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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.04.2007
Aktenzeichen: AnwZ (B) 40/06
Rechtsgebiete: BRAO, VwGO, VwVfG


Vorschriften:

BRAO § 46
BRAO § 46 Abs. 1
BRAO § 223 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 43
VwVfG § 35 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

AnwZ (B) 40/06

vom 16. April 2007

in dem Verfahren

wegen Einhaltung des Vertretungsverbots nach § 46 Abs. 1 BRAO

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofes Prof. Dr. Hirsch, die Richter Dr. Ernemann, Dr. Schmidt-Räntsch und Schaal sowie die Rechtsanwälte Dr. Wüllrich, Dr. Frey und Prof. Dr. Stüer nach mündlicher Verhandlung

am 16. April 2007

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. Januar 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig verworfen wird.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die dadurch entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 25.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist seit 1989 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen, seit 1997 als Rechtsanwalt bei dem AG L. und dem LG D. . Neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt war er ständig auch als Syndikusanwalt für verschiedene Wirtschaftsunternehmen tätig, seit dem 1. März 2003 für die R. Deutschland GmbH & Co. KG.

Am 16. Juni 2005 zeigte er der Antragsgegnerin seine Absicht an, seinen Arbeitgeber entgegen § 46 BRAO vor Gericht als Rechtsanwalt zu vertreten. Er halte die Norm für verfassungswidrig. Falls die Antragsgegnerin damit nicht einverstanden sei und dies für unzulässig halte, bitte er um einen entsprechenden Bescheid. Die Antragsgegnerin teilte ihm am 7. Juli 2005 mit, das beabsichtigte Verhalten verstoße gegen § 46 BRAO. Deshalb könne sie damit nicht einverstanden sein und habe ihn aufzufordern, sich an § 46 BRAO zu halten.

Dagegen hat der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und zur Begründung vorgetragen, § 46 BRAO greife in unverhältnismäßiger Weise in seine Berufsausübungsfreiheit ein. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Mit seiner von dem Anwaltsgerichtshof zugelassenen sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Ziel weiter. Die Antragsgegnerin hält die sofortige Beschwerde für unbegründet, weil der Antrag auf gerichtliche Entscheidung unzulässig sei.

II.

Die vom Anwaltsgerichtshof zugelassene sofortige Beschwerde des Antragstellers bleibt erfolglos. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig.

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist mit dem von dem Antragsteller verfolgten Ziel der Feststellung, dass er auch als Syndikusanwalt berechtigt ist, seinen Arbeitgeber vor Gericht zu vertreten, nicht zulässig.

a) Einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel der Feststellung eines Rechtsverhältnisses entsprechend der verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage nach § 43 VwGO sieht die Bundesrechtsanwaltsordnung für das anwaltsgerichtliche Verfahren nicht vor. Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung setzt vielmehr voraus, dass die Rechtsanwaltskammer eine konkrete Maßnahme ergriffen hat, die geeignet ist, den Rechtsanwalt in seinen Rechten zu beeinträchtigen. Nur diese ist angreifbar. Die Überprüfung gesetzlicher Vorschriften ist inzident nur möglich, soweit sich die Rechtsanwaltskammer bei der angegriffenen Maßnahme auf sie gestützt hat. Eine von dem Erlass einer Einzelmaßnahme losgelöste Prüfung gesetzlicher Vorschriften lässt die Bundesrechtsanwaltsordnung nicht zu.

b) Dadurch entsteht auch keine Rechtsschutzlücke, die zur Verwirklichung effektiven Rechtsschutzes die ausnahmsweise Zulassung eines solchen Antrags erforderte.

aa) Solange die Rechtsanwaltskammer gegen den einzelnen Rechtsanwalt nicht vorgeht, wird dieser in seinen Rechten nicht beeinträchtigt. Ein Rechtsanwalt, der eine Verhaltens- oder Verbotsnorm für verfassungswidrig hält, kann die Verfassungswidrigkeit nicht abstrakt gerichtlich geltend machen. Er sieht sich deshalb vor die Alternative gestellt, sich normenkonform zu verhalten und das Recht, dessen er sich berühmt, nicht weiter zu verfolgen, oder aber gegen die Norm zu verstoßen, um eine Reaktion der Kammer zu provozieren, gegen die er gerichtlich vorgehen kann. Darin liegt aber keine unzumutbare Erschwerung des Rechtsschutzes.

