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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.07.2001
Aktenzeichen: AK 10/01
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 310 Abs. 1 Nr. 2
StGB § 275 Abs. 1 Nr. 3
StPO § 121
StPO § 122
StPO § 112 Abs. 1 Satz 1
StPO § 112 Abs. 2 Nr. 2
StPO § 116 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 BJs 79/00 - 4 AK 10/01

vom

12. Juli 2001

in dem Ermittlungsverfahren

gegen

wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung u.a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwaltes sowie des Beschuldigten und seiner Verteidiger am 12. Juli 2001 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:

Tenor:

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach den allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:

1. Der Beschuldigte befindet sich seit 27. Dezember 2000 in Untersuchungshaft aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom selben Tag (2 BGs 202/2000), der durch neuen Haftbefehl vom 15. Juni 2001 (2 BGs 155/2001) ersetzt wurde. Dieser ist damit begründet, daß der Beschuldigte folgender Straftaten dringend verdächtig sei:

- er habe sich im Dezember 2000 im Raum F. an einer von sog. "non-aligned Mudjahedin" gegründeten, auf Dauer angelegten und nach außen abgeschotteten, konspirativ arbeitenden Organisationseinheit mitgliedschaftlich beteiligt, die beabsichtigt habe, zunächst zur Jahreswende 2000/2001 einen Sprengstoffanschlag auf einem belebten öffentlichen Platz in St. zu begehen;

- er habe zur Vorbereitung dieses Anschlags im Zusammenwirken mit den Mitbeschuldigten M. , E. und S. Sprengstoff hergestellt (§ 310 Abs. 1 Nr. 2 StGB);

- er habe zur Täuschung im Rechtsverkehr vier unechte Urkunden hergestellt und fünf unechte oder verfälschte Urkunden gebraucht (§ 267 Abs. 1 StGB);

- er habe mit dem Ziel, einen unechten Führerschein herzustellen, den Vordruck eines französischen Führerscheins verwahrt (§ 275 Abs. 1 Nr. 3 StGB);

- er habe unechte oder verfälschte französische Identitätskarten, Führerscheine und einen gefälschten französischen Reisepaß in der Absicht verwahrt, deren Gebrauch zur Täuschung im Rechtsverkehr zu ermöglichen (§ 276 Abs. 1 Nr. 2 StGB);

- er habe in seiner Wohnung im R. weg in F. zwei Maschinenpistolen "Scorpion" aufbewahrt und diese Waffen sodann den Mitbeschuldigten M. , E. und S. überlassen (§ 52 a Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 3 WaffG); außerdem habe er in dieser Wohnung vier Pistolen und einen Revolver (§ 53 Abs. 1 Nr. 3 a Buchst. a WaffG) sowie drei Gewehre und eine einschüssige Pistole (§ 53 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a WaffG) aufbewahrt; drei der halbautomatischen Pistolen sowie den Revolver habe er den Mitbeschuldigten M. , E. und S. in die Wohnung Si. -Str. in F. überbracht (§ 53 Abs. 1 Nr. 3 a Buchst. b WaffG); - während er die genannten Waffen in seiner Wohnung verwahrte, habe er dort gleichzeitig mindestens 672 g Haschisch gelagert, die zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren und die er noch vor seiner Festnahme veräußert habe.

2. Der Senat stützt seine Entscheidung zur Fortdauer der Untersuchungshaft nicht auf den Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1 und 3 StGB). Zwar belegt das bisherige Ermittlungsergebnis hinreichend, daß der Beschuldigte in ein internationales konspiratives Netz gewaltbereiter islamistischer Fundamentalisten ("non-aligned Mudjahedin") eingebunden ist, aus dem heraus terroristische Anschläge begangen oder vorbereitet werden. Es besteht auch ein Anfangsverdacht (§ 160 Abs. 1 StPO), daß sich der Beschuldigte an einer in der Bundesrepublik Deutschland bzw. speziell im Raum F. aus diesem Netz heraus gegründeten terroristischen Vereinigung beteiligt haben könnte. Jedoch begründen die bisherigen Ermittlungen insoweit noch keinen dringenden Tatverdacht im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO. Es fehlen bisher hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, daß sich aus dem Kreis der genannten islamischen Fundamentalisten in Deutschland Organisationen oder Teilorganisationen herausgebildet hätten, die den Merkmalen entsprechen, die die Rechtsprechung für die Annahme einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung voraussetzt (s. etwa BGHSt 30, 328; 31, 202, 204; 31, 239 f.; BGH NJW 1992, 1518).

