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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.10.1998
Aktenzeichen: 5 StR 450/98
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 450/98

vom

29. Oktober 1998

in der Strafsache

gegen

wegen Vergewaltigung

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Oktober 1998 beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 20. Mai 1998 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

Der Angeklagte hat eingeräumt, mit der bei ihm seit vielen Jahren als Putzfrau beschäftigten Nebenklägerin, die verheiratet und Mutter dreier Kinder ist, den Geschlechtsverkehr ausgeübt zu haben; dies sei jedoch einverständlich geschehen. Seine Verurteilung stützt sich ausschließlich auf die Angaben der Nebenklägerin. Diese hat, wie das Landgericht ohne Rechtsfehler darlegt, eine in sich geschlossene, widerspruchsfreie und detailreiche Schilderung abgegeben. Dies gilt allerdings auch für die Einlassung des Angeklagten.

Das Landgericht hält die Darstellung des Angeklagten allerdings nur "bei erster Sicht" für schlüssig und lebensnah. Dies begegnet Bedenken. Eine Reihe vom Landgericht als belastend gewerteter Umstände sind weder für sich allein noch in ihrer Gesamtheit geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten zu erwecken: Dies gilt beispielsweise für die vom Landgericht als lebensfremd bezeichnete Schilderung von Umständen während und nach einem einverständlichen Austausch von Zärtlichkeiten (Kaffeeholen des Angeklagten nach Beginn der sexuellen Handlungen, Fertigputzen der Wohnung durch die Nebenklägerin nach dem Geschlechtsverkehr). Eine Übertreibungstendenz im Verteidigungsverhalten des Angeklagten durfte das Landgericht nicht ohne weiteres auf gegenteilige Behauptungen der Nebenklägerin stützen. Schließlich belastet es den Angeklagten nicht, daß er bereits vor Beginn der sexuellen Handlungen den Kaffeetisch in der Weise deckte, daß die Nebenklägerin sich neben ihn setzen mußte; daß es ihm auf eine Annäherung ersichtlich ankam, steht seiner Darstellung von nachfolgenden einverständlichen sexuellen Handlungen nicht entgegen.

Die Sorge der Nebenklägerin, ihr - vom Landgericht als gradliniger Handwerker bezeichneter - Ehemann könne von dem außerehelichen Geschlechtsverkehr Kenntnis erlangen, schließt das Landgericht als mögliches Motiv für eine Falschbelastung mit der Erwägung aus, bei einverständlichem Geschlechtsverkehr hätte die Nebenklägerin nicht von sich aus wenige Tage später dem Ehemann von dem Geschehen berichtet. Auch die von ihr möglicherweise erkannte Gefahr einer Schwangerschaft hätte sie nicht dazu veranlaßt. Da zu jenem Zeitpunkt die - tatsächlich erfolgte - Schwangerschaft noch nicht festgestellt gewesen sei, wäre die schüchtern bis ängstlich wirkende Nebenklägerin aufgrund einer bloßen Vermutung das Risiko einer aus einer solchen Erzählung resultierenden Ehekrise nicht eingegangen. Diese Wertung läßt nicht erkennen, daß das Landgericht, wie bei einer Beweissituation, bei der Aussage gegen Aussage steht, erforderlich (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 1), alle Umstände, die die Entscheidung zugunsten oder zuungusten beeinflussen können, in seine Überlegungen einbezogen hat. So hat es nicht erkennbar bedacht, daß die Nebenklägerin, nachdem es bei dem Angeklagten nach den insoweit übereinstimmenden Äußerungen von Angeklagtem und Nebenklägerin zum vorzeitigen Samenerguß gekommen war, sogleich die Befürchtung geäußert hatte, nun sei sie bestimmt schwanger. Unter diesen Umständen mag es gerade bei einer ängstlichen Frau naheliegen, die "Flucht nach vorn" anzutreten, und einen Geschlechtsverkehr, den sie bei reiflicher vorheriger Überlegung nicht durchgeführt hätte und der sie alsbald danach reute, gegenüber dem Ehemann als Vergewaltigung darzustellen.

Vor dem Hintergrund der insgesamt schwierigen Beweislage kann der Senat ein Beruhen des Urteils auf den angeführten Mängeln in der Beweiswürdigung letztlich nicht sicher ausschließen.

Ende der Entscheidung

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