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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.09.1998
Aktenzeichen: 4 StR 376/98
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 376/98

vom

22. September 1998

in der Strafsache

gegen

wegen Mordes

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 22. September 1998 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 4. Februar 1998 mit den Feststellungen - mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen - aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und festgestellt, daß seine Schuld besonders schwer wiegt (§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB).

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat im wesentlichen Erfolg.

1. Die Verfahrensrüge ist allerdings, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 17. Juli 1998 zutreffend ausgeführt hat, schon deshalb unbegründet, weil durch die Revisionsentscheidung des Oberlandesgerichts für das weitere Verfahren bindend feststeht, daß die Berufung des Nebenklägers gegen das Urteil des Amtsgerichts zulässig war.

2. Die Sachrüge greift im wesentlichen durch.

a) Nach den Feststellungen wollte sich die Lebensgefährtin des Angeklagten, Maria S. , von dem Angeklagten trennen. Als es dem Angeklagten bei einer Aussprache mit ihr nicht gelang, sie "dazu zu bewegen, die Beziehung mit ihm fortzusetzen", nahm er seinen Trommelrevolver und zwang sie mit vorgehaltener Waffe, sich zu entkleiden. Weiter heißt es in dem angefochtenen Urteil:

"... zur Untermauerung seiner Forderung, sich nicht von ihm zu trennen, (hielt er) die Mündung des geladenen Revolvers an ihre rechte Schläfe, spannte spätestens jetzt den Hahn des Revolvers und drohte ihr, sie zu erschießen, wenn sie nicht bei ihm bleibe. Als auch diese Drohung nicht die gewünschte Wirkung zeigte und Frau S. in ihrer Verzweiflung und möglicherweise auch in der Hoffnung, er werde sie nicht erschießen, sinngemäß sagte, "dann drück' doch ab", tat er dies, um sie zu töten. Frau S. sackte sofort in sich zusammen und starb ..." (UA 6/7).

b) Das Landgericht würdigt das Geschehen als Tötung "aus niedrigen Beweggründen" und begründet dies wie folgt:

Der Angeklagte "hat Frau S. aus verletzter Eitelkeit und krasser Selbstsucht vorsätzlich getötet. Er wollte nicht akzeptieren, daß seine langjährige Lebensgefährtin ihn verläßt, obwohl er die Gründe der Trennung durch sein beziehungswidriges Verhalten [nämlich die intime Beziehung zu einer anderen Frau] herbeigeführt hat. Wer unter solchen Umständen dem Lebenspartner das Lebensrecht abspricht, handelt zutiefst verwerflich. Dieser verachtenswerten Gesinnung war sich der Angeklagte auch zum Zeitpunkt der Tat bewußt" (UA 15).

c) Diese Bewertung ist indessen nicht ohne weiteres mit den Feststellungen in Einklang zu bringen. Danach ist - wie die Revision mit Recht rügt - nicht auszuschließen, daß der zur Tatzeit erheblich alkoholisierte Angeklagte die Tat ohne Vorplanung aus dem Augenblick heraus - als spontane Reaktion auf die Aufforderung, "dann drückŽdoch ab" - begangen hat. Damit hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt. Das wäre aber erforderlich gewesen, denn nicht jede Tötung des Partners, die geschieht, weil dieser sich vom Täter abwenden will, ist zwangsläufig "aus niedrigen Beweggründen" begangen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 32), auch wenn der Täter den Grund für die Trennung selbst herbeigeführt hat. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat "niedrig" sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen (vgl. BGHSt 35, 116, 127; BGH StV 1996, 211, 212), wobei es stets besonders sorgfältiger Prüfung bedarf, wenn sich eine Tat plötzlich aus einer Situation heraus entwickelt (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11 m.w.N.). Dem wird die Würdigung des Landgerichts nicht gerecht.

Zudem genügt die bloße Behauptung, der Angeklagte sei sich seiner "verachtenswerten Gesinnung" bewußt gewesen, nicht den rechtlichen Anforderungen, die hier an die Feststellungen zu den subjektiven Erfordernissen des Mordmerkmals zu stellen sind; denn es versteht sich nicht von selbst, daß den Angeklagten im Zeitpunkt der Tötungshandlung niedrige Beweggründe beherrschten, er sich - diese unterstellt - der Umstände, die eine solche Bewertung tragen können, bewußt gewesen ist und er seine Tatantriebe gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern konnte (vgl. hierzu BGHSt 28, 210, 212; BGHR § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 12, 13, 15, 16, 24, 26, 32).

3. Das Urteil muß daher aufgehoben werden. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können bestehen bleiben, weil sie von dem Rechtsfehler nicht berührt werden. Ergänzende - den getroffenen nicht widersprechende - Feststellungen bleiben zulässig.

4. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, daß bei einem erneuten Schuldspruch wegen Mordes die Feststellung, daß eine besondere Schwere der Schuld gegeben sei (§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB), fernliegt (vgl. BGHSt 40, 360 ff.; 42, 226 ff.).

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