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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 03.12.2002
Aktenzeichen: 4 StR 416/02
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB § 66 Abs. 1 Nr. 1
StGB § 66 Abs. 1 Nr. 2
StGB § 66 Abs. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 416/02

vom

3. Dezember 2002

in der Strafsache

gegen

wegen versuchter Vergewaltigung u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 3. Dezember 2002 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Siegen vom 11. März 2002

a) im Schuldspruch dahin geändert, daß die tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung entfällt;

b) im Maßregelausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung, gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Maßregelausspruchs; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge führt zu einer Änderung des Schuldspruchs, weil die Verfolgung der tateinheitlich begangenen gefährlichen Körperverletzung und der Freiheitsberaubung, worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 8. Oktober 2002 zu Recht hingewiesen hat, verjährt ist. Für beide Delikte beträgt die Verjährungsfrist nach dem zur Tatzeit geltenden Recht fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Zum Zeitpunkt der ersten verjährungsunterbrechenden Handlung, dem Erlaß des Haftbefehls vom 11. Juni 2001, waren die vom Angeklagten am 10. August 1995 tateinheitlich begangene gefährliche Körperverletzung und Freiheitsberaubung bereits verjährt. Die deshalb gebotene Einschränkung des Schuldspruchs hat jedoch keinen Einfluß auf den Strafausspruch. Zwar hat das Landgericht im Rahmen der Strafzumessungserwägungen ausgeführt, "schließlich" habe der Angeklagte "mehrere Straftatbestände verwirklicht". Das Landgericht hat aber vor allem auf die Dauer des Tatgeschehens von mehr als zwei Stunden abgestellt. Der Senat kann deshalb ausschließen, daß eine niedrigere Strafe festgesetzt worden wäre, wenn das Landgericht die teilweise eingetretene Verjährung berücksichtigt hätte, zumal verjährte Taten, wenn auch mit geringerem Gewicht (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 20 und 24 m.w.N.), straferschwerend berücksichtigt werden können.

2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat keinen Bestand.

Zwar liegen die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB für die Anordnung der Sicherungsverwahrung vor. Die Erwägungen des Landgerichts, auf die es die nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB erforderliche Gefährlichkeitsprognose stützt, halten aber sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, der Sachverständige habe "insoweit nachvollziehbar ausgeführt, daß eine Wiederholungsgefahr bestehe, wenn auch keine unmittelbare oder horrende, so doch eine solche, die deutlich über das zufällige Maß hinausgehe" (UA 34). Dies läßt besorgen, daß das Landgericht der Beurteilung der Gefährlichkeit des Angeklagten einen unzutreffenden Maßstab zugrundegelegt hat. Die Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist nur dann gegeben, wenn die bestimmte (vgl. BGHSt 25, 59, 61) Wahrscheinlichkeit besteht, daß er auch in Zukunft Straftaten begehen wird und diese eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 1 m.N.). Es ist nicht auszuschließen, daß das Landgericht bei Berücksichtigung dieser Grundsätze die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verneint hätte, zumal der Angeklagte nach Begehung der abgeurteilten Tat im August 1995 nach den Feststellungen nicht erneut straffällig geworden ist.

Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Wegen der in der Hauptverhandlung aufgetretenen Kontroversen über die Vorgehensweise des Sachverständigen bei der Exploration des Angeklagten empfiehlt es sich, für die neue Hauptverhandlung einen weiteren Sachverständigen hinzuzuziehen.

Ende der Entscheidung

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