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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.04.2004
Aktenzeichen: 4 StR 99/04
Rechtsgebiete: StPO, BtMG, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
BtMG § 30 Abs. 1
BtMG § 30 Abs. 2
StGB § 55
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 99/04

vom

14. April 2004

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 14. April 2004 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 6. November 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 20 Fällen (Fälle II. 1 bis 20 der Urteilsgründe) unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Kleve vom 18. August 2000 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren, sowie wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 32 Fällen (Fälle II. 21 bis 52 der Urteilsgründe) zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Verfall von 1.255 Euro und 42 US-Dollar angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Sein Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg. Eines Eingehens auf die erhobenen Verfahrensrügen bedarf es deshalb nicht.

1. In den Fällen II. 1 bis 20 hält die Strafzumessung rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Nach den Feststellungen verbrachte der Angeklagte "in der Zeit von Mai 1999 bis Frühjahr 2000" bei mindestens 20 Gelegenheiten in seinem Pkw das jeweils von der gesondert verfolgten Irina G. zuvor in Rotterdam erworbene Heroin und Kokain von den Niederlanden nach Deutschland. Pro Fahrt erhielt er von Irina G. 5 bis 8 g Heroin zum Eigenkonsum. Bei allen Taten hat das Landgericht der Strafzumessung den Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG zugrundegelegt. Die Annahme minder schwerer Fälle nach § 30 Abs. 2 BtMG hat es unter anderem mit der Begründung abgelehnt, der Angeklagte sei "schon vielfach - unter anderem auch einschlägig - vorbestraft"; ferner habe "ihn eine bereits verbüßte Haftstrafe nicht von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten". Dieselben Erwägungen hat die Strafkammer auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne als strafschärfend zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt.

Der Angeklagte verbüßte nach den getroffenen Feststellungen vor Begehung der Taten II. 1 bis 20 keine Haft. Er wurde bis zum Ende des diesem Tatkomplex zugrundegelegten Tatzeitraums lediglich in drei Fällen zu Geldstrafen verurteilt. Ob insoweit Ersatzfreiheitsstrafen vollstreckt wurden, ergeben die Urteilsgründe nicht. Zwar befand er sich in der gemäß § 55 StGB bei der ersten Gesamtstrafenbildung berücksichtigten Strafsache des Amtsgerichts Kleve in Untersuchungshaft. Diese wurde jedoch vom 9. März 2000 bis zum 18. August 2000 vollzogen, also ersichtlich zu einer Zeit, als der Angeklagte die den Fällen II. 1 bis 20 zugrundeliegenden Taten bereits begangen hatte.

Auch soweit das Landgericht davon ausgeht, der Angeklagte sei bei Begehung sämtlicher Taten in den Fällen II. 1 bis 20 schon "vielfach" vorbestraft gewesen, ist dies durch die Urteilsgründe nicht belegt. Er wurde zwar vor Beginn der Tatserie im Jahre 1998 wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe verurteilt. Die beiden weiteren Verurteilungen zu Geldstrafen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis u.a. sowie wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln erfolgten jedoch erst während des hier zugrundegelegten Tatzeitraums, nämlich am 19. Oktober 1999 und am 10. Dezember 1999. Da das Landgericht keine Feststellungen zu den konkreten Tatzeiten der Einfuhrfahrten getroffen hat, kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Angeklagte jedenfalls einen Teil der Taten bereits vor der zweiten Vorverurteilung am 19. Oktober 1999 beging, mithin zu einem Zeitpunkt, in welcher lediglich eine Vorstrafe eine Warnfunktion entfalten konnte.

Die rechtsfehlerhaften Erwägungen haben sich zwar nur bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt. Da der neue Tatrichter jedoch im Hinblick auf die Warnfunktion der Vorstrafen Feststellungen zu den jeweiligen Tatzeiten der Einfuhrfahrten zu treffen haben wird, ist das Urteil in den Fällen II. 1 bis 20 insgesamt, auch zu den Schuldsprüchen, aufzuheben. Bei den Feststellungen zu den Tatzeiten handelt es sich um sogenannte doppelrelevante Tatsachen, die nicht nur für den Strafausspruch, sondern auch für den Schuldspruch von Bedeutung sind (vgl. BGHSt 24, 274, 275; BGH, Beschluß vom 23. März 1995 - 1 StR 68/95; Kuckein in KK 5. Aufl. § 353 Rdn. 25).

2. In den Fällen II. 21 bis 52 halten die Verurteilungen rechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand. Insoweit sind die Urteilsgründe in sich widersprüchlich und deshalb aus sich heraus nicht verständlich (vgl. BGHSt 33, 59, 60; Engelhardt in KK aaO, § 267 Rdn. 8).

Den Schuldsprüchen hat das Landgericht zugrundegelegt, daß der Angeklagte in der Zeit von August 2002 bis zum 26. März 2003 in Gütersloh bei mindestens 32 Gelegenheiten jeweils 12 g Heroin zum Preis von je 220 Euro erworben und die Betäubungsmittel - mit Ausnahme von 3 bis 3 1/2 g, die er selbst konsumiert habe - gewinnbringend weiterveräußert habe.

Diese Feststellungen sind nicht in Einklang zu bringen mit den Ausführungen des Landgerichts zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten. In diesem Zusammenhang hat es festgestellt, der Angeklagte, der erst wieder seit September 2002 Heroin konsumiert und zunächst Heroin nur zum Eigengebrauch erworben habe, habe erst "im Jahre 2003" damit begonnen, Drogen auch zu verkaufen. Er habe jeweils 8 bis 10 g Heroin zu einem Preis von 230 bis 240 Euro gekauft, wobei er einen Teil für sich behalten und einen Teil weiterverkauft habe. Diese Widersprüche zum Zeitraum und zum Umfang des Betäubungsmittelhandels des Angeklagten löst die Strafkammer nicht auf. Den Urteilsgründen ist es weder zu entnehmen, ob es sich bei den Betäubungsmittelgeschäften, die im Rahmen der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten dargestellt sind, um Taten handelt, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, noch ist ersichtlich, auf welcher Beweisgrundlage die Strafkammer zu diesen Feststellungen gelangt ist.

Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, daß die Verurteilungen in den Fällen II. 21 bis 52 auf diesen widersprüchlichen Feststellungen beruhen und die Strafkammer, hätte sie sich hiermit auseinandergesetzt, sowohl zur Anzahl als auch zu dem Schuldumfang der Taten dem Angeklagten günstigere Feststellungen getroffen hätte.

Ende der Entscheidung

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