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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 15.07.1999
Aktenzeichen: 5 StR 155/99
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 StR 155/99

vom

15. Juli 1999

in der Strafsache

gegen

1.

2.

wegen gewerbsmäßigen Schmuggels

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Juli 1999, an der teilgenommen haben:

Vorsitzende Richterin Harms, Richter Häger, Richter Basdorf, Richter Nack, Richterin Dr. Gerhardt als beisitzende Richter,

Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt W als Verteidiger des Angeklagten B ,

Rechtsanwalt Da als Verteidiger des Angeklagten D ,

Justizangestellte B als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 30. November 1998 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagten B und D freigesprochen worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten B und D vom Vorwurf des gemeinschaftlichen, gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Schmuggels freigesprochen. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, haben Erfolg.

I.

Den Angeklagten wird vorgeworfen, sich mit weiteren Personen zusammengeschlossen zu haben, um in organisierter Vorgehensweise unversteuerte und unverzollte Zigaretten in größeren Mengen von der Tschechischen Republik nach Deutschland einzuschmuggeln, sie hier gewinnbringend abzusetzen und sich damit eine nicht unerhebliche Einnahmequelle von gewisser Dauer zu verschaffen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts beluden die Mitangeklagten V und S einen von dem Angeklagten V geführten Lkw am Abend des 2. April 1998 in der Tschechischen Republik mit 21 Paketen à 88 Stangen unversteuerter und unverzollter Zigaretten. Diese Zigaretten führte der Angeklagte V am 3. April 1998 am Zollamt Schirnding-Landstraße in die Bundesrepublik Deutschland ein, wobei er, um die Eingangsabgaben zu sparen, in Kenntnis seiner Gestellungspflicht den zuständigen Zollbeamten planmäßig eine Leerfahrt anmeldete. Bei der daraufhin vorgenommenen Kontrolle wurden die mitgeführten Zigaretten aufgefunden. Nach Entdeckung der Zigaretten erklärte sich der Mitangeklagte V bereit, die Fahrt unter Observation fortzusetzen. In derselben Nacht reisten die Angeklagten S und B mit einem Pkw ebenfalls über den Grenzübergang Schirnding-Landstraße in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde dem Angeklagten B erst unterwegs vom Angeklagten S mitgeteilt, daß er S "bei einer Sache helfen solle", über die dieser nicht weiter befragt werden wollte. Der Angeklagte B lud sodann zusammen mit dem Angeklagten S und V die Zigaretten bei einem Treffpunkt auf einem Waldparkplatz in einen VW-Transporter um. S und B fuhren mit den Zigaretten anschließend zu einer Tankstelle in Erfurt, wo sie von dem Angeklagten D abgeholt wurden. S folgte dem Angeklagten D mit dem VW-Transporter. Kurze Zeit später wurden die Angeklagten festgenommen.

II.

Das Landgericht hat die Angeklagten D und B aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

1. Hinsichtlich des Angeklagten B konnte sich das Landgericht nicht davon überzeugen, daß er vor der Fahrt nach Deutschland von dem geplanten Zigarettenschmuggel Kenntnis hatte. Erst beim Umladen der Zigaretten auf dem Waldparkplatz habe er dies erkannt; zu diesem Zeitpunkt sei die Eingangsabgabenhinterziehung aber schon beendet gewesen.

Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Prüfung schon insoweit nicht stand, als das Landgericht eine Einbindung in den organisierten Zigarettenschmuggel für nicht nachweisbar erachtet. Es fehlt an der gebotenen Gesamtschau der Beweisumstände.

