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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.06.2000
Aktenzeichen: 5 StR 199/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 199/00

vom

6. Juni 2000

in der Strafsache

gegen

wegen Vergewaltigung

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Juni 2000 beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 2. November 1999 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft den - hilfsweise nach übereinstimmenden Anträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung auf Freisprechung gestellten - Antrag der Verteidigung abgelehnt, zur Aussagetüchtigkeit und Glaubwürdigkeit der an einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie erkrankten Geschädigten, der einzigen Tatzeugin, das Gutachten eines auch auf dem Gebiet der Aussagepsychologie erfahrenen psychiatrischen Sachverständigen einzuholen.

Das Landgericht durfte diesen Antrag nicht, wie geschehen, unter Berufung auf eigene - zudem nicht näher belegte - Sachkunde ablehnen. Vielmehr ist die Hinzuziehung eines Sachverständigen zur Aussagetüchtigkeit und Glaubwürdigkeit dann geboten, wenn der zur Aburteilung stehende Sachverhalt ausnahmsweise solche Besonderheiten aufweist, daß Zweifel daran aufkommen können, ob die Sachkunde des Gerichts zur Beurteilung dieser Fragen unter den gegebenen besonderen Umständen ausreicht (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 4 Satz 1 - Glaubwürdigkeitsgutachten 2 und 3; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 244 Rdn. 74 m.w.N.). Solche Besonderheiten liegen hier vor. Die Zeugin leidet unter erheblichen psychischen Störungen, vor allem in Form von Verhaltensauffälligkeiten und Wahnvorstellungen. Sie hat akustische Halluzinationen eingeräumt; auch während ihrer Vernehmung, wie auch beim Tatgeschehen, habe sie die Stimme ihrer Schwester gehört.

Die weiteren vom Landgericht herangezogenen Beweisanzeichen, nämlich mögliche Verletzungsspuren und die Aussage des Angeklagten im Ermittlungsverfahren, in der er den Geschlechtsverkehr und einen anfänglichen Widerstand der Zeugin dagegen eingeräumt hat, sind nicht derart markant, daß das Landgericht deshalb auf die beantragte Zuziehung eines Sachverständigen hätte verzichten dürfen. Namentlich vor dem Hintergrund der weiteren Besonderheit im Tatverlauf, daß die zum Geschlechtsverkehr nicht bereite Zeugin vor der Tat auf ihre Initiative mit dem Angeklagten gemeinsam in der Badewanne gebadet hat, liegen die Möglichkeiten von tatbestandsrelevanten Fehldeutungen des Angeklagten und nachträglichen Falschbewertungen durch die psychisch kranke Zeugin - möglicherweise auch vor dem Hintergrund von Streitigkeiten, Bedrohungen und Verletzungen vor oder nach dem Sexualverkehr - nicht gänzlich fern.



Ende der Entscheidung

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