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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.09.2001
Aktenzeichen: 4 StR 286/01
Rechtsgebiete: StPO, StGB/DDR, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB/DDR § 63 Abs. 2
StGB § 174
StGB § 78
StGB § 78c Abs. 1 Nr. 1
StGB § 78 Abs. 3 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 286/01

vom

11. September 2001

in der Strafsache

gegen

wegen Vergewaltigung u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. September 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 15. Februar 2001

1. im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte

- der Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes

- der Nötigung zu sexuellen Handlungen (§ 122 StGB-DDR) in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes (§ 148 StGB-DDR), des sexuellen Mißbrauchs eines Kindes (§ 148 StGB-DDR) in zwei Fällen und des sexuellen Mißbrauchs eines Kindes sowie

- des sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen schuldig ist;

2. mit den Feststellungen aufgehoben:

a) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den ersten fünf der zu II. der Urteilsgründe geschilderten Fälle (Taten im Hof, in der großen Wohnstube, in der kleinen Stube, im VW-Bus, im Zimmer auf dem Dachboden),

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts Magdeburg zurückverwiesen.

III. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten

"1. der Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes und sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen,

2. des sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen in vier Fällen, davon zusätzlich in einem Fall in Tateinheit mit sexueller Nötigung und

3. des sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen in einem weiteren Fall"

schuldig gesprochen und ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, hat teilweise Erfolg.

1. Die Verfahrensrügen sind aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen unzulässig oder unbegründet.

2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge führt zur Änderung des Schuldspruchs zu den Nummern 1 und 2 der Urteilsformel.

a) Da ungeklärt ist und sich nicht klären läßt, ob der Angeklagte die ersten drei der zu II. der Urteilsgründe geschilderten Taten (Tat im Hof, Tat in der großen Wohnstube, Tat in der kleinen Stube) vor oder nach dem 3. Oktober 1990 begangen hat, sind auf diese Taten § 122 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 sowie § 148 Abs. 1 in Verbindung mit § 63 Abs. 2 StGB/DDR anzuwenden. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Stellungnahme vom 1. August 2001 zu der Revision im einzelnen zutreffend näher ausgeführt hat, erweisen sich diese Vorschriften im Vergleich zu den vom Landgericht angewendeten Tatbeständen des Strafgesetzbuches als das mildere Gesetz.

b) Bezüglich der beiden folgenden Taten (Tat im VW-Bus und Tat im Zimmer auf dem Dachboden) begegnet die Anwendung des Strafgesetzbuchs keinen Bedenken. Auch die Tat im VW-Bus hat sich - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt - nach dem 3. Oktober 1990 ereignet. Hinsichtlich dieser Taten, die das Landgericht rechtlich als Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes und sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen (Tat im VW-Bus, Urteilsformel zu Nr. 1) bzw. als sexuellen Mißbrauch eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen (Tat im Zimmer auf dem Dachboden; in der Urteilsformel zu Nr. 2 erfaßt) einordnet, muß aber jeweils die Verurteilung wegen (tateinheitlich begangenen) sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen entfallen. Ihrer Verfolgung unter dem Gesichtspunkt des § 174 StGB steht das Hindernis der Verjährung entgegen (§ 78 StGB). Die Verjährung ist erstmals im Dezember 1998 - durch die Anordnung der Vernehmung des Angeklagten als Beschuldigten - unterbrochen worden (§ 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB). Zu diesem Zeitpunkt war die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) für Vergehen nach § 174 StGB möglicherweise bereits abgelaufen. Für beide Taten kann nämlich nach den Feststellungen des Landgerichts nicht ausgeschlossen werden, daß sie bereits vor 1993 begangen worden sind.

c) Darüber hinaus hat die Nachprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere ist die Beweiswürdigung des Landgerichts auch unter Berücksichtigung der Einwände des Beschwerdeführers rechtlich nicht zu beanstanden.

3. Die Einzelstrafen, die das Landgericht in den von der Schuldspruchänderung betroffenen Fällen - teils unter rechtsfehlerhafter Anwendung der strengeren Vorschriften des Strafgesetzbuchs teils unter bedenklicher (uneingeschränkt) strafschärfender Berücksichtigung der verjährten Taten nach § 174 StGB - verhängt hat, können keinen Bestand haben. Über sie wird auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs der neue Tatrichter zu entscheiden haben, der auch über die - ebenfalls aufzuhebende - Gesamtstrafe neu zu befinden haben wird.

4. Die angefochtene Entscheidung gibt dem Senat Anlaß zu dem Hinweis, daß die Verständlichkeit eines Urteils, das mehrere Taten zum Gegenstand hat, erheblich leidet, wenn es auf die Vergabe von Ordnungsziffern zur Kennzeichnung der einzelnen Taten verzichtet. Es empfiehlt sich, die Ordnungsziffern für die abgeurteilten Fälle - möglichst einheitlich und übereinstimmend - jeweils bei der Wiedergabe der Sachverhalte, der Beweiswürdigung, der rechtlichen Würdigung und der Strafzumessung zu verwenden (BGH, Beschlüsse vom 18. Januar 2000 - 4 StR 561/99 - und vom 9. Dezember 1998 - 3 StR 558/98; ferner Kroschel/Meyer-Goßner Die Urteile in Strafsachen 26. Aufl. S. 74 ff.). Eine unnötige Unübersichtlichkeit der Urteilsgründe - wie hier - birgt regelmäßig die Gefahr sachlich-rechtlicher Mängel in sich, die den Bestand des Urteils gefährden können.



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