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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.01.2003
Aktenzeichen: 4 StR 516/02
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 1
StPO § 302 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 516/02

vom

14. Januar 2003

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 14. Januar 2003 gemäß § 349 Abs. 1 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 4. September 2002 wird als unzulässig verworfen.

2. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 22 Fällen und anderer Straftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte mit Schreiben vom 5. September 2002, das beim Landgericht am 6. September 2002 eingegangen ist, Revision eingelegt.

Die Revision ist unzulässig, weil der Angeklagte wirksam auf Rechtsmittel verzichtet hat (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Der Rechtsmittelverzicht wurde nach der Urteilsverkündung und nach Erteilung der Rechtsmittelbelehrung von dem damaligen Pflichtverteidiger "auch im Namen des Angeklagten" zu Protokoll erklärt. Eine hierzu erforderliche ausdrückliche Ermächtigung (§ 302 Abs. 2 StPO) durch den Angeklagten lag vor. Eine solche Ermächtigung kann mündlich erteilt werden; zu ihrem Nachweis kann eine anwaltliche Erklärung genügen (BGH, Beschluß vom 30. Juli 2002 - 4 StR 212/02). Hier hat der Pflichtverteidiger zum Zustandekommen des Rechtsmittelverzichts mit Schreiben vom 19. September 2002 Stellung genommen und ausgeführt, er sei vom Angeklagten zur Abgabe einer entsprechenden Erklärung ermächtigt gewesen. Dies wird bestätigt durch den Inhalt der dienstlichen Äußerungen der Vorsitzenden der Strafkammer und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft. Danach sei der Angeklagte nach Abgabe des Rechtsmittelverzichts, der im Anschluß an eine Rücksprache des Verteidigers mit dem Angeklagten erklärt worden sei, vom Sitzungsstaatsanwalt ausdrücklich gefragt worden, ob der Rechtsmittelverzicht seinem Willen entspreche. Dies habe der Angeklagte sinngemäß bejaht. Auch auf den daraufhin erfolgten nochmaligen Hinweis der Vorsitzenden, der Angeklagte habe eine Woche Zeit, "sich alles genau zu überlegen", habe dies der Angeklagte abgelehnt und geäußert, "es gebe nichts mehr zu überlegen". Angesichts dieser Umstände bestehen keine Bedenken, von einer ausreichenden Ermächtigung im Sinne des § 302 Abs. 2 StPO auszugehen (vgl. BGH NStZ 2002, 496).

Der Rechtsmittelverzicht ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam, etwa deshalb, weil er Bestandteil einer dem Urteil vorausgegangenen Absprache gewesen ist (BGHSt 45, 227, 230; 43, 195, 204 f.). Die hier erfolgte Verständigung umfaßte nach den übereinstimmenden Stellungnahmen der Vorsitzenden, des Sitzungsstaatsanwalts und des Verteidigers keinen Rechtsmittelverzicht. Daß der Verteidiger im Rahmen der Verhandlungen über die einvernehmliche Beendigung des Verfahrens in Aussicht stellte, seinem Mandanten bei einer entsprechenden Verfahrenserledigung einen Rechtsmittelverzicht zu empfehlen, entspricht nicht der der Senatsentscheidung in BGHSt 45, 227 ff. zugrundeliegenden Fallgestaltung. Der Angeklagte hat sich hier nicht der Möglichkeit einer revisionsrechtlichen Überprüfung des Urteils begeben. Dies wird nicht zuletzt durch den nach Erklärung des Rechtsmittelverzichts erteilten Hinweis der Vorsitzenden, der Angeklagte habe eine Woche Zeit sich alles genau zu überlegen, belegt.

Der Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts steht schließlich auch nicht entgegen, daß der Verteidiger ausweislich seiner Stellungnahme vom 19. September 2002 dem Angeklagten erklärt hat, daß "ein Rechtsmittelverzicht zum Deal gehöre" und der Angeklagte, wie sein damaliger Pflichtverteidiger meint, deshalb möglicherweise davon ausgegangen sein könnte, bei Nichterklärung des Rechtsmittelverzichts, sich absprachewidrig zu verhalten. Selbst wenn beim Angeklagten eine solche Fehlvorstellung über die Vereinbarung eines Rechtsmittelverzichts vorhanden gewesen sein sollte, so wurde diese jedenfalls spätestens durch die dargestellte Frage des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft und durch den Hinweis der Vorsitzenden im Anschluß an die Erklärung des Rechtsmittelverzichts beseitigt.

Der somit wirksam erklärte Rechtsmittelverzicht kann als Prozeßhandlung nicht widerrufen, wegen Irrtums angefochten oder sonst zurückgenommen werden (st. Rspr., vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 1 m.w.N.; BGH NStZ 1999, 526). Die trotz wirksamen Rechtsmittelverzichts eingelegte Revision ist daher unzulässig und muß verworfen werden.

Ende der Entscheidung

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