Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.03.2001
Aktenzeichen: 3 StR 50/01
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB § 177
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 50/01

vom

21. März 2001

in der Strafsache

gegen

wegen Vergewaltigung u.a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts, zu Ziff. 2 auf dessen Antrag, am 21. März 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 2. November 2000 in den Fällen II. 7 bis 40 der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in 40 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Kindern (Fälle II. 1 und 2), in vier Fällen in Tateinheit mit sexueller Nötigung und mit sexuellem Mißbrauch von Kindern (Fälle II. 3 bis 6), in zwölf Fällen in Tateinheit mit Vergewaltigung und mit sexuellem Mißbrauch von Kindern (Fälle II. 7 bis 18) und in 22 Fällen in Tateinheit mit Vergewaltigung (Fälle II. 19 bis 40) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zu den Fällen II. 1 bis 6 keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Insoweit kann der Senat auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 28. Februar 2001 Bezug nehmen.

2. Dagegen kann der Schuldspruch in den Fällen II. 7 bis 40 nicht aufrechterhalten werden, weil die Annahme des Tatbestandes der Vergewaltigung in diesen 34 Fällen wegen unzureichender Konkretisierung einer finalen Gewaltanwendung einer rechtlichen Nachprüfung nicht standhält.

Die Strafkammer hat für diese Fälle ohne nähere Darstellung der Einzeltaten zusammengefaßt festgestellt, daß der Angeklagte in der Zeit von Mitte 1993 bis Mitte 1996 zumindest monatlich einmal von seiner damals 12 bis 15-jährigen Stieftochter Nina den Geschlechtsverkehr erzwang, wobei er den von ihr entgegengebrachten Widerstand "durch Schläge mit der Hand und Androhung weiterer Schläge" brach. Dies reicht nicht aus, um in 34 Fällen die Tatbestandsvoraussetzungen eines Verbrechens der Vergewaltigung zu belegen.

Zwar hat der Bundesgerichtshof zum serienmäßigen Kindesmißbrauch ausgesprochen, daß in solchen Fällen, in denen dem Angeklagten eine Vielzahl erst nach Jahren aufgedeckter sexueller Übergriffe zur Last gelegt wird, an die Individualisierung der einzelnen Mißbrauchshandlungen nach Tatzeit und Geschehensablauf keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen, um gewichtige Lücken der Strafverfolgung zu vermeiden, jedoch darf eine unzureichende Konkretisierung auch nicht dazu führen, daß ein Angeklagter unangemessen in seiner Verteidigung beschränkt wird (vgl. BGHSt 42, 107, 109; BGHR StGB § 176 Serienstraftaten 7, 8). Dabei ist zu beachten, daß das Verbrechen der Vergewaltigung durch besondere tatbestandliche Voraussetzungen gekennzeichnet ist, die auch bei Serienstraftaten wegen der erfahrungsgemäß nicht gleichen Handlungsabläufe beim Nötigungsmittel genauer Feststellung bedürfen (BGHSt 42, 107, 111). Den pauschalen Feststellungen der Strafkammer kann nicht hinreichend die gewonnene Überzeugung entnommen werden, der Angeklagte habe tatsächlich in jedem der 34 Fälle im Sinne des § 177 StGB Gewalt angewandt oder angedroht, um einen Widerstand des Tatopfers zu überwinden. Bei dieser Sachlage kann ohne entsprechende Tatsachengrundlage nicht ausgeschlossen werden, daß es in einem Teil der Fälle nicht zum Einsatz eines derartigen Nötigungsmittels gekommen ist, weil etwa das Opfer gar keinen Widerstand mehr leistete. Daß in solchen Fällen eine konkludente Drohung des Angeklagten vorgelegen hat und dieser sich dessen bewußt gewesen wäre (vgl. BGHSt 42, 107, 111), ist den Feststellungen nicht zu entnehmen, zumal es auch bei sonstigen Gelegenheiten zu körperlichen Züchtigungen gekommen war, deren finale Verknüpfung mit sexuellen Handlungen nicht ohne weiteres angenommen werden kann.

3. Dieser Mangel führt zur Aufhebung des Urteils in den Fällen II. 7 bis 40 und der Gesamtstrafe. Für die neue Hauptverhandlung gibt der Senat folgenden Hinweis:

Sollten sich ausreichend konkrete Feststellungen zum Einsatz der Nötigungsmittel in diesen Fällen - oder einem Teil von ihnen - nicht treffen lassen, kann gleichwohl bei der Strafzumessung für die Tatbestände des sexuellen Mißbrauchs von Kindern und von Schutzbefohlenen erheblich zu Lasten des Angeklagten gewertet werden, daß er durch wiederholte Schläge und ihre Androhung aus Anlaß sexueller Übergriffe oder bei sonstigen Gelegenheiten ein Klima der Gewalt und Einschüchterung geschaffen hat, das er bei seinen Übergriffen ausgenutzt hat.

Ende der Entscheidung

Zurück