mitglieder der Kammer wurden vom Inhalt der Gespräche in der Mittagspause unterrichtet', hat der Senat als nicht genügend substantiiert bewertet, weil sich aus ihm nicht ergibt, ob das Gericht - was jedenfalls nicht nahe liegt - über das erzielte Ergebnis der Verständigung hinaus auch über die Einzelheiten des Gesprächsverlaufs und insbesondere über die vom Beschwer-deführer beanstandeten Äußerungen des Staatsanwalts unterrichtet worden ist. Insofern wird nunmehr in der Verfassungsbeschwerde erstmals vorgetragen ... ."

6. In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren hat das Ministerium für Justiz, Arbeit und Europa des Landes Schleswig-Holstein dem Bundesverfassungsgericht dienstliche Erklärungen der drei Tatrichter und des Staatsanwalts vorgelegt und unter zutreffender Zusammenfassung des Inhalts dieser Erklärungen ausgeführt:

"Die im Revisionsverfahren und mit der Verfassungsbeschwerde vorgetragene Behauptung, (der) Staatsanwalt habe ... erklärt, er werde bei einem Geständnis eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten beantragen, während die Strafe ohne Geständnis sechs bis sieben Jahre betragen könne, ist unzutreffend. Ebenso wenig hat er die Mitglieder der Strafkammer darüber informiert, dass im Falle einer Verurteilung ohne Geständnis nach seiner Einschätzung eine Freiheitsstrafe von sechs bis sieben Jahren zu erwarten sei. Dies ergibt sich aus den (beigefügten) dienstlichen Äußerungen des Staatsanwalts ... (und der drei Tatrichter)."

7. In einer weiteren Stellungnahme, zu der ihm das Bundesverfassungsgericht unter Übersendung dieser Äußerung sowie der dienstlichen Erklärungen Gelegenheit gegeben hat, hat der Senat ausgeführt:

"... Dass der behauptete Verstoß gegen § 136 a StPO durch das Gericht nicht ausreichend substantiiert vorgetragen worden und dem Beschwerdeführer die gebotene Substantiierung möglich war, wird dadurch belegt, dass er die fehlenden Angaben in der Begründung der Verfassungsbeschwerde ausdrücklich nachgeholt hat. Es ist im Übrigen auffallend, dass das nachgeholte Vorbringen durch die dienstlichen Äußerungen der Richter und des Staatsanwalts widerlegt wird. Der Senat sieht davon ab, Spekulationen darüber anzustellen, ob der Beschwerdeführer vor diesem Hintergrund sein Revisionsvorbringen bewusst unsubstantiiert und vage gehalten hat."

8. Mit Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2005 (2 BvR 449/05 = StV 2006, 57 ff.), der auf die eingeholten Stellungnahmen nicht eingeht, hat das Bundesverfassungsgericht den Beschluss des Senats vom 12. Januar 2005 aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs verletze den Beschwerdeführer in seinem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) in Verbindung mit Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes folgenden Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Sie erschwere durch ihre Auslegung und Anwendung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO im konkreten Fall den Zugang zum Revisionsgericht in einer Weise, die aus Sachgründen nicht zu rechtfertigen sei. Der Bundesgerichtshof habe die Anforderungen an das Rügevorbringen hinsichtlich einer Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens im Zusammenhang mit einer Verfahrensabsprache überspannt. ... (Denn) der Beschwerdeführer habe im Hinblick auf das Verhalten des Gerichts einen Verfahrensmangel vollständig vorgetragen. Dem Revisionsvorbringen sei eindeutig zu entnehmen, dass die Strafkammer Kenntnis von den eine Druckausübung darstellenden Strafmaßerwartungen des Staatsanwalts erlangt habe. Auch im Hinblick auf den vom Bundesgerichtshof vermissten Vortrag, in welcher Weise sich die Strafkammer die Straferwartung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft "zu eigen gemacht" habe, liege eine Überspannung der Anforderungen an das Revisionsvorbringen im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO vor. Bereits mit der Verwendung des Begriffs "zu eigen machen" beschreibe die Revisionsbegründung ein Verhalten der Strafkammer so konkret, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Rechtfertigungsschrift habe prüfen können, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären. " 'Zu eigen machen' bedeute nach dem gebräuchlichen Wortsinn 'aneignen' (Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Eintrag 'Eigen', 'etwas übernehmen' (Duden, Das große Wörterbuch der Deutschen Sprache, Bd. 2, S. 930 f., Eintrag 'Eigen'). 'Übernehmen' wiederum bedeute, etwas von jemand anderen verwenden. Der Beschwerdeführer habe mit dem Begriff 'zu eigen machen' als Tatsachenkern beschrieben, dass die Strafkammer die Straferwartungen des Staatsanwalts - konkludent - für sich übernommen und zur Grundlage der weiteren Verhandlung gemacht habe." Auf die in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs für die Unzulässigkeit der Verfahrensrüge angeführte weitere Begründung, es bleibe unklar, in welcher Weise sich die Kammer das Vorbringen zu eigen gemacht habe, komme es vor diesem Hintergrund nicht an. Es sei der Vortrag ausreichend, dass die Kammer es unterlassen habe, der vom Staatsanwalt geäußerten Straferwartung entgegenzutreten.

