Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.02.2001
Aktenzeichen: 4 StR 4/01
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
StPO § 349 Abs. 2
StGB § 21
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 4/01

vom

6. Februar 2001

in der Strafsache

gegen

wegen versuchten Mordes u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 6. Februar 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 8. September 2000 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Mit ihrer Revision rügt die Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde zum Strafausspruch Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Schuldspruch hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand. Soweit das Landgericht einen heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen versuchten Mord angenommen hat, kann der Senat den Schuldspruch jedoch nur mit der Maßgabe bestätigen, daß das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe entfällt.

a) Am Tattage ging die Angeklagte mit ihrem Ehemann, Ralf S. , von dem sie getrennt lebte, in seine Wohnung zurück, weil sie glaubte, sie habe dort ihr Mobiltelefon liegen lassen. Ralf S. bemerkte, daß die Angeklagte heimlich sein Mobiltelefon an sich genommen hatte, und forderte sie auf, es herauszugeben. Die Angeklagte weigerte sich und verlangte von ihrem Ehemann die Herausgabe ihres Mobiltelefons. Ralf S. wollte das Mobiltelefon der Angeklagten anrufen, um es zu finden. "Spätestens in diesem Moment wurde ihr klar, daß sich ihr Mobiltelefon nicht in der Wohnung, sondern woanders befand und er im Begriffe war, sie nochmals bei einem Versuch, ihn zu täuschen, zu entlarven. Sie fühlte sich in die Enge getrieben und wurde von ihren negativen Gefühlen der Wut, der Mißgunst und des Hasses gegen ihren Mann überflutet. Sie entschloß sich, ihn zu töten, um ihre Macht über ihn zu demonstrieren". Die Angeklagte "zog insgeheim einen Dolch aus der Scheide an ihrem Gürtel,... trat von hinten an Ralf S. (heran) und stach hinterrücks wortlos mit Wucht einmal auf seinen Rücken ein, um ihn zu töten, wobei sie sich seiner aus seiner Arglosigkeit ergebenden Wehrlosigkeit gegenüber diesem Angriff auf sein Leben bewußt war" (UA 11). Durch diesen Stich wurde Ralf S. lebensgefährlich verletzt. Im Verlauf des Tatgeschehens erlitt er insgesamt elf Stichverletzungen (UA 13).

b) Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte habe dabei nicht nur heimtückisch, sondern auch aus niedrigen Beweggründen gehandelt, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Der Senat läßt offen, ob die Feststellungen objektiv die Voraussetzungen auch dieses Mordmerkmals belegen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 21; BGH NStZ 1998, 36).

Jedenfalls hat das Landgericht die subjektiven Voraussetzungen des Handelns aus niedrigen Beweggründen nicht rechtsfehlerfrei belegt.

Hierzu gehört die Feststellung, daß sich der Täter bei der Tat der Umstände bewußt ist, die den Antrieb zum Handeln als besonders verwerflich erscheinen lassen, und daß er die Bedeutung seiner Beweggründe und Ziele für die Bewertung der Tat erfaßt hat (st. Rspr., vgl. BGHSt 6, 329, 331; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 15, 16, 26). Soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, muß der Täter diese zudem gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern können (st. Rspr.; vgl. BGHSt 28, 210, 212; BGHR aaO).

Das Landgericht hat dazu lediglich ausgeführt, die Angeklagte habe "ihre negativen Gefühle" reflektiert und sei sich "ihrer bewußt" gewesen (UA 20). Damit ist aber unter den hier gegebenen Umständen nicht hinreichend dargetan, daß die Angeklagte diese Regungen auch gedanklich beherrschen und steuern konnte, als sie sich spontan zur Ausführung der Tat entschloß. Zwar hat das sachverständig beratene Landgericht ohne Rechtsfehler die Voraussetzungen des § 21 StGB verneint. Nach den hierzu getroffenen Feststellungen besteht bei der Angeklagten aber "eine Neigung zu einem paranoiden Cognitionsmodus in der Art, daß sie unterschiedslos selbst neutral Gemeintes als gegen sich gerichtet deutet und als gegen sie gerichteten Angriff, Drohung oder Kränkung erlebt" (UA 21). "Aufgrund ihrer paranoid gefärbten Art, die Dinge wahrzunehmen, fühlte sie sich stets - auch ohne objektiven Grund - angegriffen" (UA 24). Diese psychische Disposition der Angeklagten legt es nahe, daß sie ihre gefühlsmäßigen Regungen nicht gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern konnte, als sie sich entschloß, Ralf S. zu töten, weil sie sich "in die Enge getrieben" fühlte und "von ihren negativen Gefühlen der Wut, der Mißgunst und des Hasses gegen ihren Mann überflutet" wurde (UA 11/24). Hiermit hätte sich das Landgericht auseinandersetzen müssen.

Der Senat schließt aus, daß sich in einer neuen Hauptverhandlung noch weitere Feststellungen zur inneren Tatseite treffen lassen, die mit genügender Sicherheit die Annahme auch des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe tragen, und bestätigt deshalb den Schuldspruch mit der Maßgabe, daß dieses Mordmerkmal entfällt.

2. Dies führt zur Aufhebung des Strafausspruchs, weil das Landgericht ausdrücklich strafschärfend gewertet hat, daß die Angeklagte zwei Mordmerkmale verwirklicht hat.

Die Revision beanstandet im übrigen zu Recht die Erwägung des Landgerichts, straferschwerend sei zu werten, daß die Angeklagte sich "bereits lange vor der Tat von ihren inneren negativen Einflüssen" habe treiben lassen und daß sie "trotz anhaltender aggressiver Verstimmtheit einen Dolch mitgenommen" habe (UA 24/25). Nach den Feststellungen besaß die Angeklagte diesen Dolch jedoch bereits "seit Jahren" und hatte ihn, seit sie allein lebte, häufig - in einer Lederscheide am Gürtel oder am Hosenbund befestigt - getragen. Vor der Tat hatte sie von dem Dolch keinen Gebrauch gemacht. Die Angeklagte war zudem bei den vorangegangenen Auseinandersetzungen mit ihrem Ehemann und mit dessen Lebensgefährtin nicht tätlich geworden. Bei dieser Sachlage kann der Angeklagten allein das Mitführen des Messers nicht strafschärfend angelastet werden (vgl. BGH StV 1984, 21), zumal nicht festgestellt ist, daß sie dies am Tattage zu anderen Zwecken als zu ihrer Verteidigung tat.

Ende der Entscheidung

Zurück