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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.09.1998
Aktenzeichen: 4 StR 481/98
Rechtsgebiete: StPO, StGB, BtMG, JGG


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2 u. 4
StPO § 357
StPO § 265
StPO § 354 Abs. 1
StPO § 473 Abs. 4
StGB § 69
StGB § 69 a
StGB § 244 Abs. 1 Nr. 3
StGB § 244 a Abs. 1 a.F.
BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 1
BtMG § 30a Abs. 1
BtMG § 29a Abs. 2
JGG § 18 Abs. 1 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 481/98

vom

29. September 1998

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 29. September 1998 gemäß §§ 349 Abs. 2 und 4, 357 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 30. April 1998, soweit es diesen Angeklagten und den Mitangeklagten Witali K. betrifft, dahin geändert, daß

a) der Angeklagte Kl. in 30 Fällen und der Angeklagte Witali K. in 20 Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig sind,

b) der Angeklagte Kl. auch in den vom Landgericht als bandenmäßiges unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bewerteten 16 Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt wird.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 14 Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und gegen ihn Maßregeln nach §§ 69, 69 a StGB angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zu einer - gemäß § 357 StPO auch auf den Mitangeklagten Witali K. zu erstreckenden - Änderung des Schuldspruchs und zu einer Herabsetzung von 16 gegen den Angeklagten verhängten Einzelstrafen; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verurteilung des Angeklagten Kl. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

Nach den Feststellungen faßten der Angeklagte und der Mitangeklagte Witali K. Anfang Juli 1997 den Entschluß, "fortan gemeinsam" in Hannover Heroin einzukaufen und in Paderborn mit Gewinn weiterzuveräußern. Diesen Entschluß führten sie in 16 Fällen aus, wobei sie das für den Erwerb von jeweils mindestens 100 g Heroin benötigte Geld zusammenlegten.

Diese Feststellungen tragen nicht die Verurteilung des Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen. Die Verbindung zu einer Bande setzt nämlich voraus, daß sich mindestens zwei Personen mit ausdrücklich oder schlüssig bekundetem ernsthaften Willen zusammengeschlossen haben, künftig für eine gewisse Dauer selbständige, im einzelnen noch ungewisse Straftaten der in den §§ 30 Abs. 1 Nr. 1, 30 a Abs. 1 BtMG genannten Art zu begehen (BGHSt 38, 26, 28, 31; 42, 255, 257 f.; vgl. zu §§ 244 Abs. 1 Nr. 3, 244 a Abs. 1 StGB a.F. BGH NJW 1998, 2913). Erforderlich ist - über die mittäterschaftliche Arbeitsteilung im jeweiligen Individualinteresse hinaus - ein Handeln mit gefestigtem Bandenwillen (BGHSt 42, 255, 259; vgl. auch BGH NStZ 1998, 42, 43). Für den auf gewisse Dauer angelegten und verbindlichen Gesamtwillen ist kennzeichnend, daß die Mittäter ein gemeinsames übergeordnetes (Banden-)Interesse verfolgen (BGH NStZ 1996, 443; NStZ-RR 1997, 121 LS; BGH NStZ 1998, 255, 256 mit Anm. Körner). Das Vorliegen einer bandenmäßigen Organisation, in der den einzelnen Mitgliedern bestimmte Rollen zugewiesen sind, oder ein "mafiaähnlicher" Charakter wird allerdings nicht gefordert (BGH NStZ 1996, 339, 340; 442; NStZ-RR 1997, 395, 396; BGHR BtMG § 30 a Bande 3, 8).

Ob die Voraussetzungen einer bandenmäßigen Tatbegehung im Sinne des § 30 a Abs. 1 BtMG erfüllt sind, kann nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles beantwortet werden. Hierbei können insbesondere gewichtige Indikatoren sein: das Eingebundensein in einer bandenmäßigen Organisation, eine "geschäftsmäßige Auftragsverwaltung", eine genaue gemeinsame Buchführung, die arbeitsteilige und gleichberechtigte Abwicklung von Aquisition, Vermittlungstätigkeit und Forderungseinziehung, gegenseitige Kontrolle und Schutz, das Vorliegen einer gemeinsamen Kasse oder die Beteiligung an den gemeinsam erwirtschafteten Gewinnen und Verlusten (BGH NStZ-RR 1997, 375, 376; vgl. auch BGHSt 38, 26, 30 f.; BGH StV 1995, 642; NStZ 1996, 443; BGHR BtMG § 30 a Abs. 1 Bandenhandel 1; § 30 a Bande 8).

