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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.06.2001
Aktenzeichen: 5 StR 78/01
Rechtsgebiete: StPO, StGB, AGBG, BGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 261
StGB § 266
AGBG § 9 Abs. 1
BGB §§ 315 ff.
BGB § 612 Abs. 2
BGB § 315 Abs. 3
BGB § 246
BGB § 393
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 78/01

vom

13. Juni 2001

in der Strafsache

gegen

wegen Untreue

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Juni 2001 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Mai 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 47 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat lediglich zum Strafausspruch Erfolg.

A

Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Angeklagte von 1992 bis 1998 die "stille Liquidation" mehrerer ehemaliger DDR-Betriebe, die am 1. Juli 1990 in Kapitalgesellschaften umgewandelt worden waren und deren alleinige Gesellschafterin die Treuhandanstalt bzw. deren Rechtsnachfolgerin, die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) war. Das Anstellungsverhältnis zwischen dem Angeklagten und den jeweiligen Abwicklungsgesellschaften war in Formularverträgen geregelt, die von der Treuhand einheitlich für alle Liquidatoren von "Treuhandgesellschaften i.L." entwickelt worden waren. Als Vergütung war jeweils ein Pauschalhonorar vorgesehen, das dem zweifachen Regelsatz gemäß § 2 und § 3 der Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters ... vom 25. Mai 1960 (VergütVO) entsprechen und auf der Basis der Teilungsmasse, die sich nach Abschluß des Liquidationsverfahrens ergab, errechnet werden sollte. Bei vorzeitiger Vertragsbeendigung, gleichviel aus welchen Gründen, sollte dem Liquidator ein Honorar nur für die bis zu seiner Kündigung erbrachten Leistungen zustehen. Zudem enthielten die Verträge die folgende "Öffnungsklausel":

"Die Vergütung kann durch Ansatz eines Multiplikators erhöht werden. Die Höhe des Multiplikators wird im Einzelfall abhängig von der Höhe der Teilungsmasse sowie vom Umfang und Schwierigkeitsgrad des Abwicklungsverfahrens einvernehmlich mit der Treuhand bestimmt. Ergeben sich während oder nach der Beendigung des Liquidations-/Abwicklungsverfahrens Umstände, die den Ansatz eines anderen Mulitplikators rechtfertigen, so wird der Auftragnehmer einer angemessenen Anpassung der Vergütung zustimmen. Eine sich ergebende Überzahlung ist innerhalb von 14 Tagen nach Feststellung und Zahlungsaufforderung auszugleichen."

Die Fälligkeit der Vergütung war wie folgt geregelt:

"Die Vergütung wird mit Abschluß des Liquidationsverfahrens ... zur Zahlung fällig. Der Auftragnehmer kann Abschlagszahlungen aufgrund eines vom Auftraggeber nach Vertragsschluß aufzustellenden Zahlungsplans verlangen. Der Zahlungsplan und die Abschlagszahlungen werden an die vom Auftragnehmer aktualisierten Werte der Teilungsmasse angepaßt."

Ausgehend von einer von beiden Vertragspartnern zunächst veranschlagten durchschnittlichen Abwicklungsdauer von zwei Jahren sahen die in Bezug genommenen Zahlungspläne Abschlagszahlungen von 40 % nach drei Monaten und jeweils weiteren 20 % nach 12 bzw. 18 Monaten vor.

In der Folgezeit stellte sich jedoch heraus, daß die Abwicklungen zum einen sehr viel länger dauerten, zum anderen die Liquidatoren in qualitativer Hinsicht deutlich mehr beanspruchten als ursprünglich erwartet. Nachdem zahlreiche Liquidatoren auf ein zunehmendes Mißverhältnis zwischen Leistung und Vergütung hingewiesen hatten, schlug der Abwicklungsbeirat der Treuhand, der den Vorstand in allen Grundsatzfragen beriet, 1993 eine Erhöhung der Liquidatorengrundvergütung auf den vierfachen Regelsatz vor. Eine entsprechende Beschlußfassung des Vorstandes der Treuhand erreichte er jedoch angesichts der massiven Kritik der Öffentlichkeit an der generell als überzogen empfundenen Honorarpraxis der Treuhand nicht.

