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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.04.1999
Aktenzeichen: 4 StR 111/99
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2 und 4
StGB § 56
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 111/99

vom

20. April 1999

in der Strafsache

gegen

wegen

sexueller Nötigung u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 20. April 1999 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 9. Oktober 1998 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit dem Angeklagten Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen "sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 4 Fällen, davon zweimal in Tateinheit mit sexueller Nötigung und einmal in Tateinheit mit sexueller Nötigung und sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen, des sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in 2 Fällen, davon einmal in Tateinheit mit sexueller Nötigung, des versuchten sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in 4 Fällen, davon zweimal in Tateinheit mit versuchtem sexuellem Mißbrauch von Kindern und zweimal in Tateinheit mit versuchter sexueller Nötigung" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge nur Erfolg, soweit dem Angeklagten Strafaussetzung zur Bewährung nicht gewährt worden ist; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer die Voraussetzungen des § 56 StGB verneint hat, halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand:

Das Landgericht hat es "dahinstehen" lassen, ob dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose (§ 56 Abs.1 StGB) gestellt werden kann; jedenfalls scheide eine Strafaussetzung aus, weil keine besonderen Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB vorlägen. Diese seien weder "auf der Tatseite" zu finden, weil "sich der Angeklagte seiner Stieftochter trotz ihres erkennbaren und auch geäußerten entgegenstehenden Willens über einen Zeitraum von acht Jahren immer wieder sexuell genähert (habe)", noch in der Person des Angeklagten, weil er "bis zum Schluß gezeigt (habe), daß er nicht bereit (sei), sich mit den von ihm begangenen Taten auseinanderzusetzen" (UA 20).

Diese Wertung ist im Hinblick auf den zuletzt genannten Grund rechtsfehlerhaft, weil sie zulässiges Verteidigungsverhalten des - ein strafrechtlich erhebliches Verhalten bestreitenden - Angeklagten zu dessen Lasten berücksichtigt (vgl. BGH StV 1998, 482; BGHR StGB § 56 Abs. 2 Umstände, besondere 12; BGH, Beschluß vom 9. Juni 1998 - 5 StR 106/98). Sie läßt aber auch die erforderliche Gesamtbetrachtung der für die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung bedeutsamen Umstände (vgl. hierzu Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 56 Rdn. 10) vermissen, denn die zahlreichen zu Gunsten des Angeklagten sprechenden Umstände bleiben unerwähnt:

So ist der Angeklagte nicht vorbestraft, bei Begehung der Taten war er wegen seiner Alkoholkrankheit in seiner Schuldfähigkeit erheblich vermindert, seine Ehefrau hatte ihn "sexuell verstoßen" (UA 18), er hat bereits Untersuchungshaft verbüßt und sich seit der Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls im September 1996 straffrei geführt; die abgeurteilten Taten liegen zum Teil viele Jahre zurück, sie sind von der Strafkammer zutreffend fast alle als minder schwere Fälle gewertet worden und in vier der abgeurteilten zehn Fälle kam es nur zum Versuch.

Die fehlende Erörterung dieser Umstände rügt die Revision zu Recht. Über die Strafaussetzung zur Bewährung, die hier naheliegt, muß deshalb erneut entschieden werden. Dem Senat ist eine eigene Sachentscheidung (in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO) verwehrt, weil der Tatrichter - entgegen der in § 56 StGB nahegelegten Prüfungsfolge (vgl. BGHR StGB § 56 Begründung 1) - die Antwort auf die Frage nach einer günstigen Sozialprognose (vgl. hierzu Tröndle/Fischer aaO Rdn. 4 ff.) offengelassen hat.

Ende der Entscheidung

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