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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.08.2002
Aktenzeichen: 4 StR 88/02
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil

4 StR 88/02

vom 8. August 2002

in der Strafsache

gegen

wegen Beihilfe zum Mord

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. August 2002, an der teilgenommen haben:

Richter am Bundesgerichtshof Maatz als Vorsitzender,

Richter am Bundesgerichtshof Athing,

Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic,

Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann,

Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible als beisitzende Richter,

Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Staatsanwalt bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt als Verteidiger,

Rechtsanwalt als Vertreter der Nebenklägerinnen,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revisionen der Nebenklägerinnen wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 5. September 2001, soweit es den Angeklagten W. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Beihilfe zum Mord freigesprochen. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Nebenklägerinnen haben Erfolg.

Die Revision des Mitangeklagten Torsten K. , der als Haupttäter wegen heimtückisch und aus Habgier begangenen Mordes verurteilt worden ist, hat der Senat durch Beschluß gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

1. Nach den Feststellungen der Schwurgerichtskammer erteilte Ryszard A. dem Mitangeklagten Torsten K. den Auftrag, Zbigniew Ko. zu töten. Für die Durchführung der Tat versprach A. Torsten K. , der sich in finanziellen Schwierigkeiten befand, 10.000 DM, die nach der Tat in Raten bezahlt werden sollten. In Ausführung des Auftrags erschoß Torsten K. Zbigniew Ko. , den er unter einem Vorwand mit seinem Fahrzeug an eine abgelegene Stelle gelockt hatte, aus nächster Nähe in dessen Fahrzeug. Den ersten Kontakt zwischen Ryszard A. und Torsten K. hatte der Angeklagte ca. einen Monat vor der Tat hergestellt. In der Folgezeit erfolgten Kontaktaufnahmen zwischen A. und K. nur durch Vermittlung des Angeklagten, den mit A. ein so enges Verhältnis verband, daß ihn Torsten K. für den Bruder des A. hielt. Der Angeklagte war auch dabei, als A. und K. ca. eine Woche vor der Tat gemeinsam nach Dülmen fuhren, wo A. Torsten K. das spätere Tatopfer zeigen wollte. Das zwischen A. und Ko. zu diesem Zweck verabredete Treffen in der Nähe einer Telefonzelle beobachtete K. von der gegenüberliegenden Straßenseite, während der Angeklagte in Sichtweite im Fahrzeug sitzen blieb. Ferner teilte K. unmittelbar nach Ausführung der Tat dem Angeklagten telefonisch mit, es sei "alles o.k." bzw. es sei "alles geklärt" und er, der Angeklagte, solle dies A. weiterleiten, was der Angeklagte ohne weitere Nachfrage tat. Schließlich überbrachte der Angeklagte im Auftrag des A. Torsten K. eine Rate des für den Mord versprochenen Geldbetrages. Die Nachricht vom Tod des Zbigniew Ko. , den der Angeklagte langjährig kannte, nahm er "uninteressiert" und "ohne sonderlich erstaunt zu sein" zur Kenntnis.

2. Die Schwurgerichtskammer hat den Angeklagten, der sich in der Hauptverhandlung zum Tatvorwurf nicht eingelassen hat, aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Sie hat - im wesentlichen den entlastenden Angaben des Torsten K. folgend - nicht auszuschließen vermocht, daß der Angeklagte nicht in den Mordplan eingeweiht gewesen sei und von der Tat nichts gewußt habe, mithin diese auch nicht vorsätzlich gefördert haben konnte.

3. Die dem Freispruch zugrundeliegende Beweiswürdigung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Wertung der Schwurgerichtskammer, es sei nicht auszuschließen, daß der Angeklagte vom Mordkomplott des A. und des Torsten K. nichts gewußt habe, beruht auf einem Widerspruch.

Die Schwurgerichtskammer führt zur Begründung ihrer Auffassung aus, es sei "gut denkbar, daß A. gerade für eine solche Mordtat keine weiteren Mitwisser haben wollte und den Angeklagten W. deshalb - auch wenn sonst zwischen ihnen ein enges Verhältnis bestand - nicht über die tatsächliche Tat informiert, sondern ihn als gutgläubiges Werkzeug eingesetzt hat und dieser sich auf eine solche Weise hat einspannen lassen" (UA 53). Hiermit lassen sich die Feststellungen der Strafkammer, der Angeklagte habe A. nicht nur bei der Vorbereitungsfahrt nach Dülmen begleitet, sondern er sei von A. auch als Nachrichtenmittler und Geldbote eingesetzt worden, nicht in Einklang bringen. Wenn A. die Absicht verfolgte, den Tatplan vor dem Angeklagten zu verheimlichen, lag es fern, diesen ausgerechnet bei der maßgeblichen Vorbereitungsfahrt nach Dülmen als Begleiter mitzunehmen und ihn überdies nach der Tat als Nachrichtenmittler und Geldboten einzusetzen. Das Urteil löst diesen Widerspruch nicht auf. Insbesondere verhält es sich in keiner Weise dazu, ob und gegebenenfalls welche Erklärung dem Angeklagten - sollte dieser, wie das Landgericht meint, gutgläubig gewesen sein - von A. für die Fahrt nach Dülmen und das dortige Zusammentreffen mit dem Tatopfer, das dem Angeklagten langjährig bekannt war, gegeben wurde. Eine Erörterung dieser Frage hätte sich schon deshalb aufgedrängt, weil nach den Feststellungen der Schwurgerichtskammer der Angeklagte nach der Ankunft in Dülmen, entgegen der Einlassung des Mitangeklagten Torsten K. , im Fahrzeug nicht etwa geschlafen hatte, sondern mit geöffneten Augen vom Beifahrersitz aus die ungewöhnliche Begegnung mit dem Tatopfer beobachten konnte. Sollte der Angeklagte tatsächlich keine Kenntnis von dem Vorhaben des Ryszard A. und des Torsten K. gehabt haben, lag es deshalb nahe, daß er diese zu dem ungewöhnlichen Zusammentreffen befragte.

Auf dem dargestellten Widerspruch und dem Erörterungsmangel beruht der Freispruch. Der Senat kann nicht ausschließen, daß, hätte sich die Schwurgerichtskammer um die Auflösung des Widerspruchs bemüht, sie nicht nur die Frage, ob der Angeklagte in den Mordkomplott eingeweiht war, sondern auch die festgestellten Handlungen des Angeklagten unter dem Gesichtspunkt einer Tatbeteiligung anders beurteilt hätte.



Ende der Entscheidung

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