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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.03.1999
Aktenzeichen: 3 StR 637/98
Rechtsgebiete: StPO, VereinsG, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
VereinsG § 20 Abs. 1 Nr. 4
StGB § 13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 637/98

vom

17. März 1999

in der Strafsache

gegen

wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 17. März 1999 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 13. Juli 1998, soweit es die Angeklagte betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz) unter Bewilligung von Zahlungserleichterungen zu einer Geldstrafe verurteilt. Gegen drei weitere unter dem gleichen Schuldspruch verurteilte Angeklagte hat das Urteil Rechtskraft erlangt.

Mit ihrer Revision beanstandet die Angeklagte das Verfahren und rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel ist begründet.

Auf die Verfahrensrüge kommt es nicht an, weil die Verurteilung der Angeklagten aus anderem Grunde nicht bestehen bleiben kann. Denn die vom Landgericht getroffenen Tatfeststellungen reichen nicht aus, um einen von der Anklage erfaßten und im Schuldumfang hinreichend bestimmten Schuldspruch nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz zu tragen.

Nach Beurteilung des Landgerichts hat die Angeklagte zunächst dadurch gegen das gegen die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihre Teilorganisation, die Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) ergangene Betätigungsverbot verstoßen, daß sie in der Zeit von April 1995 bis zum 24. Januar 1996 als das für die Finanzen zuständige Vorstandsmitglied des "Deutsch-kurdischen Freundschaftsvereins Mainz" die dem Verein zugeflossenen Gelder verbuchte, obwohl sie wußte, daß ein Teil dieser Geldbeträge geleistet worden war, um die PKK zu unterstützen. Als Teil des einheitlichen Vergehens nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz hat das Landgericht einen Verstoß gegen das die PKK und die ERNK betreffende Vereinsverbot ferner darin gesehen, daß die Angeklagte während der mit dem 24. Januar 1996 beginnenden Zeit als Vorsitzende des "Deutsch-kurdischen Freundschaftsvereins Mainz" wußte und damit einverstanden war, daß in dessen Räumen Propagandamaterial der PKK/ERNK gelagert und zur Verteilung bereitgehalten wurde. Zur Last hat das Landgericht der Angeklagten in diesem Zusammenhang aber auch gelegt, daß sie nichts unternahm, "um das Vorrätighalten und Verteilen des Materials zu unterbinden".

