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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 21.03.2002
Aktenzeichen: 5 StR 566/01
Rechtsgebiete: BGSG, StGB, StPO


Vorschriften:

BGSG § 12 Abs. 1 Nr. 2
StGB § 13 Abs. 2
StGB § 49 Abs. 1
StGB § 51 Abs. 1 Satz 2
StPO § 256
StPO § 161
StPO § 163
StPO § 244 Abs. 3
StPO § 250 Satz 2
StPO § 249 Abs. 1
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO § 245 Abs. 2 Satz 1
StPO § 163 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 StR 566/01

vom 21. März 2002

in der Strafsache

gegen

wegen Strafvereitelung im Amt

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. März 2002, an der teilgenommen haben:

Vorsitzende Richterin Harms,

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 30. November 2000 im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben, hinsichtlich der Freisprüche in den Fällen V b 1.3.8. und V c 1.5.6. der Urteilsgründe und des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Strafvereitelung im Amt in drei Fällen zu einer aus zwei Einzelfreiheitsstrafen von zehn Monaten und einer von einem Jahr und zwei Monaten gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Hinsichtlich weiterer acht gleicher Anklagevorwürfe und sechs angelasteter Vergehen der Bestechlichkeit - in fünf Fällen in Tateinheit mit Einschleusungsdelikten - wurde er freigesprochen. Der Angeklagte erstrebt die Aufhebung seiner Verurteilung, die Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, die der Freisprüche und der Gesamtfreiheitsstrafe.

I.

Der Angeklagte, ein früherer Berufssoldat, der zunächst bei der Nationalen Volksarmee, dann bei der Bundesmarine diente, war seit Mai 1993 als Polizeibeamter in der Dienststelle des Bundesgrenzschutzes in Krippen überwiegend zur Aufklärung von Delikten nach dem Ausländergesetz eingesetzt. Ergaben Beschuldigtenvernehmungen vorläufig festgenommener Fußschleuser Anhaltspunkte für deren Auftraggeber, war der Angeklagte verpflichtet, weitere Ermittlungen zur Aufklärung der Identität dieser Hintermänner und zum Tatablauf durchzuführen und die Ergebnisse mit Strafanzeigen der Staatsanwaltschaft vorzulegen. Dies hat der Angeklagte hinsichtlich drei abschlußreifer Vorgänge in voller Kenntnis um die sich daraus ergebende Besserstellung von insgesamt sechs tatverdächtigen Hintermännern unterlassen und dadurch bewirkt, daß deren Strafverfolgung etwa knapp ein Jahr - bis zur Verhaftung des Angeklagten am 2. März 1998 - unterblieb.

II.

1. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten bleibt erfolglos, soweit sie sich gegen die Schuldsprüche richtet. Die Feststellungen belegen die Zuständigkeit des Angeklagten zur Strafverfolgung der tatverdächtigen Hintermänner gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 BGSG, §§ 161, 163 StPO und das wissentliche Liegenlassen der Vorgänge (vgl. BGHSt 15, 18, 22), was zu einer für den Tatbestand der Strafvereitelung genügenden erheblichen Verzögerung der Strafverfolgung führte (vgl. BGHSt aaO und 45, 97, 100; BGHR StGB § 258 Abs. 1 Vollendung 1).

2. Allerdings begegnen die Strafaussprüche durchgreifenden Bedenken.

a) Der Angeklagte hat sich jeweils der Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen schuldig gemacht (vgl. BGHSt 15, 18, 22; Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 258a Rdn. 3 und 10). Dies eröffnet nach § 13 Abs. 2 StGB eine Milderungsmöglichkeit nach § 49 Abs. 1 StGB. Die Prüfung, ob eine solche Strafrahmenverschiebung in Betracht kommt (vgl. BGH NJW 2001, 3638, 3641 m.w.N.), hat das Landgericht nicht vorgenommen.

