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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.07.1998
Aktenzeichen: 4 StR 341/98
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2 und 4
StPO § 265
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 341/98

vom

28. Juli 1998

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 28. Juli 1998 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 19. Januar 1998

a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,

b) in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen II 1-4 und 6 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen "unerlaubten Handeltreibens mit Amphetamin in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Amphetamin in nicht geringer Menge, und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Amphetamin in zwei Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es sichergestelltes Amphetamin eingezogen.

Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II 7 der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch die wegen dieser Tat ausgesprochene Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe läßt - ebenso wie die Einziehungsanordnung - keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.

2. Durchgreifenden Bedenken begegnet dagegen die Verurteilung in den übrigen Fällen (II 1 bis 4 und 6 der Urteilsgründe) wegen fünf tatmehrheitlich begangener Taten.

Die Strafkammer hat insoweit ausschließlich auf die fünf Verkaufshandlungen abgestellt. Dabei hat sie nicht bedacht, daß nach ständiger Rechtsprechung sämtliche Betätigungen, die sich auf den Vertrieb derselben, in einem Akt erworbenen Betäubungsmittelmenge beziehen, als eine Tat des unerlaubten Handeltreibens anzusehen sind, weil bereits der Erwerb und der Besitz von Betäubungsmitteln, die zum Zweck gewinnbringender Weiterveräußerung bereitgehalten werden, den Tatbestand des Handeltreibens in bezug auf die Gesamtmenge erfüllen. Zu dieser Tat gehören als unselbständige Teilakte im Sinne einer Bewertungseinheit auch die späteren Veräußerungsgeschäfte, soweit sie dasselbe Rauschgift betreffen (st. Rspr., BGHSt 30, 28; BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 4 m.w.N.).

Zwar ist es nicht geboten, festgestellte Einzelverkäufe zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen, nur weil die nicht näher konkretisierte Möglichkeit besteht, daß sie ganz oder teilweise aus einem Verkaufsvorrat stammen (vgl. BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 5 und StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 6). Jedoch ist es rechtsfehlerhaft, allein auf die Anzahl der Veräußerungsgeschäfte abzustellen, wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, daß an sich selbständige Rauschgiftverkäufe dieselbe Rauschgiftmenge betreffen (vgl. BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 13). So liegt es hier.

Nach den Urteilsfeststellungen erfuhren die Ermittlungsbehörden am 2. Juni 1997 von einem Informanten, daß der Angeklagte seit mehreren Jahren Drogen aus Warschau nach Deutschland einführe und in Hagen vertreibe; in zwei bis drei Wochen sei eine erneute Beschaffungsfahrt geplant. Tatsächlich fuhr der Angeklagte am 17. Juni 1997 nach Polen. Bei seiner Rückkehr am 15. Juli 1997 führte er Amphetamin zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs nach Deutschland ein (Fall II 7). Unter diesen Umständen ist es naheliegend, daß sowohl das Anfang Juni 1997 von dem Angeklagten selbst wie auch das Anfang Juli 1997 auf seine Veranlassung von Dritten an den Zeugen K. verkaufte Amphetamin aus einer in einem Akt erworbenen Betäubungsmittelmenge stammte. Im übrigen deutet auch der Inhalt eines am 12. Juni 1997 zwischen dem Angeklagten und seinem Onkel B. geführten, überwachten Telefongespräches darauf hin: Darin teilte der Angeklagte seinem Onkel mit, "es sei noch ein zweites kleines Päckchen mit 15 im Gefrierschrank vorhanden" (UA 6). Diese 15 g Amphetamin verkaufte B. anschließend auf Weisung des Angeklagten an den Zeugen K. (Fall II 3). Auch hinsichtlich des Verkaufs von 10 g Amphetamin an denselben Abnehmer (Fall II 4) hat das Landgericht festgestellt, daß dieses Betäubungsmittel aus dem Vorrat des Angeklagten stammte (UA 8). Schließlich holte der Zeuge D. am 5. Juli 1997 auf Veranlassung des Angeklagten die restlichen noch in dessen Wohnung befindlichen 50 g Amphetamin ab, da dieser eine Wohnungsdurchsuchung befürchtete (UA 9, 10). Ein Teil davon wurde auf Weisung des Angeklagten an den Zeugen K. verkauft (Fall II 6).

All das spricht dafür, daß das in den Fällen II 1 bis 4 und 6 verkaufte Amphetamin aus einem Erwerbsgeschäft stammt mit der Folge, daß hinsichtlich dieser Fälle eine Bewertungseinheit vorliegt. Der Senat schließt aus, daß noch weitere, dem entgegenstehende Feststellungen getroffen werden können. Er ändert deshalb den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

3. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der für die Fälle II 1 bis 4 und 6 verhängten Einzelstrafen; insoweit ist eine neue Einzelstrafe zu verhängen. Dies entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.

Ende der Entscheidung

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