Bereits unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verfahrensvoraussetzungen bestehen gegen den Schuldspruch seinem Umfang nach insofern durchgreifende Bedenken, als er darauf gestützt ist, daß die Angeklagte von April 1995 an für die PKK geleistete Geldbeträge verbucht hat. Denn dieses Verhalten wird der Angeklagten in der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage nicht zur Last gelegt. Als nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz gewertete Unterstützungshandlungen für die PKK/ERNK wurde der Angeklagten in der Anklageschrift für den Anklagezeitraum von August 1995 bis zum 3. Dezember 1996 vielmehr "nur" zum Vorwurf gemacht, sie habe an Schulungen der PKK teilgenommen, Busse für Fahrten zu deren Veranstaltungen im Januar und Februar 1996 gemietet und habe es als Vorsitzende des "Deutsch-kurdischen Freundschaftsvereins Mainz" gebilligt, daß in den Vereinsräumen Zusammenkünfte von Funktionären der PKK abgehalten und Propagandamaterial der PKK und ERNK zum Verkauf gelagert wurden. Die Verbuchung von Geldern für die PKK durch die Angeklagte wird hingegen nicht erwähnt. Grundsätzlich gilt aber, daß in dem hier gegebenen Fall des Unterstützungshandelns außenstehender Dritter jede Handlung, die auf die verbotene inländische Tätigkeit des betroffenen Vereins bezogen und konkret geeignet ist, eine für die verbotene Vereinstätigkeit vorteilhafte Wirkung hervorzurufen, als solche tatbestandlich erfaßt wird, mithin eine materiell-rechtlich selbständige Straftat nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz bedeutet (BGHSt 43, 312, 314). Dazu kann auch die Mitwirkung an der Verwaltung und der Weiterleitung von Geldern gehören, die zur Unterstützung der PKK/ERNK bestimmt sind. Sind solche grundsätzlich rechtlich selbständigen Unterstützungshandlungen wie hier im Anklagevorwurf nicht enthalten, können sie nur dann zum Gegenstand der Verurteilung gemacht werden, wenn sie mit Verstößen gegen § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz, die in der Anklageschrift konkret bezeichnet und nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung auch festgestellt sind, zu einer sogenannten natürlichen Handlungseinheit verbunden sind oder mit ihnen aus anderen Gründen eine Tat im verfahrensrechtlichen Sinne bilden (BGHSt a.a.O. S. 315 f). Eine abschließende Beurteilung durch den Senat, ob unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten die Verbuchung von Geldern für die PKK/ERNK mit dem in der Anklage erwähnten und abgeurteilten Lagern von Propagandamaterialien zu einem materiell-rechtlich einheitlichen Delikt nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz oder wenigstens zu einer Tat im verfahrensrechtlichen Sinne zusammengefaßt werden können, lassen die nur unbestimmt und pauschal gefaßten Feststellungen nicht zu. Insbesondere hat das Landgericht nicht erkennbar geprüft, ob beide nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz gewerteten Verhaltensweisen, wie dies zur Annahme natürlicher Handlungseinheit notwendig ist, von einem einheitlichen Willen getragen waren. Auch zur äußeren Tatseite ist mangels ausreichend konkreter und bestimmter Tatfeststellungen nicht abschließend zu entscheiden, ob zwischen den einzelnen Verhaltensweisen ein derart enger räumlicher, zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht, daß sie nach der natürlichen Anschauung des Lebens als eine Einheit erscheinen (vgl. BGHSt 10, 230, 231). Daß die Angeklagte in ihren vereinsrechtlichen Funktionen verantwortlich gemacht wird, mag zwar mit dazu beitragen, eine solche Beurteilung zu rechtfertigen. Für eine abschließende Bewertung ist jedoch eine genauere Kenntnis der Einzelheiten ihrer Aufgaben und Tätigkeiten im Verein notwendig. Nicht nur im Verhältnis zum Verstoß gegen § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz durch die Lagerung von Propagandamaterialien, sondern auch im Hinblick auf die vom Landgericht einbezogene Verbuchungstätigkeit vor dem ab August 1995 zu berechnenden Anklagezeitraum hätte zur Feststellung des die natürliche Handlungseinheit kennzeichnenden engen Zusammenhangs der Teilakte zudem Näheres zu den Verbuchungen, insbesondere zu ihrer ungefähren Zahl und dem jeweiligen zeitlichen Abstand festgestellt werden müssen. Mindestens für eine hinreichend genaue Feststellung des Schuldumfangs nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz war ohnehin zu klären, ob und gegebenenfalls in welchem (Mindest-)Umfang die für die PKK geleisteten und von der Angeklagten verbuchten Beträge tatsächlich für die PKK/ERNK oder doch in ihrem Interesse verwendet wurden. Auch daran mangelt es.

An Ungenauigkeiten leidet das angefochtene Urteil schließlich auch insofern, als nicht mit der gebotenen Klarheit ersichtlich ist, ob das Landgericht hinsichtlich der Lagerung von Propagandamaterialien von einem konkludent erklärten Einverständnis der Angeklagten und damit von einer Tatbegehung durch positives Tun oder aber von einer Tatbestandsverwirklichung durch Unterlasssen im Sinne der Verletzung einer Garantenpflicht (§ 13 StGB) ausgegangen ist, die aus der Verantwortlichkeit als Vereinsvorsitzende für die Vereinsräume folgen kann (vgl. Stree in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 13 Rdn. 54). Die Klärung dieser Frage war nicht nur zur Kennzeichnung des Gewichts der Schuld geboten. Auch für die Beurteilung, ob zwei Tatbestandsverwirklichungen zu einer natürlichen Handlungseinheit verbunden sind, kann u.U. von Bedeutung sein, ob zwei Begehungsdelikte oder ein Begehungsdelikt und ein Unterlassungsdelikt in Frage stehen (vgl. Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. § 52 Rdn. 13, 14 m.w.Nachw.).

Die dargelegten Unklarheiten zum Schuldumfang, was die Erfassung durch die Anklage sowie Art und Gewicht des Verschuldens angeht, zwingen hier zur Aufhebung auch des Schuldspruchs und machen hinsichtlich der Angeklagten insgesamt eine neue tatrichterliche Prüfung notwendig.

Ende der Entscheidung

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