Auch der Angeklagte vertrat die Auffassung, daß die von ihm erbrachten Leistungen nicht angemessen honoriert würden, insbesondere daß ein gegenüber dem zweifachen Regelsatz deutlich höherer Multiplikator anzuwenden sei. Eine Einigung über eine Anhebung der ihm zustehenden Honorare und damit auch der Abschlagszahlungen mit den zuständigen Organen der von ihm abzuwickelnden Gesellschaften kam jedoch trotz grundsätzlich vorhandener Gesprächsbereitschaft sowohl bei der Treuhand/BvS als Alleingesellschafterin der jeweiligen Gesellschaften als auch beim Angeklagten nicht zustande. Aus Verärgerung hierüber entnahm der Angeklagte im Zeitraum von Oktober 1994 bis zu seiner Abberufung als Liquidator auch der letzten von ihm vertretenen Gesellschaft im März 1998 dem jeweiligen Gesellschaftsvermögen in 47 Fällen über die in den Zahlungsplänen festgelegten Abschlagszahlungen hinaus Beträge zwischen 5.000 DM und ca. 6 Mio. DM, insgesamt ca. 33 Mio. DM. Obwohl der Angeklagte die entnommenen Beträge jeweils als in der Buchführung der Gesellschaften als Liquidatorenhonorar verbuchte, bemerkte die Treuhand/BvS die Entnahmen erst später, weil der Angeklagte ein in den Richtlinien der Treuhand vorgesehenes Freigabeverfahren nicht einhielt, das allerdings nicht ausdrücklich zum Gegenstand der zwischen dem Angeklagten und den abzuwickelnden Gesellschaften geschlossenen Liquidatorenverträge gemacht worden war.

Gerichtlich machte der Angeklagte, der die Entnahmen einräumt, einen Teil der nach ihm seiner Auffassung zustehenden erhöhten Honorare erstmals im August 1997 geltend. Das zivilgerichtliche Verfahren endete jedoch mit einem Prozeßurteil; eine Entscheidung in der Sache ist bis zum Abschluß des erstinstanzlichen Strafverfahrens nicht ergangen. Rückzahlungsverlangen der BvS ist der Angeklagte bislang nicht nachgekommen.

Auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens hat das Landgericht zugunsten des Angeklagten angenommen, daß dieser Honoraransprüche in Höhe der Entnahmen geltend machen könne. Gleichwohl hat es das jeweilige Verhalten des Angeklagten als Untreue gemäß § 266 StGB in der Form des Mißbrauchstatbestandes gewertet, weil der Angeklagte die ihm durch Rechtsgeschäfte eingeräumte Befugnis, als Liquidator über das Vermögen der abzuwickelnden Gesellschaften zu verfügen, dazu mißbraucht habe, Honorarverpflichtungen der Gesellschaften zu erfüllen, obwohl diese noch gar nicht entstanden, jedenfalls aber im Zeitpunkt ihrer Erfüllung noch nicht fällig gewesen seien. Ein Schaden sei den Abwicklungsgesellschaften daher in Höhe eines Nutzungsausfalls der ihnen vorzeitig entzogenen Gelder entstanden. Bezogen auf die Zeit von der pflichtwidrigen Entnahme der Honorare bis zur Beendigung des mit der jeweiligen Gesellschaft geschlossenen Liquidatorvertrages betrage dieser Schaden unter Zugrundelegung eines jährlichen Zinssatzes von 4 % insgesamt ca. 1,7 Mio. DM.

B

I. Die vom Beschwerdeführer auf einen Verstoß gegen § 261 StPO gestützte Verfahrensrüge ist aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen unbegründet. Soweit das Landgericht aus den vom Beschwerdeführer angeführten Urkunden nicht die von ihm gewünschten Schlüsse zieht, berührt dies nicht das Verfahren.

II. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge hat zum Schuldspruch ebenfalls keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler aufgedeckt. Das Landgericht hat einen Nachteil im Sinne von § 266 StGB im Ergebnis mit Recht bejaht.

