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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 10.07.2001
Aktenzeichen: 5 StR 240/01
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 21
StGB § 184c Nr. 1
StGB § 177 Abs. 5
StGB § 52 Abs. 2
StGB § 49 Abs. 1
StGB § 46 Abs. 3
StGB § 46 Abs. 2
StGB § 57 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 StR 240/01

vom 10. Juli 2001

in der Strafsache

gegen

wegen sexueller Nötigung u. a.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Juli 2001, an der teilgenommen haben:

Vorsitzende Richterin Harms, Richter Basdorf, Richterin Dr. Tepperwien, Richter Dr. Raum, Richter Dr. Brause als beisitzende Richter,

Richterin am Landgericht als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwältin als Verteidigerin,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 4. Januar 2001 wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, zu vier Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

1. Am 20. August 2000 überfiel der 22jährige unbestrafte Angeklagte nachts kurz nach 23 Uhr in Berlin-Hellersdorf auf dunkler Straße im Abstand von zehn Minuten zwei junge Frauen. Der Angeklagte war beträchtlich alkoholisiert mit höchstens 2,42 Promille und infolgedessen möglicherweise in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. An die 17jährige S trat er von hinten heran, hielt ihr Mund und Augen zu, brachte sie zu Boden und berührte die sich heftig wehrende junge Frau kräftig und nachhaltig über der Kleidung im Schambereich. Er versuchte, sie am Tragriemen ihres Rucksacks ins Gebüsch zu ziehen. Sie konnte durch Preisgabe des Rucksacks entfliehen. Kurz danach umfaßte der Angeklagte von hinten den Hals der 15jährigen N , hielt ihr den Mund zu, brachte sie zu Boden, öffnete ihre Hose und berührte sie unter der Kleidung am Unterleib und an der Brust. Der Angeklagte entfernte sich, als eine Frau, die sein Vorgehen bemerkt hatte, Einhalt gebot.

2. Der Schuldspruch ist rechtsfehlerfrei. Auch im ersten Fall überschreitet die sexualbezogene Handlung des Angeklagten die Erheblichkeitsschwelle des § 184c Nr. 1 StGB.

Die Überprüfung des Strafausspruchs ergibt gleichfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Zwar sind die Einzelfreiheitsstrafen von zwei Jahren und drei Monaten im ersten und von drei Jahren und drei Monaten im zweiten Fall ebenso wie die Gesamtstrafe hoch. Die Sanktionierung überschreitet gleichwohl noch nicht eindeutig das Maß des Schuldangemessenen, so daß nicht etwa ein Rechtsfehler allein im Blick auf die Strafhöhe festzustellen ist. Die Strafzumessungsgründe im angefochtenen Urteil sind ebenfalls nicht zu beanstanden.

a) Die Strafrahmenwahl des Landgerichts, das minder schwere Fälle (§ 177 Abs. 5 StGB) abgelehnt und den Strafrahmen des § 177 Abs. 1 (i.V.m. § 52 Abs. 2) StGB nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert hat, ist rechtsfehlerfrei begründet.

Das Landgericht hat die - identische - Begründung für Strafrahmenwahl und allgemeine Strafzumessung zusammengefaßt. Dieser sachgerechte Aufbau der Strafzumessungserwägungen ergibt eindeutig, daß das Landgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des "vertypten" Milderungsgrundes aus § 21 StGB bei der Strafrahmenwahl mitbedacht hat.

Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht minder schwere Fälle maßgeblich im Blick auf das Tatbild abgelehnt, das in beiden Fällen gleichermaßen von dem für die Opfer außerordentlich beängstigenden gewaltsamen Vorgehen des Angeklagten in der konkreten Tatsituation geprägt war. Daß das Landgericht demgegenüber den eher geringen Grad der spezifisch sexualbezogenen Rechtsgutverletzungen unerwähnt gelassen hat, begründet nicht die Besorgnis, es könne diesen Umstand übersehen haben; es durfte ihn vor dem Hintergrund des gesamten Tatbildes als nicht bestimmenden Strafzumessungsgrund ansehen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Zwar hat sich das Landgericht, obgleich der Angeklagte in beiden Fällen bei der Tatausführung gestört worden ist, nicht davon überzeugt, daß er intensivere sexuelle Handlungen erstrebte. Dennoch begründete die Art seines Vorgehens, das er bewußt gewählt und damit zu verantworten hat, bei beiden Geschädigten die berechtigte Furcht, Opfer einer brutalen Vergewaltigung durch einen Unbekannten zu werden. b) Auch sonst enthält das Urteil keine rechtsfehlerhaften Strafzumessungserwägungen. Das Landgericht durfte dem Angeklagten die Massivität der konkret angewandten Gewalt ohne Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB anlasten. Die Bewertung besonders massiver Gewalt ist hier zwar nicht aufgrund physischer Verletzungen der Opfer gerechtfertigt, indes ohne weiteres aufgrund der überraschenden und außerordentlich beängstigenden Vorgehensweise des Angeklagten in der konkreten Tatsituation. Für die Geschädigten belastende Umstände der Taten, nämlich deren Ausführung zur Nachtzeit auf einsamer Straße und die körperliche Unterlegenheit der attackierten jungen Frauen, durften dem Angeklagten trotz seines spontanen Entschlusses zur Tatbegehung als gleichwohl verschuldete negative Faktoren der Art der Ausführung und der Auswirkungen der Tat angelastet werden (§ 46 Abs. 2 StGB).

c) Der Senat hat erwogen, ob die im Urteil abschließend angestellten Anmerkungen zu notwendiger Therapierung des Angeklagten befürchten lassen, das Landgericht könne die Sanktionierung jenseits von zulässiger Ausrichtung an der Schuld des Angeklagten maßgeblich im Blick auf die erwartete Dauer einer zu seiner Resozialisierung als geboten angesehenen Therapie besonders hoch bemessen haben. Indes rechtfertigt allein die Höhe der gravierenden, aber nicht als nicht mehr schuldangemessen zu bewertenden Bestrafung solche Besorgnis nicht; der Aufbau des Urteils steht ihr entgegen. Die entsprechenden Erwägungen sind vielmehr ersichtlich als sachgerechte Anregung für die konkrete Ausgestaltung eines individuell auf die Bedürfnisse des Angeklagten im Interesse der Allgemeinheit zugeschnittenen Strafvollzuges zu verstehen. Sofern sich eine Therapie - namentlich auch durch aktive Mitwirkung des Angeklagten - verwirklichen lassen sollte, wird hierin möglicherweise zu gegebener Zeit ein besonderer Grund für eine Aussetzung des Strafrestes bereits nach hälftiger Verbüßung gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB zu finden sein.

Ende der Entscheidung

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