bb) Die Rechtsanwaltskammer ist nämlich keineswegs gezwungen, auf einen solchen Verstoß mit anwaltsgerichtlichen Maßnahmen zu reagieren oder etwa eine Rüge auszusprechen, die dann vor dem Anwaltsgericht angefochten werden müsste. Sie hat nach der Rechtsprechung des Senats vielmehr die Möglichkeit, dem Rechtsanwalt nach dem eingetretenen Verstoß eine missbilligende Belehrung zu erteilen, die der Rechtsanwalt vor dem Anwaltsgerichtshof angreifen kann (BGHZ 153, 61, 63; Beschl. v. 18. November 1996, AnwZ (B) 20/96, NJW-RR 1997, 759; Beschl. v. 17. Dezember 2001, AnwZ (B) 12/01, NJW 2002, 608; vgl. auch BVerfGE 50, 16, 27). Das erlaubt eine von standesrechtlichen Vorwürfen freie Prüfung eines konkreten Anwendungsfalls der fraglichen Norm und ist insbesondere dann angezeigt, wenn der Rechtsanwalt der Rechtsanwaltskammer deutlich macht, dass er sich standesrechtskonform verhalten und nur eine Prüfung der Norm erreichen will. In einem solchen Verfahren ist der Rechtsanwaltskammer eine sachgerechte Prüfung auch der zugrunde liegenden Normen möglich. Es bietet zudem auch dem Rechtsanwalt selbst die Möglichkeit, die von ihm angestrebte Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Norm zuzuspitzen, was gerade dann angezeigt ist, wenn, wie hier, ihre Unverhältnismäßigkeit geltend gemacht wird. Ein Bedürfnis, für solche Zwecke einen in der Bundesrechtsanwaltsordnung nicht vorgesehenen Antrag auf gerichtliche Feststellung praeter legem zuzulassen, besteht angesichts dieser ausreichenden Rechtsschutzmöglichkeiten nicht.

c) Aus der Rechtsprechung insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts zur fachgerichtlichen Überprüfung von Normen ergibt sich nichts anderes. Diese Rechtsprechung unterstützt diese Erwägungen vielmehr. Danach kommt die Überprüfung einer Rechtsverordnung (BVerwGE 111, 276, 278) oder eines Parlamentsgesetzes (BVerwGE 51, 69, 71) nur in Betracht, wenn ein konkretes Anliegen verfolgt wird. Die Überprüfung scheidet dagegen gewöhnlich aus, wenn lediglich die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage aufgrund eines nur erdachten oder eines Sachverhalts angestrebt wird, dessen Eintritt ungewiss ist (so ausdrücklich BVerwGE 111, 276, 278). Auch die von dem Bundesverfassungsgericht postulierte Zulässigkeit einer allgemeinen Feststellungsklage zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Rechtsverordnungen (NVwZ 2005, 79) zielt nicht auf eine Prüfung theoretischer Rechtsfragen. Das Bundesverfassungsgericht möchte mit der fachgerichtlichen Vorprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Rechtsverordnungen gerade auch die Klärung der tatsächlichen Grundlagen für diese Prüfung erreichen (NVwZ 2005, 79, 80). Das ist im anwaltsgerichtlichen Verfahren, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, nur auf dem beschriebenen Weg der missbilligenden Belehrung sachgerecht möglich.

2. Der Antrag kann auch nicht in einen Antrag auf Anfechtung einer in dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 7. Juli 2005 liegenden Maßnahme umgedeutet werden. Denn dieses Schreiben stellt keine anfechtbare Maßnahme dar.

a) Mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann nach § 223 Abs. 1 Satz 1 BRAO vorbehaltlich hier nicht einschlägiger Sonderregelungen nur ein Verwaltungsakt angefochten werden, der nach oder aufgrund der Bundesrechtsanwaltsordnung ergeht. Das erfordert eine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG oder eine andere Maßnahme, die geeignet ist, in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts einzugreifen (BVerfGE 50, 16, 27; Senat, Beschl. v. 18. November 1996, AnwZ (B) 20/96, NJW-RR 1997, 759; Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 223 Rdn. 6). An beidem fehlt es.

b) Die Antragsgegnerin hat im Fall des Antragstellers keine Regelung getroffen.