1. Bei den zwischen dem Angeklagten und den abzuwickelnden Gesellschaften geschlossenen Anstellungsverträgen als Liquidator handelt es sich um Dienstverträge, die die Besonderheit aufweisen, daß die vom Angeklagten zu erbringende Leistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder nach ihrem qualitativen Umfang noch nach ihrer zeitlichen Dauer zuverlässig einzuschätzen war. Diesem Umstand trägt die sogenannte Öffnungsklausel Rechnung, die eine einvernehmliche spätere Anpassung der Vergütung zuläßt. Da es sich bei den Bestimmungen der Öffnungsklausel um allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handelt, die die Treuhand als Alleingesellschafterin der abzuwickelnden Gesellschaften - neben weiteren vorformulierten Vertragsmustern - für den Abschluß von Liquidatorenvereinbarungen in den neuen Bundesländern verwendete (vgl. BGHZ 139, 309, 315), findet auf sie das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) Anwendung. Aus den Vorschriften dieses Gesetzes ergeben sich gegen die Wirksamkeit der Klausel jedoch keine Bedenken.

Zwar kann - unbeschadet der rechtlichen Möglichkeiten der §§ 315 ff. BGB - schon die Begründung eines Leistungsbestimmungsrechts des Verwenders oder eines Dritten den Vertragspartner unangemessen i. S. von § 9 Abs. 1 AGBG benachteiligen, da die Transparenz des Vertragsinhalts beeinträchtigt ist, der Vertragspartner bis zur Bestimmung der Leistung über deren Umfang im Ungewissen bleibt und im Falle unbilliger oder verzögerter Bestimmung eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen muß. Vorbehaltene Leistungsbestimmungsrechte sind jedoch dann hinzunehmen, wenn nur auf diese Weise einer unsicheren Entwicklung der Verhältnisse Rechnung getragen werden kann und die Änderung der Verhältnisse nicht zu den Risiken gehört, die der Verwender der AGB nach Sinn und Zweck des Vertrages zu tragen hat (Brandner in Ulmer-Brandner-Hensen, AGBG, 9. Aufl., Anhang §§ 9 - 11 Rdn. 470).

So liegt es hier. Angesichts der Einzigartigkeit der historischen Situation nach der wirtschaftlichen Vereinigung von DDR und Bundesrepublik Deutschland mit ihren unterschiedlichen Wirtschaftsordnungen und der daraus herrührenden Vielzahl im voraus kaum kalkulierbarer Faktoren, die die vom Angeklagten bis zur Liquidation der jeweiligen Gesellschaft zu erbringende Leistung beeinflussen konnten, war die Öffnungsklausel sachgerecht und geboten. Dies gilt umso mehr als eine Taxe oder übliche Vergütung i. S. von § 612 Abs. 2 BGB, die für die Vergütung zusätzlicher oder höherwertiger Dienstleistungen gesondert herangezogen werden könnte, für Fälle der vorliegenden Art nicht in Betracht kam. Den Angeklagten nicht unbillig benachteiligend ist die Öffnungsklausel insbesondere auch deshalb, weil darin weder der jeweiligen Gesellschaft, vertreten durch die für den Abschluß und die Änderung der Liquidatorenverträge zuständigen Organe, noch der Treuhand/BvS als einer den Abwicklungsgesellschaften als Alleingesellschafterin wirtschaftlich aufs engste verbundenen Dritten (vgl. dazu Brandner aaO Rdn. 620) ein alleiniges Leistungsbestimmungsrecht zugestanden wird. Vielmehr sollte die Leistungsbestimmung nach dem vom Landgericht festgestellten Willen der Vertragsparteien durch beide Vertragspartner "im Einvernehmen" mit der Treuhand erfolgen.

2. Ist die Bestimmung des Leistungsinhalts - wie hier - nachträglicher Einigung durch die Vertragspartner, gegebenenfalls unter Mitwirkung eines Dritten, vorbehalten, ist bei fehlender Einigung § 315 Abs. 3 BGB analog anzuwenden (Battes in Erman, BGB, 10. Aufl., § 315 Rdn. 2). Da im vorliegenden Fall die jeweiligen Gesellschaften, insbesondere aber die Treuhand/BvS als mitwirkungspflichtige Dritte eine vom Angeklagten beanspruchte Anhebung seiner Honorare ablehnten, mußte der Angeklagte daher zur Durchsetzung seiner Rechte auf eine nach billigem Ermessen zu bemessende Leistung klagen und so eine gerichtliche Leistungsbestimmung herbeiführen (vgl. Gottwald in Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. § 315 Rdn. 30 ff.).

