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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.01.2004
Aktenzeichen: AnwZ (B) 26/03
Rechtsgebiete: BRAO, ZPO


Vorschriften:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
ZPO § 807
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

AnwZ (B) 26/03

vom 12. Januar 2004

in dem Verfahren

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert, die Richter Basdorf, Dr. Ganter und Dr. Ernemann sowie die Rechtsanwälte Dr. Schott, Dr. Wüllrich und Dr. Frey nach mündlicher Verhandlung am 12. Januar 2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofes Baden-Württemberg vom 11. März 2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wurde am 28. August 1975 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Die Antragsgegnerin widerrief die Zulassung mit Verfügung vom 11. März 2002 nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls.

Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft ist mit Recht widerrufen worden.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, daß dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlaß der angegriffenen Verfügung erfüllt.

a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Dies wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Schuldnerverzeichnis (§ 915 ZPO) eingetragen ist. Der Antragsteller wurde vor Erlaß der Widerrufsverfügung mit sechs Haftbefehlen, die am 29. November und 12. Dezember 2001 erlassen worden waren, in das Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts P. eingetragen. Die dadurch begründete Vermutung für einen Vermögensverfall hat der Antragsteller nicht widerlegt. Er hat im gerichtlichen Verfahren eingeräumt, daß gegen ihn die in der Widerrufsverfügung aufgeführten Forderungen in Höhe von ca. 767.000 € bestanden und er diesen Verbindlichkeiten damals nicht nachkommen konnte.

b) Anhaltspunkte dafür, daß ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, lagen bei Erlaß der Widerrufsverfügung nicht vor. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern. Ob sich diese Gefahr im Einzelfall realisiert hat, wofür die gegen den Antragsteller erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe (vgl. die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft K. , Zweigstelle P. , vom 2. Juli 2003, Az.: 81 Js 6836/03, und die Strafanzeige der S. AG, M. , gemäß Schreiben ihres Bevollmächtigten Dr. S. vom 2. Oktober 2003) sprechen könnten, bedarf im Rahmen des Widerrufsgrundes nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO keiner Beurteilung, weil die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nach dieser Vorschrift bereits durch den Vermögensverfall indiziert wird.

2. Ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes, der im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356; BGHZ 84, 149), liegt nach den zutreffenden Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs nicht vor. Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller nicht dargetan. Sowohl im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof als auch im Beschwerdeverfahren hat es der Antragsteller - trotz entsprechender gerichtlicher Hinweise - an der hierfür grundsätzlich unerläßlichen umfassenden Darlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse fehlen lassen, namentlich an der Vorlage einer vollständigen - durch Nachweise zu belegenden - Übersicht über die zur Zeit bestehenden Verbindlichkeiten, über erfolgte und für die Zukunft vereinbarte Tilgung und über laufende Einkünfte (st.Rspr., zuletzt BGH, Beschluß vom 29. September 2003 - AnwZ (B) 65/02).

Gegen den Antragsteller wurden zudem am 27. August 2002 drei weitere Haftbefehle gemäß § 807 ZPO erlassen. Der Antragsteller hat am 20. November 2002 die eidesstattliche Versicherung in den von sieben Gläubigern betriebenen Vollstreckungsverfahren abgegeben. Die darauf beruhenden Eintragungen im Schuldnerverzeichnis bestehen fort, so daß der Vermögensverfall des Antragstellers weiterhin gesetzlich vermutet wird. Diese Vermutung hat der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren nicht entkräftet.

Nach dem Vorbringen des Antragstellers betragen dessen Verbindlichkeiten (einschließlich der Nebenforderungen) gegenüber der Sparkasse C. zur Zeit 852.217,14 €. Die Sparkasse hat sich zwar mit Schreiben vom 24. März 2003 bereit erklärt, das von ihr betriebene Zwangsversteigerungsverfahren in das Anwesen L. -Straße 26b in P. für längstens fünf Monate einzustellen. Der Antragsteller hat aber nicht dargelegt, daß er die von der Sparkasse ihm dafür auferlegten Bedingungen erfüllt hat. Davon abgesehen ist der Zeitraum für den vorübergehenden Vollstreckungsaufschub mittlerweile abgelaufen. Der Antragsteller hat ebenfalls nicht dargelegt, daß mit der Sparkasse im Anschluß an den nach der Vereinbarung beendeten Vollstreckungsaufschub eine neue Regelung über die Schuldentilgung getroffen worden wäre. Dies ergibt sich jedenfalls nicht aus der Forderungsaufstellung der Sparkasse in ihrem Schreiben vom 21. November 2003 nebst Anlagen. In dem Schreiben macht die Sparkasse nach Abzug der Beträge von 42.562,50 € und 67.454,25 € aus Lebensversicherungen des Antragstellers noch eine Gesamtforderung von 784.822,63 € geltend. Die Forderung ermäßigt sich zwar durch den Erlös aus der Zwangsversteigerung des Anwesens F. straße 17 in P. , der nach Angaben des Antragstellers 240.000 € beträgt. Es ist jedoch nicht dargetan, wie der noch verbleibende Betrag von mehr als 500.000 € zuzüglich der weiter auflaufenden Zinsen und der weiteren erheblichen Schulden getilgt werden soll. An dieser Einschätzung ändert auch nichts der beabsichtigte, aber ungewisse Verkauf des Wohnhauses L. -Straße 26 b.

Aus der Schuldnerliste, auf die der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung verweist, ist nicht zu entnehmen, daß es sich bei den Forderungen des Antragstellers um liquides Vermögen handelt, mit dem seine Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern kurzfristig getilgt werden können. Die Absicht des Antragstellers, diesen Gläubigern ein Angebot zu machen, die Schulden in monatlichen Raten von 100 € zu tilgen, spricht eher dagegen.

Nach alledem haben sich die Vermögensverhältnisse des Antragstellers seit Erlaß der Widerrufsverfügung nicht durchgreifend gebessert. Von einem Vermögensverfall muß weiterhin ausgegangen werden. Auch die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden besteht fort.



Ende der Entscheidung

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