b) Der Tatrichter hat zudem den Gesichtspunkt der Generalprävention in einer den Angeklagten beschwerenden Weise berücksichtigt, indem er ausdrücklich darauf abstellt, daß wegen des besonderen Interesses der Öffentlichkeit Tat, Strafmaß und Begründung in hohem Umfang bekannt würden und "daher geeignet (seien), potentielle Täter zur Überlegung zu bringen und abzuschrecken." Diese Erwägung beschreibt keinen zur Begründung der Generalprävention zulässigerweise verwertbaren Umstand, der außerhalb der bei Aufstellung eines bestimmten Strafrahmens vom Gesetzgeber bereits berücksichtigten allgemeinen Abschreckung liegt. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn sich eine gemeinschaftsgefährliche Zunahme solcher oder ähnlicher Straftaten, wie sie zur Aburteilung stehen, oder ein besonderes Ausmaß, in dem eine Tat den Rechtsfrieden zu stören geeignet ist (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Generalprävention 2 bis 4, 6 und 7). Die Erwägung des Landgerichts läßt dagegen besorgen, daß die Bemessung der Strafen wegen der - durch die Öffentlichkeitswirksamkeit - besonders günstigen Möglichkeit der Beeinflussung potentieller Täter mitbestimmt war und dadurch der Einbindung des Strafzwecks der Generalprävention in den Spielraum der schuldangemessenen Strafe nicht genügend Beachtung geschenkt wurde (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Generalprävention 8).

Die somit gebotene Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.

3. Auf die Revision des Angeklagten muß auch die Strafaussetzung zur Bewährung entfallen. Das Landgericht hat von der Möglichkeit, gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB Untersuchungshaft nicht anzurechnen, keinen Gebrauch gemacht. Ist aber die Strafe - wie hier - infolge der Anrechnung bereits voll verbüßt, scheidet eine Strafaussetzung begrifflich aus (BGHSt 31, 25, 27 ff.; BGH, Beschl. vom 8. Januar 2002 - 3 StR 453/01). Die Strafaussetzung zur Bewährung beschwert den Angeklagten auch (BGH, Beschl. vom 25. November 1998 - 2 StR 514/98).

III.

1. Der Revision der Staatsanwaltschaft bleibt mit ihren formellen Rügen der Erfolg versagt.

a) Die Verfahrensrügen sind nicht in zulässiger Weise erhoben, soweit die Ablehnung der Anträge auf Vernehmung von Zeugen beanstandet wird (Revisionsbegründung S. 9, 11 bis 23). Mit diesen Anträgen hatte die Staatsanwaltschaft die Vernehmung von Polizeibeamten erstrebt, die in der Hauptverhandlung bereits zur Sache ausgesagt hatten (Polizeihauptmeister Br , UA S. 15; Polizeihauptmeister M , UA S. 47; Polizeiobermeisterin L , Protokollband 1, Bl. 177; Polizeihauptmeister H , Protokollband 1, Bl. 170; Polizeihauptmeister S , Protokollband 1, Bl. 158; Polizeihauptkommissar Mo , Protokollband 1, Bl. 61). Die Revision teilt entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht mit, daß und wozu diese Zeugen bereits ausgesagt hatten, so daß das Revisionsgericht nicht prüfen kann, ob das Beweisverlangen der Staatsanwaltschaft überhaupt einen Beweisantrag darstellt (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 16, 32; BGH, Urt. vom 13. Dezember 2001 - 5 StR 322/01). Die Unzulässigkeit erfaßt auch bei den Anträgen Nr. 2 (Revisionsbegründung S. 12), Nr. 3 (Revisionsbegründung S. 14), Nr. 6 (Revisionsbegründung S. 19) und Nr. 7 (Revisionsbegründung S. 20) die Beanstandung hinsichtlich des dort jeweils mitbenannten Zeugen aus der tschechischen Republik, weil alle Zeugen für jeweils ein Beweisthema eine Einheit bilden und die nicht mitgeteilten früheren Aussagen der Polizeibeamten, die jene Zeugen vernommen hatten, für die Beurteilung der Anträge erheblich sind.

