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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.01.2008
Aktenzeichen: 4 StR 626/07
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 331 Abs. 1
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StPO § 358 Abs. 2
StGB § 20
StGB § 21
StGB § 63
StGB § 69 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 626/07

vom 10. Januar 2008

in der Strafsache

gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 10. Januar 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 16. August 2007 im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung sowie wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit dem Gebrauch eines nicht haftpflichtversicherten Fahrzeugs auf öffentlichen Wegen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Trunkenheit im Verkehr, unter Einbeziehung einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus und eine Sperrfrist von drei Jahren für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen.

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Strafausspruch und die Anordnung einer (isolierten) Sperrfrist gemäß § 69 a StGB haben keinen Bestand, weil das Landgericht gegen das Verschlechterungsverbot (§§ 331 Abs. 1, 358 Abs. 2 StPO) verstoßen hat.

a) Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift zu dem Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot bei der Festsetzung der Einzelstrafen u.a. ausgeführt:

"Das Landgericht hat bei der Festsetzung sämtlicher Einzelstrafen das Verschlechterungsverbot nach §§ 331 Abs. 1, 358 Abs. 2 StPO nicht beachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2004 - 4 StR 452/04). Diese Verletzung begründet einen Eingriff in eine zugunsten des Angeklagten wirkende Teilrechtskraft der oberen Bestrafungsgrenze, die als Verfahrenshindernis von Amts wegen zu beachten ist (Kuckein in Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., § 358 Rdn. 23 m.w.N.).

Das Amtsgericht Naumburg - Schöffengericht - hat mit Urteil vom 17. Februar 2005 gegen den Angeklagten wegen der verfahrensgegenständlich abgeurteilten Straftaten Einzelstrafen wie folgt verhängt:

- im Fall B. I und B. II jeweils eine Freiheitsstrafe von drei Monaten (vgl. Urteil des Amtsgerichts Naumburg, Fälle II. 8 und II. 9, Bd. XI, S. 9 und 19),

- im Fall B. III eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten (vgl. Urteil des Amtsgerichts Naumburg, Fall II. 12, Bd. XI, S. 10 und 19),

- im Fall B. IV eine Freiheitsstrafe von neun Monaten (vgl. Urteil des Amtsgerichts Naumburg, Fall II. 13, Bd. XI, S. 11 und 19f.),

- im Fall B. V und B. VI jeweils eine Freiheitsstrafe von drei Monaten (vgl. Urteil des Amtsgerichts Naumburg, Fälle II. 14 und II. 15, Bd. XI, S. 12 und 19f.).

Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Halle - 10. kleine Strafkammer - mit Urteil vom 10. Januar 2006 (Bd. XII S. 25 - 37) das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache an die Große Strafkammer des Landgerichts Halle verwiesen. Die vom Angeklagten dagegen erhobene Revision wurde durch Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg vom 9. Juni 2006 (Bd. XII S. 137) nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Das Urteil des Landgerichts Halle vom 10. Januar 2006 ist seit [dem] 10. Juni 2006 (§ 34a StPO) rechtskräftig (Bd. XII S. 25).

Die im zu überprüfenden Urteil des Landgerichts ausgesprochenen Strafen in den Fällen B. I und B. II von jeweils sieben Monaten, im Fall B. III von acht Monaten, B. IV von einem Jahr sowie in den Fällen B. V und B. VI von jeweils sechs Monaten verstoßen gegen das Verschlechterungsverbot".

Dem tritt der Senat bei.

b) Auch der Anordnung einer (isolierten) Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis gemäß § 69 a StGB steht das Verschlechterungsverbot entgegen, denn das Amtsgericht Naumburg hat mit seinem Urteil vom 17. Februar 2005 eine solche Maßregelanordnung nicht getroffen. Zwar hat das Amtsgericht in den Gründen des vorgenannten Urteils ausgeführt, es halte die Anordnung einer Sperrfrist von fünf Jahren für erforderlich, der Tenor in der Urteilsurkunde enthält eine solche Anordnung aber nicht. Er entspricht, wie sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt (§ 274 StPO), dem verkündeten Urteil (S. 20 des Protokolls, Bd. X Bl. 178; Anlage 3 zum Protokoll, Bd. X Bl. 181).

