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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.09.2009
Aktenzeichen: 5 StR 375/09
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 21
StGB § 49 Abs. 1
StGB § 250 Abs. 3
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat

am 22. September 2009

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 28. Mai 2009 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (besonders) schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat zum Strafausspruch Erfolg, zum Schuldspruch ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1.

Nach den Feststellungen des Landgerichts veranlasste der Angeklagte einen Taxifahrer am Tatabend unter Vorhalt eines mit einer Messerklinge versehenen Mehrzweckwerkzeugs sein Fahrzeug zu verlassen. In der Absicht, in dem Fahrzeug Selbstmord zu begehen, lenkte er es zunächst an eine einsame Stelle in einem Feldweg am Ortsrand von Hannover, leitete über einen mitgeführten Gartenschlauch die Abgase in das Auto und setzte sich bei laufendem Motor mehrere Stunden den Auspuffabgasen aus. Nach einigen Stunden, als es allmählich hell wurde, entschloss sich der Angeklagte, seinen Standort zu wechseln und stellte das Fahrzeug an einem Waldrand, verdeckt von Büschen und Bäumen ab. Das Auto war dort von der Hauptstraße aus nicht zu sehen. Der Angeklagte setzte sich erneut den ins Fahrzeuginnere geleiteten Abgasen aus und verlor in der Folgezeit mehrfach das Bewusstsein, bevor er am Nachmittag entdeckt wurde.

Der Angeklagte leidet an einer rezidivierenden depressiven Störung, die durch chronische Suizidalität gekennzeichnet ist. Das sachverständig beratene Landgericht vermochte nicht auszuschließen, dass diese Suizidalität im Zeitpunkt der Tatbegehung das Denken und Handeln des Angeklagten derart einengte, dass eine erheblich herabgesetzte Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB vorlag.

2.

Der Strafausspruch begegnet durchgreifenden Bedenken.

a)

Das Landgericht hat den Strafrahmen des minder schweren Falles im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt. Im Rahmen der Gesamtwürdigung hat es zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er "in der Vergangenheit mehrfach erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und bereits zu Freiheitsstrafen verurteilt wurde, die er teilweise auch verbüßte, ohne dass ihn dies von der hiesigen Straftat abgehalten hätte". Auch seien an dem geraubten Taxi Schäden entstanden. Mildernd hat es gewertet, dass der Angeklagte bislang nicht durch Gewaltdelikte in Erscheinung getreten sei, bereits im Ermittlungsverfahren umfangreiche Angaben zum Sachverhalt gemacht habe, schuldeinsichtig und reuig sei und das zufällig ausgewählte Opfer keine erheblichen Schäden davongetragen habe; außerdem habe der Angeklagte nicht aus finanziellen Interessen gehandelt. Ohne Heranziehung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB hätte indes ein minder schwerer Fall nach Überzeugung der Strafkammer nicht bejaht werden können. Denn andererseits falle zu Lasten des Angeklagten ins Gewicht, "dass er zum Tatzeitpunkt bereits eine Ladung zum Strafantritt wegen einer Freiheitsstrafe, deren Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen worden war, erhalten hatte, was ihn dennoch nicht von der Tatbegehung abhielt". So begründet hat die Strafkammer eine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgelehnt.

b)

Diese Erwägungen lassen besorgen, dass das Landgericht wesentliche strafmildernde Umstände im Rahmen der Gesamtwürdigung, die es der Annahme eines minder schweren Falles zugrunde legt, nicht berücksichtigt hat. Es ist nicht auszuschließen, dass es andernfalls bereits ohne Heranziehung des Strafmilderungsgrundes gemäß § 21 StGB zu einer Bejahung des minder schweren Falles gelangt wäre, so dass eine weitere Strafmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB möglich gewesen wäre. Dies betrifft insbesondere die unterbliebene Wertung des Tatgeschehens als Verzweiflungstat, was die strafschärfende Anlastung von Vorverurteilungen relativiert. Zudem bezieht das Landgericht nicht ausreichend in seine Erwägungen ein, dass die verwirklichte Eigentumsverletzung im Grenzbereich zum unbefugten Fahrzeuggebrauch liegt.

c)

Da der Strafausspruch wegen Begründungs- und Wertungsfehlern keinen Bestand hat, können die hierzu gehörenden Feststellungen bestehen bleiben. Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, weitergehende Feststellungen zu treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.

Ende der Entscheidung

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