Obwohl es an entsprechenden Gestaltungsurteilen (vgl. dazu Gottwald aaO) bislang fehlt und ein vom Langericht eingeholtes Sachverständigengutachten lediglich auf den ungeprüften Angaben des Angeklagten beruht, hat das Landgericht aus prozeßökonomischen Gründen insoweit auf eine weitere Aufklärung verzichtet und zugunsten des Angeklagten unterstellt, daß ihm Honoraransprüche (mindestens) in Höhe seiner Entnahmen zustehen. Ob diese Verfahrensweise rechtlich zulässig war, kann offenbleiben, weil sie den Angeklagten nicht beschwert. Die zugunsten des Angeklagten erfolgte Unterstellung ist so zu verstehen, daß dem Angeklagten nach Erhebung entsprechender Leistungsklagen gegen die jeweiligen Gesellschaften Ansprüche in Höhe der entnommenen Geldbeträge rechtskräftig zugesprochen werden. Weiter ist davon auszugehen, daß den jeweiligen Gestaltungsurteilen nach dem Inhalt der Öffnungsklausel und deren Auslegung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben rückwirkende Kraft zukommt (vgl. dazu BGH NJW 1996, 1748; 1978, 154; Staudinger/Rieble (2001) § 315 Rdn. 220).

3. Ein durch die Entnahmen den Abwicklungsgesellschaften zugefügter Vermögensschaden wird dadurch jedoch nicht vollständig ausgeschlossen. Ob ein solcher Schaden eintritt, hängt davon ab, ob die durch die Vermögensverfügung herbeigeführte Rechtslage im Einklang mit der materiellen Rechtsordnung steht (BGHR StGB § 266 Abs. 1 - Nachteil 46). Dies trifft hier insoweit zu, als die Abwicklungsgesellschaften - auf der Grundlage der vom Landgericht vorgenommenen Unterstellung - zur Erfüllung der dem Angeklagten rückwirkend zustehenden Honoraransprüche grundsätzlich verpflichtet und durch die vom Angeklagten vorgenommenen Entnahmen von dieser Verpflichtung befreit worden sind. Dem Vermögensnachteil steht ein Vermögenszuwachs in gleicher Höhe gegenüber. Dementsprechend hat das Landgericht mit Recht einen Vermögensschaden nicht in Höhe der vom Angeklagten an sich selbst ausgezahlten Honorare angenommen.

4. Das Verhalten des Angeklagten entsprach jedoch insofern nicht der materiellen Rechtsordnung, als die von ihm beanspruchten Honorarforderungen im Zeitpunkt der Entnahmen noch nicht fällig waren.

a) Soweit der Angeklagte vor Abschluß seiner Tätigkeit im Rahmen der Anstellungsverträge Abschlagszahlungen auf die Regelvergütung entnommen hat, die über 80 % des Pauschalhonorars hinausgingen, liegt dies angesichts der eindeutigen vertraglichen Regelungen auf der Hand.

b) Zum Zeitpunkt der Entnahmen standen ihm jedoch auch keine Abschlagszahlungen zu, die sich aus der sogenannten Öffnungsklausel durch den Ansatz eines höheren Multiplikators und eines sich daraus ergebenden höheren Pauschalhonorars rechtfertigen könnten.

Unabhängig von der Frage, ob die gerichtliche Leistungsbestimmung gemäß § 315 Abs. 3 BGB im Einzelfall Rückwirkung entfaltet, wird die vom Schuldner zu erbringende Leistung erst mit der Rechtskraft des Gestaltungsurteils fällig (BGHZ 122, 32, 45 f.; BGH NJW 1996, 1054, 1056; Battes in Erman, BGB, 10. Aufl., § 315 Rdn. 13; Heinrichs in Palandt, BGB, 60. Aufl. § 284 Rdn. 13; § 315 Rdn. 13). Vorher gerät der Schuldner grundsätzlich nicht in Verzug (Staudinger/Rieble (2001) § 315 Rdn. 219, 221; Gottwald in Münchener Kommentar, BGB, 3. Aufl., § 315 Rdn. 27; Heinrichs aaO). Da solche Gestaltungsurteile bislang nicht ergangen, geschweige denn rechtskräftig geworden sind, konnte für die erhöhten Honorarforderungen des Angeklagten keine Fälligkeit eintreten.