b) Die erhobenen Aufklärungsrügen hinsichtlich der Zeugen Ma und T erfüllen ebenfalls nicht die Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil es die Revision unterläßt, das erwartete Beweisergebnis mit der gebotenen Bestimmtheit mitzuteilen (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 1).

c) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht auch nicht gegen § 244 Abs. 3 StPO - oder wie es zutreffenderweise hätte gerügt werden müssen die Vorschriften der §§ 245 Abs. 2 Satz 1, 250 Satz 2 StPO - verstoßen. Die amtliche Auskunft des 8. Dezernats der Generaldirektion des Zolls der tschechischen Republik vom 22. September 1998 war nicht nach § 256 StPO verlesbar. Gegenstand waren Erkenntnisse aus Beobachtungen des Angeklagten, die die Grundlagen der Sachentscheidung im anhängigen Verfahren betroffen hätten (vgl. BGHR StPO § 256 Abs. 1 Behördenauskunft 2). Die von der Staatsanwaltschaft mit der Anklageschrift vorgelegte Urkunde war im Verfahren zu Beweiszwecken bestimmt, weshalb sie gemäß § 250 Satz 2 StPO auch nicht nach § 249 Abs. 1 StPO verlesen werden durfte (vgl. BGH, Urt. vom 25. September 1962 - 5 StR 306/62; BGHSt 20, 160, 161; BGHR StPO § 256 Abs. 1 Gutachten 1 m.w.N.). Letzteres gilt auch für die abgelehnte Verlesung einer amtlichen Niederschrift vom 16. September 1998 der Generaldirektion des Zolls der tschechischen Republik über Wahrnehmungen eines verdeckten Ermittlers.

2. Die Sachrüge führt zur Aufhebung der Freisprüche in den Fällen V b 1.3.8. und V c 1.5.6. der Urteilsgründe, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht standhält.

Zwar muß das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter den Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob diesem Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; BGH NStZ 2002, 48; BGH NStZ-RR 2000, 171; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33 m.w.N.).

Hier erweist sich die Beweiswürdigung des Landgerichts als lückenhaft. Freilich können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalls ab; dieser kann so beschaffen sein, daß sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Insbesondere wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt, obwohl - wie hier - nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muß es allerdings in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen (BGH NStZ-RR 2000, 171). Dem wird das angefochtene Urteil nicht in jeder Hinsicht gerecht.

a) Im Fall V b 1. erachtet das Landgericht den Angeklagten für zuständig, aufgrund der Erkenntnisse aus der Beschuldigtenvernehmung des K vom 25. September 1996 gegen dessen Hintermann F Ermittlungen zu führen. Es hält die Einlassung des Angeklagten, er hätte erst später das Protokoll gelesen und nur überflogen, wobei ihm der Name F nicht aufgefallen sei, für nicht widerlegbar (UA S. 26 f.), zumal er es nicht pflichtwidrig unterlassen hätte, K Lichtbilder vorzulegen. Diese Würdigung hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand, weil sie die sich hier aufdrängende Einbeziehung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen im Fall I b 1 - in dem das Landgericht zur Verurteilung des Angeklagten wegen Strafvereitelung im Amt zum Vorteil des F kommt - unterläßt. Nach den Feststellungen dazu (UA S. 8) war F der Dienststelle und auch dem Angeklagten bereits am 16. Oktober 1995 als zentrale Schlüsselfigur in der Schleuserszene bekannt.

b) In den Fällen V b 8. und 3. hat das Landgericht zunächst rechtsfehlerfrei die objektiven Umstände einer Strafvereitelung im Amt festgestellt. Der Angeklagte hatte am 17. März 1997 von dem Beschuldigten R den Mar - wie bereits am 10. März 1997 vom Beschuldigten P , was im Fall I b 2 zur Verurteilung des Angeklagten führte - als Auftraggeber einer Schleusung benannt bekommen. Der Angeklagte kündigte gegenüber der Staatsanwaltschaft Görlitz die Aufnahme der Ermittlungen gegen Mar an.

