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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.10.1999
Aktenzeichen: AnwZ B 100/98
Rechtsgebiete: BRAO, FGG


Vorschriften:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 8 a.F.
BRAO § 42 Abs. 4 Satz 1
BRAO § 42 Abs. 6 Satz 2
FGG § 22 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

AnwZ (B) 100/98

vom

18. Oktober 1999

in dem Verfahren

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert, die Richter Basdorf und Terno, die Richterin Dr. Otten sowie die Rechtsanwälte Dr. von Hase, Dr. Schott und Dr. Körner

am 18. Oktober 1999 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des ersten Senats des Anwaltsgerichtshofes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 18. September 1998 wird unter Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig verworfen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100.000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist seit 1987 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Seine Zulassung ist mit Verfügung des früheren Antragsgegners, des Präsidenten des Oberlandesgerichts Köln, vom 18. Februar 1998 gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO a.F. wegen Vermögensverfalls widerrufen worden. Den gegen die Widerrufsverfügung gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof am 18. September 1998 zurückgewiesen.

Gegen diesen dem Antragsteller am 17. November 1998 zugestellten Beschluß richtet sich dessen sofortige Beschwerde. Das Rechtsmittel ist erst am 8. Dezember 1998 beim Anwaltsgerichtshof eingegangen; zugleich hat der Beschwerdeführer - unter Vorlage einer gutachterlichen Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie Professor Dr. M. aus Köln - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist beantragt.

II.

Das Rechtsmittel ist wegen Versäumung der Beschwerdefrist (§ 42 Abs. 4 Satz 1 BRAO) unzulässig. Die Voraussetzungen für die Erteilung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO, § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG) liegen nicht vor.

Es ist nicht glaubhaft, daß der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert war, die zweiwöchige Beschwerdefrist einzuhalten. Nach der gutachterlichen Stellungnahme und den weiteren zur Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgesuchs vorgelegten Erklärungen ist zwar plausibel, daß das Widerrufsverfahren den Beschwerdeführer psychisch schwer belastet hat, nicht hingegen darüber hinaus, daß er deshalb krankheitsbedingt außerstande gewesen wäre, die Beschwerdefrist einzuhalten.

Allerdings ist anerkannt, daß ein Rechtsmittelführer ohne Verschulden an der Einhaltung der Rechtsmittelfrist verhindert ist, wenn er beispielsweise geistig unfähig war, einen Entschluß zu fassen, insbesondere unter Abwägung des Für und Wider eine sachgerechte Entscheidung über die Einlegung des Rechtsmittels zu treffen (BGH, Beschluß vom 7. März 1985 - IX ZB 16/85 -, VersR 1985, 550). Ein vergleichbarer geistiger Ausnahmezustand wird dem Antragsteller in der gutachterlichen Stellungnahme des Psychiaters Professor Dr. M. bescheinigt, den er auf Anraten seines Verfahrensbevollmächtigten aufgesucht hat. Der Sachverständige gelangt zu dem Ergebnis, das Verhalten des Antragstellers entspreche einer akuten Belastungssituation, seine psychische Erlebensfähigkeit sei eingeengt gewesen bzw. er habe das für ihn traumatische Ereignis, den Lauf der Beschwerdefrist, völlig ausgeblendet und habe ähnlich wie in einem Dämmerzustand das für seine berufliche Situation entscheidende Ereignis nicht zu realisieren vermocht. Diese Beurteilung, die auf den Angaben des Antragstellers beruht, wird jedoch dem tatsächlichen Geschehen nicht gerecht. Zwar ist es unter Zugrundelegung des Vorbringens des Antragstellers nicht undenkbar, daß er bei der Besprechung mit seinem Verfahrensbevollmächtigten am 23. November 1998 und bei dem Telefongespräch am 24. November 1998, als er seine Zulassungssache erwähnte, die schon erlassene Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs und die laufende Frist verdrängt hat. Entgegen seinen Angaben gegenüber dem Sachverständigen ist es aber nicht zutreffend, daß ihm die Beschwerdefrist erst am Tage nach ihrem Ende, am 2. Dezember 1998, wieder "eingefallen" wäre, sein Gehirn demzufolge bis nach Fristablauf gleichsam ausgesetzt hätte. Wie der eidesstattlichen Versicherung des Bürovorstehers seines Verfahrensbevollmächtigten zu entnehmen ist, hat er bei einem Anruf am Tage des Fristablaufs, am 1. Dezember 1998, dringend um einen Termin "in einer Fristsache" gebeten und auf die Rückfrage, ob der 2. Dezember 1998 früh genug sei, dies ausdrücklich bestätigt. Hieraus folgt, daß ihm jedenfalls am 1. Dezember 1998 bewußt geworden war, daß ein Fristende unmittelbar bevorstand. Wenn er dann trotz Rückfrage des Bürovorstehers die Frist nicht nachprüfte, beruht dies mindestens auch auf Nachlässigkeit und insoweit keinesfalls mehr auf gänzlich unverschuldeten andauernden Nachwirkungen eines psychischen Ausnahmezustandes. Noch am 1. Dezember 1998 wäre es dem Antragsteller möglich gewesen, durch Telefax eine nicht weiter zu begründende Beschwerdeschrift einzureichen bzw. einreichen zu lassen.

Nur am Rande sei bemerkt, daß die von der Antragsgegnerseite im einzelnen dargestellten und vom Antragsteller nicht bestrittenen Vorgänge während seiner rund zehnjährigen Anwaltstätigkeit seine Neigung belegen, notwendige Aktivitäten in unangenehmen Angelegenheiten zu unterlassen, insbesondere auch ihm gesetzte Fristen nicht einzuhalten.

Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung (BGHZ 44, 25), auf welche die Beteiligten auch verzichtet haben.

Im übrigen bestünden durchgreifende Bedenken, daß der Beschwerdeführer in der Sache hätte Erfolg haben können. Der angefochtene Beschluß läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Vermögensverfall lag zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufs der Zulassung unzweideutig vor. An einer Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse im Sinne der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150) fehlte es ebenfalls. Hiervon muß mindestens nach Erkenntnis über eine weitere gegen den Beschwerdeführer geltend gemachte, durch Versäumnisurteil titulierte Forderung, zu welcher er sich trotz wiederholt gegebener Gelegenheit nicht hinreichend substantiiert erklärt hat, auch weiterhin ausgegangen werden.

Ende der Entscheidung

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