Gleiches gilt für Abschlagszahlungen im Vorgriff auf künftig fällig werdende Honorarforderungen. Zwar waren derartige Abschlagszahlungen durch die jeweiligen Anstellungsverträge nicht grundsätzlich ausgeschlossen (insoweit mißverständlich UA 68 oben). Vielmehr ergibt sich - wie das Landgericht im Ergebnis auch nicht verkannt hat - aus der Öffnungsklausel in Verbindung mit der vertraglichen Regelung über Abschlagszahlungen, daß auch der Zahlungsplan und die Höhe der jeweiligen Abschlagszahlungen einer nachträglichen Anpassung zugänglich sein sollten. Nach Sinn und Zweck der Öffnungsklausel sollte eine Anpassung von Abschlagszahlungen (soweit es sich nicht lediglich um eine Anpassung entsprechend der vom Angeklagten aktualisierten Werte der Teilungsmasse handelte) aber ersichtlich in gleicher Weise erfolgen wie eine Anpassung des Pauschalhonorars insgesamt, d. h. entweder durch eine Einigung der Vertragsparteien im Einvernehmen mit der Treuhand/BvS oder durch gerichtliche Bestimmung. Solange über die Berechtigung eines erhöhten Pauschalhonorars nicht einmal ein Mindestkonsens der nach der Öffnungsklausel zu Nachverhandlungen verpflichteten Beteiligten erreicht war, fehlte es für zusätzliche Abschlagszahlungen über den ursprünglichen Zahlungsplan hinaus an jeglichen Anknüpfungskriterien für deren zeitliche und betragsmäßige Festsetzung. Auch insoweit hätte es daher hier mangels Einigung der Vertragsparteien und der Treuhand/BvS aus Gründen der Rechtsklarheit der gerichtlichen Bestimmung bedurft, wie sie im übrigen § 7 VergütVO für den Konkursverwalter in vergleichbarer Situation vorsieht. Bis zum Sommer 1997 hatte sich der Angeklagte jedoch bereits in 44 der insgesamt 47 abgeurteilten Fälle eigenmächtig Abschlagszahlungen zugebilligt, ohne eine gerichtliche Leistungsbestimmung auch nur in Angriff zu nehmen. Bis zum Abschluß des landgerichtlichen Strafverfahrens standen ihm daher auch keine fälligen Ansprüche auf Abschlagszahlungen zu.

Durch den Abzug liquider Geldmittel zur Begleichung nicht fälliger Forderungen ist den Abwicklungsgesellschaften daher ein Nachteil i. S. von § 266 StGB entstanden, weil ihnen die wirtschaftliche Nutzung dieser Geldmittel zu Unrecht entzogen wurde. Ob etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn dem Angeklagten zusätzliche Vergütungen in beträchtlicher Höhe offensichtlich zugestanden hätten, die Weigerungshaltung der Treuhand/BvS bzw. der in ihrem Eigentum stehenden Abwicklungsgesellschaften daher auf eine mutwillige Benachteiligung des Angeklagten gerichtet gewesen wäre, kann offenbleiben, weil diese Voraussetzungen nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen, für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen nicht vorliegen.

5. Da das Landgericht nicht im einzelnen aufzuklären vermochte, welche Entnahmen der Angeklagte im Blick auf die Regelvergütung, welche im Blick auf eine erhöhte Vergütung auf der Grundlage der Öffnungsklausel vorgenommen hat, hat es bei der Berechnung des Zinsschadens den maßgeblichen Zeitraum durch die Abberufung des Angeklagten von seinen Liquidatorenämtern begrenzt. Dadurch wird der Angeklagte nicht beschwert.

6. Entgegen der Auffassung der Revision vermag es den Angeklagten auch nicht zu entlasten, daß die Abwicklungsgesellschaften im Verhältnis zur Treuhand verpflichtet gewesen sein mögen, liquide Mittel zur Rückzahlung ihnen von der Treuhand zur Verfügung gestellter zinsloser Darlehen zu verwenden. Allein die Nutzungsmöglichkeit liquider Geldmittel als solche stellt einen Vermögenswert dar, den das Landgericht in Anlehnung an die § 849, § 246 BGB mit einem Mindestwert von 4 % p.a. zutreffend bewertet hat.