Am 25. März 1997 hatte der Angeklagte einen Abschlußbericht über eine Einschleusung des Beschuldigten Pr der Staatsanwaltschaft Bautzen übersandt und ebenfalls die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den zuvor als Tatverdächtigen festgestellten Hintermann Bu angekündigt. In beiden Fällen unterließ der Angeklagte bis zu seiner Verhaftung jede Förderung der Verfahren.

Die Würdigung des Landgerichts, mit der ein direkter Vorsatz des Angeklagten nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit als nachgewiesen angesehen wird, begegnet auch hier durchgreifenden Bedenken. Sie unterläßt die gebotene Prüfung der Tatsachengrundlage der Einlassung des Angeklagten (vgl. BGHR StPO § 261 Einlassung 5; BGH NStZ 2002, 48) und betrachtet diese von einem unzutreffenden Ausgangspunkt aus (vgl. BGH NStZ 2001, 491, 492).

Das Landgericht ist in seiner Beweisführung - der Aussage des Angeklagten folgend (UA S. 6, 29) - zu Recht von einer dem Angeklagten bekannten Pflicht zur Vorlage der gegen die Hintermänner gewonnenen Erkenntnisse an die Staatsanwaltschaft ausgegangen. Es hat sich vom Vereitelungsvorsatz des Angeklagten aber nicht zweifelsfrei überzeugen können, weil der Angeklagte - nach Ankündigung eigener Ermittlungen gegen Hintermänner - hätte davon ausgehen können, daß die Staatsanwaltschaften Bautzen und Görlitz unabhängig von ihm Ermittlungen aufnehmen würden. Dieser Einlassung des Angeklagten folgte das Landgericht ohne ausreichende Prüfung einer Tatsachengrundlage. In der staatsanwaltschaftlichen und in der polizeilichen Praxis ist es allgemein verbreitet, daß die Polizei selbständig die erforderlichen Ermittlungen führt und ihre Ergebnisse erst nach Abschluß der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vorlegt (Wache in KK 4. Aufl. § 163 Rdn. 4 und 24). Das Landgericht hat zudem in allen elf verhandelten Fällen wegen Strafvereitelung im Amt keine hiervon abweichenden Anhaltspunkte feststellen können. Die Dienststelle des Angeklagten wurde auch nicht - als Ergebnis eigener Ermittlungen der Staatsanwaltschaften - um weitere Nachforschungen ersucht.

Das dem Angeklagten auf Grund seiner Einlassung zugebilligte Vertrauen hinsichtlich einer Aufnahme von Ermittlungen durch die zuständigen Staatsanwaltschaften war zudem auch aus sachlichrechtlichen Gründen nicht geeignet, einen Vereitelungsvorsatz des Angeklagten zu verneinen. Ein Eingreifen der Staatsanwaltschaften hätte nämlich lediglich zur Beendigung des vom Angeklagten durch erhebliche Verzögerungen der Strafverfolgung bereits hervorgerufenen Vereitelungserfolges (vgl. BGHSt 45, 97, 100; BGHR StGB § 258 Abs. 1 Vollendung 1) geführt. Bei noch nicht eingetretenem Erfolg wegen zeitnaher Aufnahme der Ermittlungen der Staatsanwaltschaften wären jedenfalls versuchte Strafvereitelungen in Betracht gekommen (vgl. BGHR aaO).