3. Dagegen liegen bezüglich der übrigen im Haftbefehl vom 15. Juni 2001 genannten Taten die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus vor.

a) Der dringende Tatverdacht hinsichtlich des Vergehens nach § 310 Abs. 1 Nr. 2 StGB ergibt sich zunächst daraus, daß bei einer Durchsuchung der von den Mitbeschuldigten M. , E. und S. genutzten Wohnung in der Si. -Str. in F. in arabischer Sprache verfaßte Anleitungen, Pläne etc. zur Herstellung von Sprengstoffen und Sprengzündern gefunden wurden sowie in erheblichem Umfang Stoffe, Utensilien, Materialien und Gerätschaften, die laut sachverständiger Begutachtung zur Sprengstoffherstellung geeignet sind. Auch in der Wohnung des Beschuldigten im R. weg wurden Grundstoffe, die zur Herstellung von Sprengstoffen verwendbar sind, diverse elektronische Bauteile, Schaltpläne etc. sichergestellt; außerdem ein Angebot der Fa. Me. über eine Lieferung von 115 kg Kaliumpermanganat, das zur Sprengstoffherstellung verwendet werden kann. Kaliumpermanganat hatte der Beschuldigte, wie er selbst einräumt, im Auftrag der drei Mitbeschuldigten auch aus einer F. Apotheke abgeholt und den Mitbeschuldigten überbracht. Da in zwei in der Si. -Str. sichergestellten Seifendosen, deren Inhalt noch vor Ort aus Sicherheitsgründen gesprengt wurde, Spuren von Triacetontriperoxid (TATP) nachgewiesen werden konnten, liegt auch ein hinreichender Beleg dafür vor, daß die Beschuldigten bereits Sprengstoff fertiggestellt hatten. Daß dieser Sprengstoff für einen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt oder einen Wochenmarkt in St. dienen sollte, folgt aus dem Umstand, daß die Mitbeschuldigten E. und S. am 23. Dezember 2000 unter Angabe falscher Personalien in Ba. zwei Appartements für den Zeitraum vom 25. Dezember 2000 bis 2. Januar 2001 bzw. vom 26. bis 31. Dezember 2000 buchten und sodann von dort aus mit einem vom Beschuldigten in F. angemieteten Pkw eine Fahrt nach St. unternahmen, um die ins Auge gefaßten Tatorte sowie die Routen für An- und Abfahrt auszukundschaften. Die Anmietung des Fahrzeugs durch den Beschuldigten unter dem Falschnamen "K. " wird durch die entsprechenden Vertragsunterlagen und Zeugenaussagen bestätigt. Die Anmietung der Appartements in Ba. wird durch Zeugenaussagen belegt, die Fahrt nach St. und deren Zweck durch den Inhalt eines Videofilms, den die genannten beiden Beschuldigten hierbei aufnahmen, und der bei der Durchsuchung der Wohnung in der Si. -Str. sichergestellt werden konnte. Auch hat der Beschuldigte in seiner Vernehmung vom 12. Februar 2001 bestätigt, daß die Mitbeschuldigten M. , E. und S. die Absicht hatten, Menschen zu töten.

