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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.12.1999
Aktenzeichen: 3 StR 540/99
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
StGB § 21
StGB § 213
StGB § 20
StGB § 49 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 540/99

vom

22. Dezember 1999

in der Strafsache

gegen

wegen Totschlags

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und Beschwerdeführers am 22. Dezember 1999 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 17. August 1999 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Seine wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.

Rechtlich bedenklich sind bereits die Ausführungen der Strafkammer zur Anwendung des § 21 StGB, wonach beim Angeklagten auf Grund eines organischen Psychosyndroms seine Steuerungsfähigkeit, möglicherweise aber auch seine Einsichtsfähigkeit erheblich vermindert gewesen sei. Dabei verkennt das Landgericht, daß die Anwendung des § 21 StGB nach ständiger Rechtsprechung nicht zugleich auf seine beiden Alternativen gestützt werden kann.

Bei erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit muß der Tatrichter sich zunächst Klarheit darüber verschaffen, ob die verminderte Einsichtsfähigkeit tatsächlich dazu geführt hat, daß dem Täter die Einsicht in das Unrecht seines Tuns gefehlt hat oder nicht.

Hat ihm die Einsicht gefehlt, so ist weiter zu prüfen, ob ihm dies zum Vorwurf gemacht werden kann. Ist ihm das Fehlen nicht vorwerfbar, so ist auch bei nur verminderter Einsichtsfähigkeit nicht § 21 StGB, sondern § 20 StGB anwendbar. Diese Alternative, die zu Schuldunfähigkeit führen würde, hat die Strafkammer - wie dem Zusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen ist - ersichtlich ausgeschlossen. Nur wenn dem Täter die Einsicht gefehlt hat, dies ihm aber zum Vorwurf gemacht werden kann, lägen die Voraussetzungen des § 21 StGB in den Fällen verminderter Einsichtsfähigkeit vor. Hat dagegen der Angeklagte ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen, so ist seine Schuld nicht gemindert und § 21 StGB im Hinblick auf die verminderte Einsichtsfähigkeit nicht anwendbar.

Im Gegensatz dazu führt erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit ohne weiteres zur Anwendung des § 21 StGB. Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen muß der Tatrichter deshalb klären, welche Alternative des § 21 StGB vorliegt (vgl. BGH NJW 1995, 1229; BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 2, 3, 5, 6 m.w.Nachw.: Jähnke in LK 11. Aufl. § 21 Rdn. 3). Dies hat das Landgericht versäumt.

Im übrigen hätten die besonderen Umstände des Einzelfalls eine Erörterung erfordert, ob nicht bereits die übrigen Strafmilderungsgründe ohne den vertypten Strafmilderungsgrund nach § 21 StGB die Annahme eines sonstigen minder schweren Falles nach § 213 StGB rechtfertigen. Da es sich nach den Feststellungen um einen sog. erweiterten Selbstmord handelte, bei dem der Angeklagte zuvor mit seiner Ehefrau besprochen hatte, gemeinsam aus dem Leben zu scheiden, und diese ihr grundsätzliches Einverständnis erklärt hatte, dieses Vorhaben nach einer Woche zu verwirklichen, kommt eine solche Möglichkeit im Zusammenhang mit den übrigen strafmildernden Faktoren durchaus in Betracht. Dann aber hätte die Möglichkeit bestanden, den Strafrahmen des § 213 StGB erneut nach § 21, § 49 Abs. 1 StGB zu mildern.

Ende der Entscheidung

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