II.

Die durch die Aufhebung des Senatsbeschlusses vom 12. Januar 2005 veranlasste erneute Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat - aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 6. Dezember 2004 - keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Näherer Erörterung bedarf lediglich die Rüge, es sei auf den Angeklagten unzulässiger Druck zur Herbeiführung eines verfahrensverkürzenden Geständnisses ausgeübt und deshalb der Grundsatzes des fairen Verfahrens verletzt worden.

1. a) Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, das Landgericht habe sich die Äußerungen des Staatsanwalts "zu eigen gemacht" und dadurch unzulässigen Druck ausgeübt, ist die Rüge zulässig.

Hinsichtlich der Bedeutung des Begriffs "zu eigen machen" teilt der Senat die - im Übrigen auch schon dem aufgehobenen Beschluss zugrunde gelegte - Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht. An seiner Auffassung, der Vortrag des Beschwerdeführers sei gleichwohl nicht genügend substantiiert, hält er in dieser Sache nicht fest. Nach dem bindenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (§ 31 Abs. 1, § 95 Abs. 1 und 2 BVerfGG) hat der Beschwerdeführer mit dem pauschalen Vortrag, die Strafkammer habe sich die Straferwartungen des Staatsanwalts mit und ohne Geständnis "zu eigen gemacht", die Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erfüllt; eines weiteren Sachvortrags bedarf es nicht; insbesondere ist unschädlich, dass er nicht angegeben hat, mit welchem Inhalt im Einzelnen das Gericht über das Gespräch zwischen Staatsanwalt, Verteidiger und Angeklagten informiert worden ist und durch welche Äußerungen oder welches schlüssige Verhalten die Tatrichter die angeblich vom Staatsanwalt aufgezeigte "Sanktionsschere" übernommen haben.

b) Die Verfahrensrüge bleibt in der Sache ohne Erfolg.

aa) Nach den im Verfassungsbeschwerdeverfahren abgegebenen dienstlichen Erklärungen der drei Tatrichter und des Sitzungsstaatsanwalts vom 7. Juli 2005 sowie der vom Senat zusätzlich eingeholten Äußerung des Instanzverteidigers vom 1. Februar 2006, zu denen der Beschwerdeführer Stellung nehmen konnte, ist der Revisionsvortrag, der Staatsanwalt habe geäußert, im Falle einer Verurteilung ohne Geständnis könne die Freiheitsstrafe sechs bis sieben Jahre betragen, die Strafkammer sei über diese Straferwartung des Staatsanwalts informiert worden und habe sie sich in der Hauptverhandlung "zu eigen gemacht", frei erfunden.

Der Staatsanwalt hat - wie sich aus seiner dienstlichen Äußerung ergibt - den Angeklagten und seinen mit der Spruchpraxis der Wirtschaftsstrafkammer nicht vertrauten Instanzverteidiger zunächst auf die rechtskräftigen Urteile gegen die Mittäter hingewiesen und dargelegt, dass die Kammer einen Mitangeklagten zu einer deutlich über dem Strafantrag liegenden Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt habe. Auch der Instanzverteidiger hat den Revisionsvortrag nicht be-stätigt. Nach seiner Erklärung, deren Richtigkeit er anwaltlich versichert hat, hat der Staatsanwalt lediglich geäußert: "... ziehen Sie die Notbremse. Die Fakten sprechen gegen Sie. Wenn Sie nicht gestehen, dann schlägt die Kammer zu, sie ist bekannt für hohe Strafen". In einem zweiten Gespräch hat der Staatsanwalt - nach den übereinstimmenden Angaben des Staatsanwalts und des Instanzverteidigers - für den Fall eines Geständnisses einen Antrag auf Verhängung einer Bewährungsstrafe abgelehnt und einen - später auch tatsächlich gestellten - Strafantrag von drei Jahren und sechs Monaten angekündigt. Über den Inhalt dieser Gespräche mit dem Angeklagten und seinem Verteidiger hat der Staatsanwalt die Mitglieder der Strafkammer unterrichtet.

