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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.10.2002
Aktenzeichen: 5 StR 441/02
Rechtsgebiete: StPO, BtMG


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
StPO § 349 Abs. 2
BtMG § 30a Abs. 3
BtMG § 30a Abs. 2 Nr. 2
BtMG § 29a Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 441/02

vom 22. Oktober 2002

in der Strafsache

gegen

wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Oktober 2002 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revisionen der Angeklagten C C und S C wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23. April 2002 nach § 349 Abs. 4 StPO in den Strafaussprüchen gegen beide Angeklagte mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Die weitergehenden Revisionen beider Angeklagten werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten C C wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Ausüben der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe sowie in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die Angeklagte S C hat das Landgericht wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revisionen beider Angeklagten sind, soweit die Rechtsmittel sich gegen die Schuldsprüche richten, aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 24. September 2002 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Jedoch können die Strafaussprüche gegen beide Angeklagte aus sachlichrechtlichen Gründen keinen Bestand haben.

1. Betreffend den Angeklagten C C hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt:

"Die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe erweist sich als nicht ausreichend begründet und begegnet im Hinblick auf das Erfordernis eines gerechten Schuldausgleichs durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters ist. Er allein ist in der Lage, sich auf Grund der Hauptverhandlung einen umfassenden Eindruck von Tat und Täter zu verschaffen. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn Rechtsfehler vorliegen, insbesondere wenn der Strafrichter von einem falschen Strafrahmen ausgegangen ist, seine Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind oder rechtlich anerkannte Strafzwecke außer acht gelassen haben oder wenn sich die Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit nach oben oder unten inhaltlich löst, daß ein grobes Mißverhältnis zwischen Schuld und Strafe besteht (BGHSt 17, 35, 36/37; 29, 319, 320 jeweils m. w. N.; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 1). Dabei kann die Höhe der vom Tatrichter für den konkreten Fall bestimmten Strafe vom Revisionsgericht anhand der im Urteil dargelegten Umstände grundsätzlich nicht ohne weiteres nachgeprüft werden. Je mehr sich die im Einzelfall verhängte Strafe aber dem unteren oder oberen Rand des zur Verfügung stehenden Strafrahmens nähert, umso höher sind die Anforderungen, die an eine umfassende Abwägung und eine erschöpfende Würdigung der für die Bemessung der Strafe maßgeblichen straferschwerenden und strafmildernden Umstände zu stellen sind (BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 2; BGHR StGB § 222 Strafzumessung 1; BGH StV 1983, 102; 1986, 57).

Nach diesen Grundsätzen sind die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils nicht rechtsbedenkenfrei. Das Landgericht hat zugunsten des Angeklagten bei der Strafzumessung insbesondere sein jugendliches Alter berücksichtigt, ebenso die fehlenden Vorstrafen sowie sein Teilgeständnis, die Tatsache, daß Grundlage der Aburteilung ein durch den Einsatz einer Vertrauensperson der Polizei angeschobenes Scheingeschäft war, daß die Betäubungsmittel sichergestellt werden konnten und damit eine Gefährdung der Allgemeinheit ausgeblieben ist. Ob diese gewichtigen Strafmilderungsgründe für die Strafkammer hätten Veranlassung bieten müssen, schon die Voraussetzungen eines minder schweren Falles im Sinne des § 30a Abs. 3 BtMG anzunehmen, kann letztlich dahinstehen. Jedenfalls fehlt es angesichts dieser Milderungsgründe unter dem Gesichtspunkt des gerechten Schuldausgleichs an einer ausreichenden Begründung der Strafhöhe (acht Jahre Freiheitsstrafe). Diese war hier umso mehr erforderlich, weil sich die erhöhte Gefährlichkeit, der § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG seinem Zweck nach in Fällen bewaffneter Betäubungsmittelgeschäfte begegnen soll, eher im unteren Bereich denkbarer Fallgestaltungen hielt und der Reinheitsgehalt der sichergestellten Betäubungsmittel jedenfalls nicht ungewöhnlich hoch war."

2. Auch den Strafausspruch gegen die Angeklagte S C , die Ehefrau des Angeklagten C C , vermag der Senat - insoweit anders als der Generalbundesanwalt - nicht als rechtsfehlerfrei zu erachten.

Das Landgericht hat das Vorliegen eines minder schweren Falles im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG verneint. Es hat zur Begründung dessen zwar eine Vielzahl von Gesichtspunkten, die für oder gegen eine Strafrahmenverschiebung sprechen, gegeneinander abgewogen. Gleichwohl besorgt der Senat, daß das Landgericht dabei mit der Argumentation, daß die Angeklagte "bei der Tatbegehung unter dem Einfluß ihres Ehemannes stand und ihr Tatbeitrag als gering einzustufen ist", die Besonderheiten des Falles nicht hinreichend berücksichtigt hat. Die Angeklagte war vom Rauschgifthandel ihres Ehemannes überrascht und forderte ihn auf, das Heroin sofort aus der Wohnung zu schaffen. Nachdem sie eine Teilmenge des Rauschgiftes in einer Kammer der Wohnung verstaut hatte, war sie nur sehr kurze Zeit - in der Größenordnung allenfalls weniger Stunden - im Besitz des Rauschgiftes. Dem besonderen Konflikt zwischen dem gesetzlichen Verhaltensgebot und dem orientalisch geprägten Autoritätsverhältnis zwischen den beiden Angeklagten trägt die Wendung, daß die Angeklagte "unter dem Einfluß ihres Ehemannes stand", nicht hinreichend Rechnung.

Der Senat kann nicht ausschließen, daß das Landgericht bei Annahme eines minder schweren Falles zu einer milderen Strafe gelangt wäre.

Ende der Entscheidung

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