2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hält ebenfalls rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Die Anordnung dieser Maßregel kommt nur bei solchen Personen in Betracht, deren Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderte Schuldfähigkeit durch einen positiv festgestellten, länger andauernden und nicht nur vorübergehenden Zustand im Sinne der §§ 20, 21 StGB hervorgerufen worden ist (st. Rspr., BGHSt 34, 22, 27; 42, 385 f.). Dies ist nicht rechtsfehlerfrei dargetan.

a) Das Landgericht hat - dem Sachverständigen folgend - beim Angeklagten das Vorliegen des Merkmals des Schwachsinns im Sinne der §§ 20, 21 StGB in Form einer leichten Intelligenzminderung, eine schwere andere seelische Abartigkeit in Form einer schweren kombinierten Persönlichkeitsstörung (ICD - 10: F 61.0), bestehend aus einer emotional-instabilen sowie einer dissozialen Persönlichkeitsstörung, sowie eine Alkoholabhängigkeit (ICD - 10: F 10.2) festgestellt. Mit insoweit rechtsfehlerfreien Erwägungen hat das Landgericht hinsichtlich aller Taten ausgeschlossen, dass der Angeklagte deswegen bei der Tatbegehung unfähig gewesen sein könnte, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. In den Fällen B. I, II, III und VI hat das Landgericht rechtsfehlerfrei auch eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB ausgeschlossen. Soweit es den Angeklagten im Fall B. IV der Urteilsgründe wegen gefährlicher Körperverletzung und im Fall B. V wegen Körperverletzung verurteilt hat, hat das Landgericht dagegen die Voraussetzungen des § 21 StGB bejaht. In diesen Fällen habe bei dem Angeklagten infolge seiner kombinierten Persönlichkeitsstörung zu den jeweiligen Tatzeitpunkten eine "hohe affektive Instabilität" vorgelegen. Der Angeklagte habe sich jeweils in einer für ihn starken Belastungssituation befunden, und zwar im Fall B. IV der Urteilsgründe auf Grund der Beleidigung seiner Person durch den Geschädigten und im Fall B. V der Urteilsgründe auf Grund der aus Sicht des Angeklagten ungerechtfertigten Maßregelung seines Sohnes durch den Geschädigten. Wegen seiner nur eingeschränkten Impuls- und Affektkontrolle (UA S. 32: "Affektinkontinenz") habe der Angeklagte völlig überreagiert und zum Mittel körperlicher Gewalt gegriffen. Mit den Sachverständigen ist das Landgericht der Auffassung, dass die beim Angeklagten erheblich eingeschränkte Affekt- und Impulskontrolle insbesondere in Kombination mit seiner Intelligenzminderung wie in den Fällen B. IV und V der Urteilsgründe zu Aggressionshandlungen gegen Dritten führen könne, sobald sich der Angeklagte mit einer ähnlichen Belastungssituation konfrontiert sehe.

b) Die bisherigen Feststellungen des Landgerichts vermögen die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht zu tragen, weil ihnen eine die Unterbringung rechtfertigende Störung im Sinne eines länger andauernden "Zustands" (§ 63 StGB) nicht entnommen werden kann.

Nach den bisherigen Feststellungen führt die beim Angeklagten diagnostizierte kombinierte Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit der leichten Intelligenzminderung vielmehr erst dann zu einer Verminderung der Schuldfähigkeit, wenn sich der Angeklagte in "einer für ihn starken Belastungssituation" befindet. Die auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung zurückzuführende Disposition, in bestimmten Belastungssituationen wegen mangelnder Fähigkeit zur Impulskontrolle in den Zustand erhebliche verminderter Steuerungsfähigkeit zu geraten, reicht zur Bejahung eines dauernden Zustands im Sinne des § 63 StGB nicht aus (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2004 - 4 StR 452/04 m.N.; BGHR StGB § 63 Zustand 39).

Ende der Entscheidung

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