Schließlich hätte in die Erwägungen der Umstand einbezogen werden müssen, daß der Angeklagte - wie vom Landgericht zutreffend festgestellt - hinsichtlich des Beschuldigten Mar bereits in einem früheren Fall Vereitelungsvorsatz verwirklicht hatte (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 171; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 4).

c) Im Fall V c 1 (UA S. 33 bis 45) hatte sich das Landgericht nicht davon zu überzeugen vermocht, daß der Angeklagte am 13. Mai 1997 um 1.57 Uhr und 1.59 Uhr vom Dienstanschluß des Grenzschutzbeamten N aus den mit Haftbefehl des Amtsgerichts Dresden gesondert verfolgten Ne angerufen hatte. Zwar sei der Angeklagte im Dienstgebäude anwesend gewesen und habe die persönliche Geheimnummer des N gekannt, mit der telefoniert wurde. Das Landgericht konnte aber nicht sicher ausschließen, daß eine andere Person angerufen hatte. Die dieses Ergebnis begründenden Erwägungen sind ebenfalls lückenhaft und lassen nicht erkennen, ob der Tatrichter alle gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen in die Beweiswürdigung einbezogen hat (BGH NStZ-RR 2000, 171 f. m.w.N.). Das Landgericht hat festgestellt, daß sich in dieser Nacht während einer Vernehmung eines Beschuldigten - außer dem Angeklagten, der ab 1.00 Uhr zugegen war - vier namentlich benannte Personen und "weitere Grenzschutzbeamte" in der Dienststelle aufhielten (UA S. 37). Es unterläßt aber Feststellungen darüber, welche Personen zum Zeitpunkt der Anrufe noch anwesend waren, welche dieser Personen - außer dem Angeklagten - die Geheimnummer des Beamten N kannten und aus welchen Gründen diese als Anrufer in Betracht kommen oder ausscheiden.

Bei der Prüfung der Frage, ob der Angeklagte von der Schleuserorganisation des Ne 10.000 DM erhalten hatte, begegnet ferner die alleinige entlastende Bewertung der Aussage der Zeugin Ko , der Freundin des Angeklagten (UA S. 41), durchgreifenden Bedenken. Das Landgericht sah in der Aussage der Zeugin, sie habe einen Umschlag mit einer Telefonnummer, aber keinen Umschlag mit Geld erhalten, eine Stütze für die bestreitende Einlassung des Angeklagten. Damit wird eine naheliegende belastende Bewertung übersehen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 1 und 4). Eine solche drängte sich hier aber auf, weil es für den Empfang einer Telefonnummer, die vom Geldboten I der Schleuserorganisation des Ne stammte und von dessen Schleuser La übergeben wurde, keine plausible auf einen gesetzestreuen Hintergrund hindeutende Erklärung ersichtlich ist.

d) Mit dieser Beanstandung der Beweiswürdigung verliert die damit eng zusammenhängende Beweiswürdigung in den Fällen V c 5. und 6. ihre Grundlage. Auch in diesen Fällen sind angelastete Zahlungen der Schleuserorganisation des Ne an den Angeklagten Gegenstand des Verfahrens, deren Würdigung bei Erweislichkeit einer Verbindung des Angeklagten zu dessen Organisation neu vorzunehmen ist.

Unabhängig davon zeigt die Revision einen durchgreifenden Fehler der Beweiswürdigung hinsichtlich der Bewertung der Aussage des Zeugen I auf, weil das Landgericht mit widersprüchlichen und weiteren ersichtlich unzutreffenden Erwägungen die Glaubhaftigkeit seiner Aussage in Zweifel zieht. Dadurch hat es zu erkennen gegeben, daß es überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). Das Landgericht hat die Aussage des Zeugen, der in diesen Fällen den angelasteten Sachverhalt bestätigt hatte, als in sich widerspruchsfrei, sehr detailreich und konstant gewertet und ihn als sicher und selbstbewußt geschildert, der eigenes Erleben von Hörensagen klar hätte trennen können (UA S. 57). Der im Zeugenschutzprogramm befindliche Zeuge hätte keine klare Belastungstendenz erkennen lassen, mit seinen Aussagen für sich einen Schlußstrich gezogen und altruistische Ziele mitverfolgt. Gleichwohl gelangte das Landgericht zu erheblichen Zweifeln an der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen. So hätte er nicht alle seine Beteiligungen an den Schleusungshandlungen eingeräumt, in fünf Fällen sei er zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden und ca. 100 Schleusungsfälle seien von der Staatsanwaltschaft "pauschal" vorläufig eingestellt worden. Es bestehe daher der Verdacht, daß der Zeuge zum Nachteil des Angeklagten und um zur Belohnung selbst ein mildes Urteil mit Bewährungsaussetzung zu erhalten, mehr ausgeführt hätte, als er wahrheitsgemäß aus eigener Kenntnis gewußt hätte.

