Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.12.2003
Aktenzeichen: AnwZ (B) 1/03
Rechtsgebiete: BRAO


Vorschriften:

BRAO § 7 Nr. 9
BRAO § 36a Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

AnwZ (B) 1/03

vom

15. Dezember 2003

in dem Verfahren

wegen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, die Richter Dr. Ganter und Schlick, die Richterin Dr. Otten sowie die Rechtsanwälte Prof. Dr. Salditt, Dr. Wosgien und die Rechtsanwältin Kappelhoff nach mündlicher Verhandlung am 15. Dezember 2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluß des ersten Senats des Brandenburgischen Anwaltsgerichtshofs vom 16. Dezember 2002 und der Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. August 2002 aufgehoben.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Gerichtliche Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben.

Außergerichtliche Auslagen sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, der über kein geregeltes Arbeitseinkommen verfügt, stellte im Februar 2002 den Antrag, ihn zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht Z. und dem Landgericht P. zuzulassen.

Mit Bescheid vom 29. August 2002 hat die Antragsgegnerin den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat die Antragsgegnerin ausgeführt: Es habe begründeter Anlaß bestanden, der Frage eines Vermögensverfalls des Antragstellers nachzugehen. Wegen der unzureichenden Angaben des Antragstellers und - trotz mehrfacher Aufforderung - nicht vorgelegter Nachweise sei eine abschließende Sachverhaltsaufklärung nicht möglich gewesen. Gemäß § 36a Abs. 2 Satz 2 BRAO habe daher dem Zulassungsantrag nicht entsprochen werden können.

Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO) und auch begründet. Jedenfalls aufgrund der Sachlage, wie sie sich im Zeitpunkt der Entscheidung über die sofortige Beschwerde darstellt, hätte der Antrag nicht wegen Vermögensverfalls nach § 7 Nr. 9 BRAO zurückgewiesen werden dürfen.

1. Nach § 7 Nr. 9 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn der Bewerber sich in Vermögensverfall befindet. Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Bewerber in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, diese in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und außerstande ist, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Ein Vermögensverfall wird kraft Gesetzes vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bewerbers eröffnet oder der Bewerber in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 der Insolvenzordnung, § 915 der Zivilprozeßordnung) eingetragen ist. Darüber hinaus sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Bewerber Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall (vgl. Senatsbeschluß vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94 - BRAK-Mitt. 1995, 126).

2. Der Antragsteller war und ist nicht im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Auch sind, soweit ersichtlich, gegen ihn zu keinem Zeitpunkt Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen worden. Allerdings hatte der Antragsteller am 9. Juli 2001 in einer Strafsache vor dem Amtsgericht Z. ausweislich des Protokolls in der Hauptverhandlung angegeben, "hoch verschuldet" zu sein.

Angesichts dieser im Zulassungsverfahren bekannt gewordenen Einlassung des Antragstellers vor dem Strafrichter war es nicht zu beanstanden, daß sich die zur Entscheidung über die Zulassung berufene Stelle - zunächst der Präsident des Oberlandesgerichts, später die Antragsgegnerin - nicht mit der im Zulassungsantrag gemachten Angabe, der Antragsteller lebe in geordneten Vermögensverhältnissen, zufriedengab, sondern vom Antragsteller weitere - zu belegende - Auskünfte über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse verlangte.

Der Antragsteller war darüber hinaus auch dazu verpflichtet, dem Auskunftsersuchen zu entsprechen, soweit die erbetenen Informationen erforderlich waren, um der Zulassungsbehörde ein hinreichend zuverlässiges Bild über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu verschaffen und so den durch die Einlassung des Antragstellers im Strafverfahren aufgekommenen Verdacht eines Vermögensverfalls zu entkräften.

Wenn und soweit dabei durch unzureichende Auskünfte oder Belege ein relevantes Informationsdefizit bestehen bleibt und deshalb eine unverzügliche positive Verbescheidung nicht möglich ist, hat der Bewerber die damit einhergehenden Nachteile in Kauf zu nehmen (vgl. Senatsbeschluß vom 9. Dezember 1996 - AnwZ (B) 47/96 - BRAK-Mitt. 1997, 169, 170 f).

