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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.08.2008
Aktenzeichen: 4 StR 370/08
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB § 176 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

4 StR 370/08

vom 14. August 2008

in der Strafsache

gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 14. August 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 14. April 2008

a) im Schuldspruch im Fall II 1 der Urteilsgründe dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes schuldig ist,

b) in den Aussprüchen über die im vorgenannten Fall verhängte Einzelstrafe und über die Gesamtstrafe aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Der Schuldspruch im Fall II 1 der Urteilsgründe wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176 Abs. 1 StGB in der ab dem 1. April 2004 gültigen Fassung durch das Gesetz vom 27. Dezember 2003 (BGBl I 3007) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen fasste der Angeklagte der am 11. April 1996 geborenen Laura E. an einem Wochenende vor dem 10. Geburtstag des Kindes über der von diesem getragenen Jogginghose grob zwischen die Beine und griff anschließend fest an die von einem T-Shirt bedeckte Brust des Kindes. Damit hat der Angeklagte zwar den Straftatbestand des § 176 Abs. 1 StGB verwirklicht. Da der Angeklagte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bei Begehung dieser Tat innerhalb der letzten fünf Jahre wegen einer solchen Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist, wird aber das Grunddelikt des § 176 Abs. 1 StGB von dem schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes nach § 176 a Abs. 1 StGB n.F. verdrängt, der § 176 a Abs. 1 Nr. 4 StGB a.F. entspricht.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Qualifikationstatbestand des § 176 a Abs. 1 StGB n.F. auch dann erfüllt, wenn der Angeklagte, wovon das Landgericht zu seinen Gunsten ausgegangen ist, die Tat zum Nachteil des Kindes Laura erst nach dem 11. Juli 2005 und vor dessen 10. Geburtstag, dem 11. April 2006, begangen hat. Zwar läge dann die einschlägige Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Hagenow vom 3. Juli 2000, die am 11. Juli 2000 rechtskräftig geworden ist, mehr als fünf Jahre zurück. Gemäß § 176 a Abs. 6 StGB n.F. wird aber in die in Absatz 1 dieser Vorschrift bezeichnete Frist die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Die Vollstreckung der durch das Urteil des Amtsgerichts Hagenow gegen den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten war am 18. Juni 2002 erledigt, so dass die Frist des § 176 a Abs. 1 StGB erst in der ersten Hälfte des Jahres 2007 abgelaufen ist. Der Senat ändert den Schuldspruch im Fall II 1 der Urteilsgründe entsprechend. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil dem Angeklagten insoweit bereits in der unverändert zugelassenen Anklageschrift ein Verbrechen gemäß § 176 a Abs. 1 StGB zur Last gelegt worden ist.

Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung auch der im Fall II 1 der Urteilsgründe verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, weil sich die Verurteilung lediglich wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben kann. Das Landgericht hat die Strafe dem Strafrahmen des § 176 Abs. 1 StGB (sechs Monate bis zehn Jahre Freiheitsstrafe) entnommen, der im Gegensatz zu § 176 Abs. 1 StGB in der bis zum 31. März 2004 geltenden Fassung des 6. Strafrechtsreformgesetzes keinen minder schweren Fall (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe) vorsieht. Gemäß § 176 a Abs. 4 StGB n.F. ist dagegen in minder schweren Fällen des Absatzes 1 auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Wegen der hier vorliegenden zahlreichen Milderungsgründe, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Tat "nur von geringer Schwere" gewesen ist und dass sie für das Tatopfer keine nachhaltigen gesundheitlichen Folgen hatte, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht einen minder schweren Fall des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern bejaht und eine niedrigere Freiheitsstrafe verhängt hätte.

Die danach gebotene Aufhebung des Ausspruchs über die im Fall II 1 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe zieht die Aufhebung auch der Gesamtstrafe nach sich. Die zu Grunde liegenden Feststellungen können bestehen bleiben, da nur ein Wertungsfehler vorliegt.



Ende der Entscheidung

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