Diese Begründung übersieht, daß der Zeuge zum Zeitpunkt seiner Aussage bereits zu einer milden Strafe rechtskräftig verurteilt war, und belegt keine Anhaltspunkte für eine bevorstehende Wiederaufnahme der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen (vgl. BGHSt 37, 10, 13). Auch drohende neue Ermittlungen konnten entgegen der Auffassung des Landgerichts keine Belastungstendenz begründen, weil der Zeuge (nur) bei seiner ersten Vernehmung im Hinblick darauf keine weiteren Aussagen treffen wollte (UA S. 58). Die Weigerung des Zeugen, die Frage zu beantworten, ob eine vermutlich von seinen Brüdern in Berlin betriebene Pizzeria als Anlaufstelle für Schwarzgeld diene, kann wegen des nahen Bezugs zur Familie des Zeugen und des fehlenden Zusammenhangs mit den Beweisthemen nicht zur Begründung einer mangelnden Glaubwürdigkeit herangezogen werden. Schließlich entbehren die Erwägungen des Landgerichts, der Zeuge könnte im Wege der Projektion den Angeklagten falsch angeschuldigt (UA S. 59; vgl. Bender/Nack Tatsachenfeststellung vor Gericht I 2. Aufl. Rdn. 153 ff.) und wirklich handelnde Personen - die Bestechungsgelder hätten annehmen müssen - durch den Angeklagten ersetzt haben, jeder Grundlage.

3. Die übrigen Freisprüche halten sachlichrechtlicher Prüfung stand.

a) Zwar hatte der Angeklagte in den weiter angelasteten Fällen einer Strafvereitelung im Amt (V b 2.4. 5.6.7.) die sich aus § 163 Abs. 2 Satz 1 StPO ergebende Unterrichtungspflicht gegenüber den Staatsanwaltschaften (vgl. Wache in KK 4. Aufl. § 163 Rdn. 24) mißachtet und jeweils eine geraume Zeit die Ermittlungen nicht gefördert. Die Würdigung des Landgerichts, es liege kein Vorsatz vor, weil nach der von der Leitung der Dienststelle und den Staatsanwaltschaften offensichtlich hingenommenen Praxis eine Vorlagepflicht erst für ausermittelte Vorgänge angenommen wurde, ist nicht zu beanstanden.

b) In den Fällen V c 2.3.4. (UA S. 42 bis 55) ist die Beweiswürdigung des Landgerichts, die zur Unglaubhaftigkeit der belastenden Aussagen des Zeugen D wegen dessen belegten Belastungseifers um eigener strafrechtlicher Vorteile willen führt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Vertretbar hat das Landgericht auch die Unwahrscheinlichkeit der Tatabläufe unter Heranziehung der - uneingeschränkt für glaubhaft gehaltenen - Aussagen des Zeugen I belegt (UA S. 46) und mögliche Verbindungen des D zur Schleuserorganisation des Ne ausgeschlossen.

4. Die Aufhebung der Freisprüche führt zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe.

IV.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daß die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern auch unter Einbeziehung ersichtlich wesentlicher gegen den Angeklagten sprechender Umstände in einer Gesamtwürdigung zu betrachten sein werden (vgl. BGH NStZ 2002, 48; 2001, 491, 492; NStZ-RR 2000, 171).

Ende der Entscheidung

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