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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.07.2006
Aktenzeichen: 5 StR 267/06
Rechtsgebiete: StPO, BZRG


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
BZRG § 51 Abs. 1
BZRG § 63 Abs. 1
BZRG § 63 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 267/06

vom 26. Juli 2006

in der Strafsache

gegen

wegen Beihilfe zum Raub

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Juli 2006 beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten P. wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 23. Februar 2006 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit dieser Angeklagte verurteilt worden ist, und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Lübben - Schöffengericht - zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten - neben den Haupttätern E. und Er. und dem Gehilfen K. - wegen Beihilfe zum Raub zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat, wie von der Bundesanwaltschaft beantragt, Erfolg.

1. Die Jugendkammer geht von folgenden Feststellungen aus:

Der Angeklagte Er. verlangte von dem Zeugen B. im August 2005 sein Fahrrad zurück, das der Zeuge gefunden, repariert und Dritten überlassen hatte. B. hatte auch Streit mit dem Angeklagten E. "wegen eines Mädchens" und möglicherweise wegen Schulden aus Drogenkäufen.

Der Angeklagte P. fuhr gegen 17.00 Uhr des 31. August 2005 mit seinem 4-türigen Pkw - Mitfahrer die drei Mitangeklagten und der Zeuge F. , wovon E. und Er. zufällig eingestiegen waren - in Luckau zu einem Getränkemarkt. Der Angeklagte wollte Getränke kaufen. E. und Er. hatten vor, sich den B. "vorzuknöpfen" (UA S. 18). Auf dem Gelände des Getränkemarktes hielt der Angeklagte in der Nähe der dort befindlichen Zeugen B. und T. . P. stieg aus und telefonierte in der Nähe seines Pkw zumindest während eines großen Teils der Zeit, in der B. nunmehr von E. und Er. verletzt und beraubt wurde.

Er. sprach den Zeugen B. auf das Fahrrad an. E. forderte Geld und begann, den vor dem Zeugen liegenden Rucksack zu durchsuchen. Der Angeklagte E. entnahm eine Geldbörse mit 10 Euro sowie zwei Flaschen Bier. Beide schlugen mit den Fäusten B. ins Gesicht. Der Zeuge verhinderte zwar den Einsatz eines von E. mitgeführten Schlagrings, ging aber zu Boden. Mit einer Drohung unterband K. , dass der Zeuge T. die Polizei alarmierte. Er. und E. ließen von B. ab, als der Angeklagte P. seine Abfahrt ankündigte. Die drei Mitangeklagten stiegen in den Pkw ein. E. nahm zumindest 10 Euro und eine Flasche Bier, die er dem Zeugen B. weggenommen hatte, mit in den Pkw, was der Angeklagte P. sah (UA S. 14). E. trank die Bierflasche im Pkw weiter aus.

Der Angeklagte P. hat sich eingelassen, von dem eigentlichen Tatgeschehen nicht viel mitbekommen zu haben (UA S. 16). Er habe einen Haufen Leute stehen sehen, sei jedoch mit dem Rücken zu diesen gestanden (UA S. 16). Er wisse nicht, ob in seinem Pkw das Bier getrunken worden sei (UA S. 18).

Das Landgericht geht solches widerlegend in den Feststellungen (UA S. 12) davon aus, dass der Angeklagte in einigen Metern Entfernung "zumindest in groben Zügen" das gesamte Tatgeschehen beobachtet hätte, und schließt beweiswürdigend (UA S. 18) aus der dem Angeklagten bekannten bösen Absicht der Mitangeklagten und dem Umstand, dass der Angeklagte nur wenige Meter von der lautstark geführten Auseinandersetzung mit Körperverletzungs- und auffälligen Wegnahmehandlungen (Durchwühlen eines Rucksacks) entfernt gewesen sei und deshalb die Wegnahmehandlung wahrgenommen habe, auf den Willen des Angeklagten, dass dieser die Raubbeute des E. , eine angetrunkene Flasche Bier, sichern wollte.

2. Dieser Schluss beruht indes auf keiner tragfähigen Tatsachengrundlage und begründet - hinsichtlich einer Kenntnis des Angeklagten von der Wegnahme der Bierflasche durch E. - nicht mehr als eine bloße Vermutung (vgl. BGH StV 2002, 235 m.w.N.). Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten, er habe während des Telefonierens mit dem Rücken zum Tatgeschehen gestanden, nicht widerlegt. Es hat (UA S. 17) sämtliche diesbezüglichen Wahrnehmungen der Mitangeklagten und Zeugen wiedergegeben, ohne dass sich daraus ein Anhaltspunkt dafür ergeben hätte, dass der Angeklagte das Tatgeschehen "beobachtet" habe.

Insbesondere begegnet die Erwägung des Landgerichts, das Durchwühlen des Rucksacks sei für den Angeklagten eine auffällige Wegnahmehandlung gewesen, durchgreifenden Bedenken. Das Landgericht hat sich insoweit nicht mit allen Umständen auseinandergesetzt, die den Angeklagten hätten entlasten können (vgl. BGHSt 29, 18, 20; 14, 162, 164 f.). Das Landgericht hat nämlich festgestellt, dass sich die Gruppe mit Er. , E. und B. unmittelbar vor Tatbegehung etwas weiter von der Gruppe K. und T. entfernt hatte (UA S. 12 f.) und dass E. Bier und Geld dem vor B. liegenden Rucksack entnommen hatte. Diese Tatumstände erschweren aber gerade eine Wahrnehmung dieses Geschehens durch Dritte.

Schließlich versteht es sich nicht von selbst, dass der Besitzer einer angetrunkenen Flasche Bier - auch wenn er an einer leicht wahrzunehmenden Körperverletzung beteiligt war - auf dem Gelände eines von zahlreichen Personen frequentierten "Getränkestützpunkts" das Getränk nur von dem Verletzten erlangt haben kann.

3. Der Senat wäre - ungeachtet des Aufhebungsantrags der Bundesanwaltschaft - gehindert, den Schuldspruch auf die den Feststellungen unschwer zu entnehmende Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung abzuändern, weil nicht auszuschließen ist, dass sich der Angeklagte gegen einen solchen Vorwurf weitergehend verteidigt hätte.

Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Dies wird im Blick auf Umfang und Gewicht des Vorwurfs ein nur noch für Erwachsene (vgl. BGHSt 35, 267) zuständiges Schöffengericht sein.

Der Senat weist darauf hin, dass die 1996 und 1999 geführten Verfahren gemäß § 63 Abs. 1 und 4, § 51 Abs. 1 BZRG nicht mehr zum Nachteil des Angeklagten verwendet werden dürfen.

Ende der Entscheidung

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