Keines der vorgenannten Kriterien rechtfertigt die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte und der Mitangeklagte Witali K. hätten sich zu bandenmäßiger Tatbegehung verbunden. Weder die gemeinsame Finanzierung des jeweiligen Einkaufspreises noch die gemeinsamen Bemühungen zum alsbaldigen Absatz des Rauschgifts vermögen das Zusammenwirken der beiden Angeklagten über das Maß mittäterschaftlicher Tatbegehung herauszuheben. Vielmehr belegt das individuelle Interesse der Angeklagten am Erzielen von Verkaufserlösen als Einkommensquelle, daß sie kein gemeinsames übergeordnetes Bandeninteresse verfolgten. Keine Bedeutung kommt dem Umstand zu, daß die Angeklagten Anfang Juli 1997 den gemeinsamen Entschluß faßten, "fortan gemeinsam" Heroingeschäfte durchzuführen, da weder mittäterschaftliche Begehung, wie sie hier gegeben ist, noch ein eingespieltes Bezugs- und Absatzsystem die Annahme einer Bande rechtfertigen (BGH, Urteil vom 23. Juli 1998 - 4 StR 238/98).

Der Senat ändert die Schuldsprüche entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, wie sich aus den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 31. August 1998 zu der auf die Verletzung der Hinweispflicht gestützten Verfahrensrüge ergibt.

2. Die Neufassung des Schuldspruchs in 16 Fällen hat die Änderung der insoweit gegen den Angeklagten Kl. verhängten Einzelstrafen zur Folge. Einer Zurückverweisung der Sache zur erneuten Straffestsetzung durch den Tatrichter bedarf es hier nicht. Vielmehr kann der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die 16 Einzelstrafen auf jeweils ein Jahr und drei Monate Freiheitsstrafe festsetzen. Der Angeklagte ist hierdurch unter keinen Umständen beschwert; das Landgericht hat in den - von der Schuldspruchänderung nicht betroffenen - 14 Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in denen er lediglich mit 50 bis 80 Gramm Heroin (mit gleichem Wirkstoffgehalt) Handel getrieben hatte, minder schwere Fälle gemäß § 29 a Abs. 2 BtMG bejaht und gegen ihn die nämlichen Einzelstrafen verhängt (vgl. BGH NStE StPO Nr. 4 zu § 354; BGH, Beschluß vom 9. Juli 1991 - 4 StR 291/91; OLG Düsseldorf NStE StPO Nr. 1 zu § 354; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 354 Rdn. 9 a).

Der Gesamtstrafenausspruch kann ebenfalls bestehen bleiben, da sich der Unrechts- und Schuldgehalt des Gesamtgeschehens durch die neue rechtliche Beurteilung nicht entscheidungserheblich geändert hat. Der Senat kann ausschließen, daß das Landgericht mit Blick auf die geringe Herabsetzung von 16 Einzelstrafen auf eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

3. Gemäß § 357 StPO ist die Änderung des Schuldspruchs in 16 Fällen auf den - zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilten - früheren Mitangeklagten Witali K. , der gegen das Urteil keine Revision eingelegt hat, zu erstrecken, so daß dieser - unter Berücksichtigung der vier ohne den Angeklagten Kl. begangenen Taten - des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 20 Fällen schuldig ist. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab; § 265 StPO steht dem nicht entgegen.

Die Schuldspruchänderung läßt den Strafausspruch gegen den Mitangeklagten unberührt; denn trotz Wegfalls der bandenmäßigen Tatbegehung im Sinne des § 30 a Abs. 1 BtMG in 16 Fällen bleibt der Schuldgehalt der - vom Landgericht ebenfalls als minder schwere Fälle bewerteten - Taten im wesentlichen unverändert. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 JGG finden die Strafrahmen des Erwachsenenstrafrechts ohnehin keine Anwendung.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.

Ende der Entscheidung

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