Der dringende Tatverdacht gegen den Beschuldigten bezüglich der Straftaten nach § 276 Abs. 1 Nr. 2 und § 275 Abs. 1 Nr. 3 StGB beruht darauf, daß bei der Durchsuchung der Wohnung R. weg gefälschte, auf den Falschnamen " K. " ausgestellte und mit seinem Lichtbild versehene französische Ausweispapiere aufgefunden wurden, nämlich ein Reisepaß, eine Identitätskarte und ein Führerschein, außerdem falsche französische Identitätskarten auf die Namen "Mc. ", "W. " und "Bo. " sowie ein gefälschter Führerschein auf den Namen "Mc. " und schließlich zusammen mit diversen Fälscherutensilien der Vordruck eines französischen Führerscheins. Der Beschuldigte räumt ein, entsprechende Ausweispapiere zu fälschen.

Unechte Urkunden hat der Beschuldigte hergestellt, indem er am 2. Oktober 2000 die Anmeldung beim Einwohnermeldeamt der Stadt F. und einen Kontoeröffnungsantrag bei der Sparkasse F. , am 9. November 2000 den Mietvertrag für das Appartement R. weg und am 12. Dezember 2000 für den Pkw Opel bei der Autovermietung jeweils mit dem Falschnamen "K. " unterzeichnete (vgl. BGHSt 33, 159, 160 f.). Dies wird durch die entsprechenden schriftlichen Unterlagen belegt. Unechte Urkunden hat er gebraucht, indem er beim Einwohnermeldeamt, bei der Sparkasse und bei Abschluß des Wohnungsmietvertrages den gefälschten französischen Reisepaß auf den Namen "K. " vorlegte und bei Anmietung des Pkw Opel die gefälschte Identitätskarte und den gefälschten Führerschein auf diesen Namen. Auch dies geht aus den entsprechenden schriftlichen Unterlagen hervor.

Die genannten Waffen wurden teils in der Wohnung R. weg , teils in der Wohnung Si. -Str. sichergestellt. Der Beschuldigte hat eingeräumt, die beiden Maschinenpistolen, drei Pistolen und den Revolver zunächst in seiner Wohnung verwahrt und anschließend den Mitbeschuldigten M. , E. und S. überbracht zu haben. Ebenso hat er gestanden, das Haschisch in seiner Wohnung gelagert und noch vor seiner Festnahme veräußert zu haben (vgl. BGHSt 43, 8).

b) Bei dem Beschuldigten besteht aus den im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 15. Juni 2001 genannten Gründen der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Zweck der Untersuchungshaft kann nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug (§ 116 Abs. 1 StPO) erreicht werden.

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der außergewöhnliche Umfang der Ermittlungen haben bisher ein Urteil nicht zugelassen. Die Ermittlungen erstrecken sich gegen eine Vielzahl von Beschuldigten, deren Verbindungen innerhalb der Bundesrepublik, in das europäische Ausland, aber auch in den Mittleren Osten aufzuklären sind. Sie werden durch das konspirative Verhalten der Beschuldigten und ihres Umfeldes erschwert. Es sind mehrere Rechtshilfeersuchen an Ermittlungsbehörden in Frankreich, Großbritannien und Italien notwendig geworden, die zum Teil noch nicht erledigt sind. Durch Wohnungsdurchsuchungen, Telefonabhörmaßnahmen und sonstige Ermittlungen, aber auch durch die Überlassung von Beweisstücken ausländischer Ermittlungsbehörden hat sich eine umfangreiche, durch die laufenden Ermittlungen noch anwachsende Sammlung von Beweismaterial ergeben, deren Auswertung mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist und teilweise sachverständige Begutachtung voraussetzt. Dies wird noch dadurch erschwert, daß eine Vielzahl von Schriftstücken, Abhörprotokollen und auf Datenträgern gespeicherter Dokumente zunächst ins Deutsche zu übersetzen ist, um eine Auswertung erst zu ermöglichen. Es ist kein Anhaltspunkt dafür erkennbar, daß die Ermittlungen bisher nicht mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung betrieben wurden. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der für den Beschuldigten zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).



Ende der Entscheidung

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