7. Schließlich entfällt ein Schaden nicht, wie der Beschwerdeführer meint, weil zwischen den Ansprüchen der Abwicklungsgesellschaften wegen entgangener Nutzungsmöglichkeit liquider Geldmittel und den vom Landgericht zugunsten des Angeklagten unterstellten Honoraransprüchen eine Aufrechnungsgrundlage bestanden habe. Im maßgeblichen Zeitraum war der Angeklagte mangels Fälligkeit seiner Forderungen zu einer Aufrechnung nicht berechtigt. Eine spätere Aufrechnung, der zudem § 393 BGB entgegenstünde, wäre lediglich Schadenswiedergutmachung, die den Schuldspruch unberührt ließe.

8. Auch die Feststellungen zur subjektiven Tatseite weisen keinen Rechtsfehler auf. Daß sich das Landgericht insbesondere aufgrund von Schreiben des Angeklagten an die Treuhand die Überzeugung gebildet hat, der Angeklagte habe gewußt, daß er zum Zeitpunkt der Entnahmen Honorarverbindlichkeiten der Abwicklungsgesellschaften nicht eigenmächtig vorzeitig "fällig stellen" durfte, stellt eine zulässige tatrichterliche Würdigung dar.

III. Der Strafausspruch hat dagegen keinen Bestand.

Zutreffend hat das Landgericht zugunsten des Angeklagten eine Vielzahl strafmildernder Umstände, wie die lange zurückliegende Tatzeit, fehlende Vorstrafen, Teilgeständigkeit und gewisse Einsicht des Angeklagten, die Dauer des Verfahrens und der erlittenen Untersuchungshaft sowie die zusätzliche Belastung des Angeklagten durch die Vollstreckung zivilrechtlicher persönlicher Arreste berücksichtigt. Wenn es gleichwohl Einzelstrafen, die Geldstrafen von zehn bis 120 Tagessätzen sowie Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und ein Jahr und neun Monaten umfassen, verhängt und auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten erkannt hat, ist dies ersichtlich auf die beträchtliche Gesamtsumme des Nutzungsausfallschadens in Höhe von insgesamt 1,7 Mio. DM zurückzuführen.

Diese Betrachtung trägt den Besonderheiten des Falles jedoch nicht hinreichend Rechnung. So hat das Landgericht, obwohl es wertmäßig einen Anspruch des Angeklagten in Höhe der Entnahmen angenommen hat, insbesondere nicht erkennbar bedacht, daß die Schadenshöhe ganz überwiegend auf die Nachlässigkeit des Angeklagten in der Wahrnehmung seiner eigenen, nach den Feststellungen des Landgerichts berechtigten Interessen zurückzuführen ist. Hätte er, wie es der Regelung des § 315 Abs. 3 BGB entsprach, unverzüglich Klage auf Zahlung weiterer, dem gestiegenen Umfang der von ihm erbrachten Leistungen angemessene Abschlagszahlungen erhoben, wären die Abwicklungsgesellschaften alsbald durch Urteile zu entsprechenden Leistungen verpflichtet worden. Damit hätte sich der Zinsschaden deutlich verringert. Rechtmäßiges Verhalten des Angeklagten hätte daher ebenfalls dazu geführt, daß den Abwicklungsgesellschaften durch - gerichtlich bestimmte - Honoraransprüche liquide Mittel entzogen worden wären. Zwar ändert dies nichts an der Feststellung, daß der Angeklagte die Erfüllung seiner Honoraransprüche noch nicht beanspruchen konnte. Es relativiert jedoch die Bedeutung, die sein Fehlverhalten für die wirtschaftliche Situation der Abwicklungsgesellschaften hatte, beträchtlich. Auch kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Treuhand/BvS als Alleingesellschafterin der Abwicklungsgesellschaften durch ihr zögerliches, schwankendes, über längere Zeiträume schwer überschaubares Verhalten bezüglich der Entlohnung von Liquidatoren am Fehlverhalten des Angeklagten eine gewisse Mitverantwortung trifft. Die Strafe muß daher unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten neu und naheliegend deutlich niedriger zugemessen werden.

Ende der Entscheidung

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