3. Der Antragsteller verfügt über erhebliches Grundvermögen.

a) Er ist zusammen mit seinen beiden Brüdern Mitglied einer Erbengemeinschaft nach seinem am 9. Dezember 2000 verstorbenen Vater. Zum Nachlaß gehören unter anderem das Grundstück E.weg 140 in B. und ein Miteigentumsanteil (1/5) am Grundstück R.weg 35 in B.. Aufgrund der im Testament des Vaters getroffenen Teilungsanordnungen steht dem Antragsteller am Grundstück E.weg 140 ein 2/3-Anteil und vom 1/5-Anteil am Grundstück R.weg 35 ein Viertel zu. Der Antragsteller hat die ihm gebührenden Anteile mit einem Verkehrswert von 400.000 DM (2/3-Anteil E.-weg 140) und 14.700 DM (1/20-Anteil R.weg 35) veranschlagt.

b) Der Antragsteller bewohnt in B. eine in seinem Alleineigentum befindliche Wohnung. Deren Verkehrswert hat der Antragsteller unter Hinweis auf die Wertangabe in dem eine vergleichbare Wohnung in derselben Anlage betreffenden Zwangsversteigerungsbeschluß des Amtsgerichts C. vom 10. August 1999 mit 100.000 DM angegeben. Das Wohnungseigentum ist mit Grundschulden in Höhe von 80.000 DM belastet, die zum 31. Dezember 2001 mit 39.125,69 € valutierten.

c) Des weiteren ist der Antragsteller zusammen mit Frau K. Miteigentümer zu je 1/2 eines in A. (Stadt L.) gelegenen Hausgrundstücks, das 2001 an eine Rechtsanwaltskanzlei vermietet war und auf dem der Antragsteller künftig seine Kanzlei betreiben möchte. Das Grundstück, dessen Verkehrswert der Antragsteller mit 400.000 DM angegeben hat, ist mit einer Grundschuld in dieser Höhe belastet. Das Grundpfandrecht valutierte zum 31. Dezember 2001 - nach den Angaben des Antragstellers - mit einem Betrag von 138.048,81 € bzw. - ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge - mit einem Betrag von 137.401,28 € (31. Dezember 2002: 129.957,71 €).

d) Aus den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, daß der Verkehrswert der dem Antragsteller zuzuordnenden Grundstücke und Grundstücksanteile die Höhe der noch offenen Kreditverbindlichkeiten, die zur Finanzierung der Grundstückskäufe eingegangen worden sind, erheblich übersteigt.

4. Ausgehend von dem aktuellen - am 12. Juni 2003 ergangenen und mit Schriftsatz vom 30. Juni 2003 dem Senat vorgelegten - Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 erzielte der Antragsteller aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit Bruttoeinkünfte von ca. 25.000 DM. Die Gesamteinkünfte aus Vermietung und Verpachtung beliefen sich auf 7.786 DM, wobei zu beachten ist, daß insoweit in dem mit der Beschwerdeschrift vorgelegten Ausgangsbescheid vom 26. September 2002 für das Jahr 2001 wegen der geltend gemachten Werbungskosten noch negative Einkünfte von 5.423 DM ausgewiesen sind, obwohl bezüglich des Grundstücks A. bereits Mieteinnahmen von 12.000 DM berücksichtigt worden waren.

Da aufgrund der vorliegenden Steuerbescheide davon ausgegangen werden kann, daß dem Antragsteller 2001 Mieteinnahmen von mehr als 19.000 DM zugeflossen sind, dürfte dem Antragsteller ein Einkommen zur Verfügung gestanden haben, das - entgegen den Annahmen der Antragsgegnerin und des Anwaltsgerichtshofs - jedenfalls nicht die monatlichen Belastungen unterschritten hat.

Des weiteren ist festzuhalten, daß aufgrund der vorliegenden Unterlagen der Antragsteller offenbar auch 2002 in der Lage war, die laufenden Kredite zu bedienen bzw. die ihm eingeräumten Kreditlinien einzuhalten. Daher rechtfertigen die von der Antragsgegnerin angeführten Gründe es nicht, dem Antragsteller die Zulassung zu versagen.

5. Da sich bis zur Vorlage der Einkommensteuerbescheide im Beschwerdeverfahren die Einkommensverhältnisse des Antragstellers für den hier interessierenden Zeitraum aus der Sicht der Antragsgegnerin und des Anwaltsgerichtshofs deutlich schlechter darstellten als es den tatsächlichen Gegebenheiten entsprach, und die für den Antragsteller nachteiligen Entscheidungen auf die völlig unzulänglichen und unzutreffenden Angaben des Antragstellers zurückzuführen sind, entspricht es nach Auffassung des Senats der Billigkeit (§ 13a FGG), von der Gebührenerhebung und der Erstattung außergerichtlicher Auslagen abzusehen.

Ende der Entscheidung

Zurück