Einen bezifferten Strafantrag von sechs bis sieben Jahren Freiheitsstrafe für den Fall, dass der Angeklagte kein Geständnis ablegen werde, hat der Staatsanwalt somit nach den übereinstimmenden dienstlichen Äußerungen der Tatrichter, des Staatsanwalts und der Erklärung des Instanzverteidigers, an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, zu keinem Zeitpunkt genannt. Auch wurde eine solche Straferwartung in der Hauptverhandlung nicht erörtert, so dass sie sich die Strafkammer nicht "zu eigen gemacht" haben kann.

bb) Bei dem festgestellten Prozessgeschehen hat die Strafkammer den Grundsatz des fairen Verfahrens nicht verletzt. Sie hat - entgegen dem unwahren Vortrag der Revision - keine Straferwartungen für den Fall eines Geständnisses einerseits und eines weiteren Bestreitens der Tatvorwürfe andererseits geäußert, die als eine die Willensfreiheit des Angeklagten beeinträchtigendes Aufzeigen einer "Sanktionsschere" zur Erlangung eines Geständnisses anzusehen und nicht mehr mit der strafmildernden Wirkung eines Geständnisses zu erklären wäre (vgl. BGHSt 43, 195, 204 ff.; BGH StV 2004 S. 470 f.). Einen unzulässigen Druck zur Herbeiführung des das Verfahren verkürzenden Geständnisses hat sie nicht ausgeübt.

2. Da - wie mithin feststeht - auch ein Verfahrensverstoß des Staatsanwalts nicht gegeben ist, kann der Senat offen lassen, ob mit der Beanstandung in der Revisionsbegründung, das Landgericht habe den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt, in zulässiger Weise zugleich ein Verstoß des Staatsanwalts gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens wirksam gerügt worden ist, wie der Beschwerdeführer in der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht hat. Auch besteht kein Anlass, auf die Stellungnahme der Verteidigung vom 14. März 2006 zum Antrag des Generalbundesanwalts, die sich nur noch mit der angeblichen, nicht nachgewiesenen unlauteren Druckausübung durch den Staatsanwalt befasst, weiter einzugehen.

3. Die Verfahrensverzögerung von ca. einem Jahr und drei Monaten, die dadurch eingetreten ist, dass der Senat nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Anforderungen an den Vortrag des Revisionsführers gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO überspannt hat, gibt keinen Anlass für eine Herabsetzung der verhängten Strafen. Die verfassungsrechtlich aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitende und konventionsrechtlich ausdrücklich anerkannte (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) Verpflichtung des Staates, Strafverfahren innerhalb angemessener Frist zu erledigen, ist nicht in einer Weise verletzt worden, die unter den hier gegebenen Umständen eine Kompensation für besondere Belastungen des Angeklagten durch ein überlanges Verfahren erforderte.

Insofern kann dahin stehen, unter welchen Voraussetzungen die durch eine Urteilsaufhebung und die Notwendigkeit einer neuen Verhandlung eintretende Verzögerung des Verfahrensabschlusses die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung begründen kann (vgl. BGH, Urt. vom 7. Februar 2006 - 3 StR 460/98). Denn einer Kompensation steht hier in jedem Fall entgegen, dass die Verteidiger des Angeklagten sowohl im Revisionsverfahren als auch im Verfahren der Verfassungsbeschwerde wahrheitswidrig vorgetragen haben und deshalb der zusätzliche Zeitbedarf bis zum Abschluss des Verfahrens der Sphäre des Angeklagten zuzurechnen ist (vgl. BVerfG, Beschl. vom 5. Dezember 2005 - 2 BvR 1964/05 = StV 2006, 73 ff.).

Ende der Entscheidung

Zurück