aa) Der Antragsteller hat an die Antragsgegnerin kein konkretes Anliegen herangetragen, dass diese durch eine Verfügung im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG hätte regeln können. Er hat ihr zwar angezeigt, er beabsichtige, seinen Arbeitgeber in Rechtsangelegenheiten vor Gericht als Rechtsanwalt zu vertreten. Er hat damit aber kein konkretes Anliegen verbunden. Er hat auch kein konkretes Verfahren bezeichnet, in welchem er seinen Arbeitgeber als Rechtsanwalt vertreten will. Der Antragsteller hat nicht einmal erkennen lassen, wie er sich letztlich verhalten werde. Er hat sich vielmehr darauf beschränkt, die Antragsgegnerin um eine rechtliche Bewertung seiner Absicht zu bitten. Damit fehlte es schon an einem regelungsfähigen Sachverhalt.

bb) Die Antragsgegnerin hat eine nach § 223 Abs. 1 Satz 1 BRAO anfechtbare Regelung auch nicht dadurch getroffen, dass sie der Mitteilung ihrer Rechtsansicht hinzusetzte, sie habe den Antragsteller aufzufordern, sich an die Vorschrift des § 46 BRAO zu halten.

(1) Eine Aufforderung, sich an das Gesetz zu halten, kann zwar nach den Umständen des Einzelfalls inhaltlich einer Unterlassungsanordnung gleichkommen. Die Anordnung der Rechtsanwaltskammer an einen Rechtsanwalt, ein bestimmtes Tun zu unterlassen, stellte eine Regelung dar, die nach § 223 Abs. 1 Satz 1 BRAO angefochten werden könnte. Sie wäre auch rechtswidrig, weil es für solche Maßnahmen der Rechtsanwaltskammern an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage fehlt (Senat, BGHZ 153, 61, 64 f.).

(2) Das hilft dem Antragsteller indessen nicht. Regelungscharakter kann die Aufforderung an einen Rechtsanwalt, sich an eine Vorschrift des Gesetzes zu halten, nur haben, wenn sie sich auf ein bestimmtes Verhalten des Rechtsanwalts bezieht. Daran fehlt es hier. Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin lediglich mit seiner allgemeinen Absicht befasst, seinen Arbeitgeber als Rechtsanwalt vor Gericht zu vertreten, und keinerlei konkrete Einzelheiten mitgeteilt. So blieb etwa offen, ob er in Verfahren mit notwendiger anwaltlicher Vertretung auftreten wollte. Die Antragsgegnerin hat sich auch nur mit dieser allgemeinen Absicht befasst. Dann aber bleibt die Aufforderung, sich an § 46 BRAO zu halten, eine Belehrung über die Rechtslage ohne Regelungsgehalt. Daran ändert das vorsorglich erklärte "Anerkenntnis" der Antragsgegnerin vor dem Senat nichts.

c) Die Antragsgegnerin hat auch sonst nichts unternommen, das geeignet wäre, den Antragsteller in seinen Rechten zu beeinträchtigen.

aa) Eine solche Maßnahme kann zwar in einer missbilligenden Belehrung zu sehen sein (BVerfGE 50, 16, 27; Senat, BGHZ 153, 61, 63; Beschl. v. 18. November 1996, AnwZ (B) 20/96, aaO; Beschl. v. 17. Dezember 2001, AnwZ (B) 12/01, NJW 2002, 608). Eine missbilligende Belehrung liegt aber nur vor, wenn ein bestimmter zurückliegender Vorgang negativ bewertet oder aus ihm ein Vorwurf gegen den Rechtsanwalt abgeleitet wird (Senat, wie vor).

bb) Diese Voraussetzung erfüllt das Schreiben der Antragsgegnerin vom 7. Juli 2005 nicht. Es behandelt keinen bestimmten zurückliegenden Vorgang und leitet aus einem solchen Vorgang auch keinen Vorwurf gegen den Antragsteller ab. Es handelt sich lediglich um eine Auskunft, die nicht geeignet ist, (Grund)-Rechte eines Rechtsanwalts zu beeinträchtigen (Senat, Beschl. v. 18. November 1996, AnwZ (B) 20/96, aaO; Beschl. v. 6. März 2006, AnwZ (B) 38/05, NJW 2006, 2926, 2927). Auch aus der bereits erwähnten Aufforderung der Antragsgegnerin, § 46 BRAO einzuhalten, ergibt sich nichts anderes. Eine solche Aufforderung kann zwar auch Ausdruck des Vorwurfs sein, die einzuhaltende Vorschrift missachtet zu haben. Das setzt aber einen konkreten Sachverhalt voraus, an dem ein solcher Vorwurf anknüpfen könnte, an dem es hier, wie ausgeführt, fehlt.

Ende der Entscheidung

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