Das Landgericht hat hier auf Freispruch erkannt, obwohl sich nach den Feststellungen ein arbeitsteiliger, von Hintermännern in der Tschechischen Republik gesteuerter organisierter Zigarettenschmuggel aufdrängt, bei dem zur Verschleierung der Tat eine Mehrzahl von Personen eingesetzt wurde, welche jeweils ausschließlich bei einzelnen Tatabschnitten in das Geschehen eingriffen. Bei einem solchen organisierten Zusammenwirken mehrerer Personen an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten zur Erreichung eines gemeinsamen Taterfolges, wobei der einzelne Tatbeteiligte nicht an dem gesamten Geschehensablauf beteiligt ist, sondern nur einzelnen Tatbeiträge leistet, durfte sich das Landgericht nicht auf die pauschale Feststellung, ein Tatnachweis sei nicht möglich, beschränken, sondern mußte in eine Gesamtwürdigung alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen unter Bedacht auf die Besonderheiten des organisierten Zigarettenschmuggels einbeziehen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 1; vgl. auch BGHSt 20, 333, 341/342).

2. Hinsichtlich des Angeklagten D konnte sich das Landgericht nicht davon überzeugen, daß er Täterwillen oder Tatherrschaft hatte. Zwar hält der Tatrichter dessen Einlassung im wesentlichen für eine Schutzbehauptung; eine strafbare Handlung könne ihm dennoch nicht nachgewiesen werden, weil hinsichtlich der Verbindungen des Angeklagten D zu den Hintermännern in der Tschechischen Republik ausreichende Feststellungen nicht hätten getroffen werden können.

Angesichts der zahlreichen festgestellten Anhaltspunkte, die für eine Einbindung auch dieses Angeklagten in die Organisation des Zigarettenschmuggels sprachen, hält das Urteil auch hier rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Insoweit hat das Landgericht zu hohe Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt und dabei nicht ausreichend bedacht, daß eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von niemandem anzweifelbare Gewißheit nicht erforderlich ist. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretischen Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht zuläßt (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 5 und Überzeugungsbildung 22, 25; BGH StV 1994, 580; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1988, 19 Nr. 12 m.w.N.).

III.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

Unabhängig von der Frage, wann Tatbeendigung des Schmuggels eingetreten ist, kann Mittäterschaft oder Beihilfe vorliegen, wenn die fördernden Tatbeiträge der Angeklagten B und D nach dem ursprünglichen Tatplan vor geplanter Beendigung der Tat geleistet werden sollten.

Der Annahme einer Mittäterschaft steht nicht entgegen, daß die Angeklagten in eigener Person keine tatbestandlichen Ausführungshandlungen vorgenommen haben (BGH NStZ 1993, 180). Für eine Tatbeteiligung als Mittäter reicht ein auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag aus, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränken kann (BGH NStZ 1995, 120). Bei der Mittäterschaft treten auch alle Mittäter einheitlich in das Versuchsstadium, sobald einer von ihnen zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (BGHSt 39, 236; BGH NStZ 1995, 120). Die Tat kann daher für einen Mittäter auch dann schon vollendet sein, wenn er seinen verabredeten, im Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung zu leistenden Tatbeitrag noch nicht erbracht hat.

Sofern der neue Tatrichter die Voraussetzungen einer Mittäterschaft aufgrund der neuen Beweisaufnahme nicht für gegeben erachten sollte, wird zu bedenken sein, daß auch in der bloßen Zusage einer späteren Unterstützungshandlung bereits eine Beihilfehandlung liegen kann. Beihilfe zu einer Tat kann auch dadurch geleistet werden, daß der Gehilfe den Haupttäter in seinem schon gefaßten Tatentschluß bestärkt und ihm ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit vermittelt (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 8; BGH StV 1982, 517). Bereits die Tatsache, daß der Haupttäter dem Gehilfen eine bestimmte Aufgabe im Rahmen des Tatplanes überträgt, ist ein wesentliches Indiz dafür, daß er glaubt, die Tat mit dessen Hilfe besser durchführen zu können, als ohne ihn. In derartigen Fällen ist die Zusage, den geplanten Gehilfenbeitrag zu leisten, in der Regel geeignet, den Haupttäter in seinem Tat-entschluß zu bestärken und ihm ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit zu geben (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 8; BGH NStZ-RR 1996, 374).

Ende der Entscheidung

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