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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.07.2002
Aktenzeichen: 4 StR 192/02
Rechtsgebiete: StPO, StGB, JGG


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB § 63
JGG § 7
JGG § 5 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 192/02

vom

4. Juli 2002

in der Strafsache

gegen

wegen schwerer räuberischer Erpressung

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 4. Juli 2002 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau vom 1. August 2001 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung eines rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts Wittenberg zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren verurteilt und eine Unterbringungsanordnung nach § 63 StGB getroffen. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

Die sachverständig beratene Jugendkammer geht davon aus, daß die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit aufgrund "seiner Spielsucht und der ihr 'vorgeschalteten' Neurose" (UA 11) erheblich vermindert war. Sie stützt die Unterbringungsanordnung darauf, daß, solange die Spielsucht nicht erfolgreich behandelt sei, bei dem Angeklagten aufgrund seines anhaltenden Zustandes "eine große Gefahr der Begehung weiterer erheblicher rechtswidriger Taten" bestehe, so daß er für die Allgemeinheit gefährlich sei.

Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, kann die Anordnung nach § 63 StGB schon deswegen keinen Bestand haben, weil das Landgericht, das sich ohne weitere eigene Erwägungen den Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen hat, im Urteil die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht so wiedergegeben hat, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. BGHSt 34, 29, 31; BGH NStZ 1993, 95; NStZ-RR 1996, 258; Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261 Rdn. 32 m.w.N.). Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß es sich bei dem Angeklagten um einen Heranwachsenden handelt, auf den die Jugendkammer wegen seiner Reifedefizite Jugendstrafrecht angewendet hat. Zwar sieht § 7 JGG vor, daß auch in einem Strafverfahren gegen einen Jugendlichen eine Unterbringung nach § 63 StGB angeordnet werden kann. In einem solchen Verfahren, das sich an den Zielen von Schutz, Förderung und Integration des Jugendlichen ausrichtet, ist aber stets besonders eingehend und sorgfältig zu prüfen, ob die Maßregel erforderlich ist oder eine weniger einschneidende Maßnahme ausreicht (BGHSt 37, 373, 374 m.w.N.); nichts anderes gilt im Verfahren gegen einen Heranwachsenden, der nach seiner sittlichen und geistigen Reife einem Jugendlichen gleichsteht.

Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus bedarf daher neuer Prüfung und Entscheidung; hierfür wird sich die Hinzuziehung eines weiteren Sachverständigen empfehlen.

2. Der Senat hebt auch den Strafausspruch auf, weil dem angefochtenen Urteil - auch in seinem Gesamtzusammenhang - nicht zu entnehmen ist, daß die Jugendkammer die Möglichkeit des § 5 Abs. 3 JGG geprüft hat (vgl. BGHR JGG § 5 Abs. 3 Absehen 1, 2). Im übrigen können sich die neu zu treffenden Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten auch auf die Strafzumessung auswirken. Die neu entscheidende Jugendkammer wird bei der Strafzumessung ferner zu prüfen haben, ob sich die Tat, wäre sie nach Erwachsenenstrafrecht zu beurteilen, als minder schwerer Fall (§ 250 Abs. 3 StGB) darstellen würde. Zwar ist ein Jugendgericht bei der Bemessung der Jugendstrafe nicht an die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gebunden (§ 18 Abs. 1 Satz 3 JGG); es darf aber die gesetzliche Bewertung des Tatunrechts, wie sie in den Strafdrohungen des allgemeinen Strafrechts ihren Ausdruck gefunden hat, nicht außer Betracht lassen (st. Rspr., vgl. BGHR JGG § 18 Abs. 1 Satz 2 minder schwerer Fall 2, 3; BGH StV 1999, 5).

Ende der Entscheidung

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