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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.07.1999
Aktenzeichen: 4 StR 328/99
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 265
StGB § 64
StGB § 67 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 328/99

vom

27. Juli 1999

in der Strafsache

gegen

wegen schweren Raubes u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27. Juli 1999 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 24. März 1999

1. im Schuldspruch dahin geändert, daß er im Fall A. des Diebstahls in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis schuldig ist,

2. mit den Feststellungen aufgehoben

a) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall A. ,

b) im Gesamtstrafenausspruch,

c) soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist.

II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (unerlaubter) Einfuhr von Betäubungsmitteln in dreizehn Fällen, Diebstahls "in einem besonders schweren Fall", schweren Raubes in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, mit gefährlicher Körperverletzung und mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr sowie wegen Raubes in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, daß drei Jahre der erkannten Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind. Ferner hat es für die Erteilung einer Fahrerlaubnis eine Sperrfrist von vier Jahren ausgesprochen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlußformel ersichtlichen Teilerfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Feststellungen tragen - wie der Beschwerdeführer zu Recht rügt - im Fall A. nicht die Verurteilung wegen Raubes. Sie ergeben nur, daß der Angeklagte sich mit seinem Pkw von hinten dem 82 Jahre alten Tatopfer näherte und diesem "ruckartig" durch das geöffnete Seitenfenster die mitgeführte Einkaufstasche entriß. Er ist hiernach durch List und Schnelligkeit zum Ziel gekommen; er brauchte gegen das Opfer nicht in einem solchen Maße Kraft einzusetzen, daß das Erscheinungsbild der Tat durch die Gewalt gegen eine Person geprägt wurde (vgl. BGHR StGB § 249 Abs. 1 Gewalt 1, 2 und 4; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 249 Rdn. 4 jeweils m. w. N.). Der Angeklagte hat sich somit insoweit nicht des Raubes, sondern des Diebstahls schuldig gemacht. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil auszuschließen ist, daß sich der Angeklagte gegen den Vorwurf des Diebstahls wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der im Fall A. verhängten Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten und zieht weiterhin die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

2. Der auf § 64 StGB gestützte Maßregelausspruch und damit auch die Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe können nicht bestehen bleiben. Die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB setzt von Verfassungs wegen die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges voraus (vgl. BVerfG NStZ 1994, 578 sowie BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 5 und 8). Dieses Erfordernis wird durch die Urteilsgründe nicht belegt. Vielmehr lassen die Ausführungen des Landgerichts zur Anordnung des Vorwegvollzugs der Strafe erkennen, daß die Strafkammer erhebliche Zweifel an der Therapiebereitschaft und Abstinenzmotivation des Angeklagten, der in der Vergangenheit bereits zwei Therapiemaßnahmen vorzeitig abgebrochen hat, hegt.

Bei einer erneuten Anordnung der Maßregel wird zu berücksichtigen sein, daß der Vorwegvollzug von Strafe gemäß § 67 Abs. 2 StGB nur in Betracht kommt, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird, das heißt; die Rehabilitation des Angeklagten hierdurch gefördert wird (vgl. BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 2 und 3). Dies bedarf einer eingehenden, an der Persönlichkeit des Angeklagten orientierten Begründung (vgl. BGHSt 33, 285). Die Frage einer erhöhten Fluchtgefahr bei Vollzugslockerungen im Maßregelvollzug kann demgegenüber - wie die Revision zu Recht geltend macht - keine Rolle spielen.



Ende der Entscheidung

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