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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.02.2005
Aktenzeichen: 5 StR 555/04
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 555/04

vom 17. Februar 2005

in der Strafsache

gegen

wegen versuchten schweren Raubes

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Februar 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 18. August 2004 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts überfiel der Angeklagte mit den bereits abgeurteilten N und S in der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember 2000 die Räume der Spielothek "P " in Chemnitz. Als die mittlerweile alarmierte Polizei am Tatort eintraf, flohen die Täter unter Zurücklassung ihrer Beute. Noch auf der Flucht konnten die Mittäter N und S gestellt werden. Der dritte Täter konnte zunächst unerkannt entkommen. Nach Überzeugung des Landgerichts war der Angeklagte der entkommene Täter.

2. Die kaum hinreichend stringent begründete Beweiswürdigung des Landgerichts erweist sich insgesamt als mangelhaft (vgl. zudem zur Fassung der Beweiswürdigung: BGH NStZ 1998, 51). Sie hat jedenfalls aufgrund der nachstehend bezeichneten durchgreifenden Bedenken keinen Bestand.

Das Landgericht stützt seine Überzeugung maßgeblich darauf, daß der Angeklagte, der größer und kräftiger als die beiden Mittäter ist, eine schwarze Gesichtsmaske getragen habe, während die beiden kleineren Mittäter mit braunen Gesichtsmasken vermummt waren. An einer im unmittelbaren Anschluß an die Tat beim Mittäter S aufgefundenen schwarzen Gesichtsmaske hätten sich DNA-Spuren des Angeklagten befunden. Daß diese Maske später bei dem Mittäter S gefunden worden sei, erklärt sich nach Auffassung des Landgerichts daraus, daß während der Tatbegehung die Gesichtsmasken getauscht worden seien.

Diese Beweisführung ist schon deshalb lückenhaft, weil das Landgericht unerörtert läßt, ob während der Tatbegehung überhaupt die nach den Urteilsgründen allein vom Mittäter N vage angesprochene - darüber hinaus allenfalls kreisschlüssig festgestellte - Möglichkeit bestanden hat, die Gesichtsmasken auszutauschen. Der Sinn eines Gesichtsmaskentausches erschließt sich nicht ohne weiteres. Im Blick auf ein späteres Wiedererkennen hätte sich das Ab- und Aufsetzen der Gesichtsmasken eher als gefährlich dargestellt. Es hätte zumindest mitgeteilt werden müssen, ob und inwieweit die acht in der Spielothek anwesenden Personen die Täter im Blick gehabt hatten und ob ihnen ein Wechsel der Masken aufgefallen war. Selbst wenn die bedrohten Personen nicht ständig die Täter beobachtet haben sollten, wäre darzulegen gewesen, inwieweit sich für den vom Landgericht angenommenen Maskenwechsel jedenfalls im Moment der Aufgabe der Tat und der Flucht der Täter Erkenntnisse gewinnen ließen. Insbesondere hätte es der Darlegung bedurft, welche Maske der im Vergleich zu den Mittätern größere Mann zu welchem Zeitpunkt getragen hat.

Hierzu wird nämlich im Zusammenhang mit der Flucht der Täter noch folgende weitere Lückenhaftigkeit der Beweiswürdigung deutlich: Nach der vom Landgericht mitgeteilten Aussage des an den Tatort gerufenen Polizeibeamten Sch , auf dessen Angaben das Landgericht sich ersichtlich auch stützt, seien zwei maskierte Männer aus einem Fenster der Rückfront der Spielothek herausgekommen und geflüchtet, wovon einer festgenommen worden sei; danach sei der Täter S , den er selbst festgenommen habe, aus der Spielothek gekommen. Daraus ergibt sich aber dann, daß eine vierte Maske existiert haben muß, die der flüchtende Täter trug und die auch nicht sichergestellt werden konnte. Neben der schwarzen Gesichtsmaske wurde bei S und N noch jeweils eine braune Gesichtsmaske aufgefunden. Solange offenbleibt, welche Farbe die Maske des entkommenen Täters hatte, spricht die Existenz einer vierten Maske gegen die Annahme des Landgerichts, der entkommene Täter müsse bei der Tatausführung die bei S aufgefundene schwarze Gesichtsmaske getragen haben. Daß der entkommene Täter die Maske unmittelbar vor der Flucht gewechselt haben könnte, ist spekulativ. Besonders fern liegt zudem, daß er vor seiner Flucht die abgelegte Maske dem S übergeben hat, zumal er nicht mit diesem, sondern mit N geflohen ist, während S das Gebäude später auf einem anderen Weg verlassen hat.

3. Die Sache bedarf allein schon deshalb umfassend neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird sein Augenmerk auch auf Mobiltelefon-Verbindungsnachweise zu legen haben. Aus einer - hier nicht mehr entscheidungsrelevanten - Verfahrensrüge, die eine Aufstellung der vom Mobiltelefon des Mittäters S getätigten Anrufe enthält, ergibt sich, daß der Anschluß des vom Angeklagten genutzten Mobiltelefons letztmals elf Tage vor der Tat angewählt wurde. Dies zieht die vom Landgericht als weiteres belastendes Indiz verwertete Feststellung in Zweifel, S habe vor der Tat mehrere Male mit dem Angeklagten telefoniert. Bei der Auswertung der Verbindungsnachweise wird auch ein längeres Gespräch Bedeutung erlangen müssen, das erst am 23. Dezember 2000 - zu einem Zeitpunkt nach der Tat, als S bereits festgenommen war - vom Mobiltelefon des S aus mit einem dem Angeklagten zugerechneten Mobiltelefon geführt wurde.

Sollte der neue Tatrichter wiederum zu einer Verurteilung gelangen, wird der lange Zeitraum zwischen Tatbegehung (Dezember 2000) und Anklageerhebung (März 2004) unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 Abs. 1 MRK erläuterungsbedürftig sein. Gleichfalls wird ein notwendiger Härteausgleich für nach der Tat erfolgte Verurteilungen, die vollständig vollstreckt und damit nicht mehr gesamtstrafenfähig sind (§ 55 Abs. 1 StGB), zu bedenken sein.



Ende der Entscheidung

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