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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.04.2002
Aktenzeichen: BLw 29/01
Rechtsgebiete: BGB, LwAnpG, AGBG, LwVG


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 779
BGB § 138
BGB § 138 Abs. 1
LwAnpG § 44
LwAnpG § 28 Abs. 2
LwAnpG § 44 Abs. 1
LwAnpG § 36 Abs. 1
AGBG § 3
AGBG § 9
LwVG § 44
LwVG § 45
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

BLw 29/01

vom

26. April 2002

in der Landwirtschaftssache

betreffend eine Abfindung nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz

Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat am 26. April 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger und Dr. Lemke sowie die ehrenamtlichen Richter Siebers und Gose

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Landwirtschaftssenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 23. Mai 2001 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Antragsgegnerin in diesem Verfahren außergerichtlich entstandenen Kosten.

Beschwerdewert: 42.237,55 €

Gründe:

I.

Der Antragsteller war seit 1977 Mitglied einer LPG. Am 23. Juli 1991 beschlossen die Mitglieder die Umwandlung der LPG in die Antragsgegnerin. Den Mitgliedern, die anläßlich der Umwandlung aus der Genossenschaft ausscheiden wollten, wurde im Beschluß eine Quote von 20 % ihres Geschäftsguthabens als Abfindung angeboten, wobei sich die Höhe des Abfindungsguthabens aus "den gegenwärtigen Verkehrswerten des vorhandenen Grund- und Umlaufvermögens des umgewandelten Unternehmens" ergeben sollte. Die Eintragung der Umwandlung wurde am 18. März 1992 im Bundesanzeiger bekannt gemacht.

Mit Schreiben vom 17. März 1992 verlangte der Antragsteller sein "anteiliges Vermögen an der ehemaligen LPG ... in Form der 20 %igen Abfindung" und kündigte sein "Mitgliedschaftsverhältnis".

Die Antragsgegnerin errechnete das Geschäftsguthaben des Antragstellers mit 129.685,62 DM. Am 18. Mai 1992 einigten sich die Beteiligten auf eine Zahlung der Antragsgegnerin an den Antragsteller von 25.937,12 DM (20 % aus 129.685,62 DM). Weitere Ansprüche sollten nicht bestehen.

Der Antragsteller hat sein Geschäftsguthaben auf 121.516,86 DM berechnet. Er verlangt von der Antragsgegnerin - nach Abzug geleisteter Zahlungen von insgesamt 38.907,12 DM - restliche 82.609,74 DM zuzüglich Zinsen, hilfsweise, die von der Antragsgegnerin zu leistende Barabfindung auf diesen Betrag zu bestimmen, und höchst hilfsweise die Zahlung desselben Betrags als bare Zuzahlung gemäß § 28 Abs. 2 LwAnpG.

Das Landwirtschaftsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er seine Anträge weiter.

II.

Das Beschwerdegericht verneint einen Anspruch des Antragstellers. Es läßt offen, ob die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 LwAnpG vorliegen. Es meint, jeglicher Anspruch des Antragstellers wegen seiner Mitgliedschaft in der umgewandelten LPG sei durch die Vereinbarung vom 18. Mai 1992 ausgeschlossen. Diese sei weder nach § 138 BGB nichtig noch nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder wegen eines Verstoßes gegen das AGB-Gesetz unwirksam.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

III.

Bei der Entscheidung der Rechtssache kann dahingestellt bleiben, ob die Kündigung des Antragstellers vom 17. März 1992 im Hinblick auf die Eintragung der Umwandlung der Antragsgegnerin zu einem Abfindungsanspruch gemäß § 44 LwAnpG führen konnte (vgl. Senat, BGHZ 125, 166, 169; Senatsbeschl. v. 4. Dezember 1992, BLw 20/92, WM 1993, 1019, 1020, insoweit in BGHZ 120, 349 ff nicht wiedergegeben), ob durch den am 23. Juni 2000 der Antragsgegnerin zugestellten Antrag die Frist zur Bestimmung einer angemessenen Barabfindung durch das Gericht eingehalten wurde (vgl. Senatsbeschl. v. 9. November 2001, BLw 7/01, WM 2002, 34) und ob für einen Anspruch auf bare Zuzahlung überhaupt Raum ist. Mit der Einigung über den von der Antragstellerin zu zahlenden Betrag ist zwischen den Parteien sowohl über das Ausscheiden als auch über die dem Antragsteller wegen seiner Mitgliedschaft in der LPG zustehenden Zahlungsbetrag ein Einvernehmen erzielt worden, das einen Rückgriff auf die gesetzlichen Regelungen ausschließt (vgl. Senatsbeschl. v. 22. Februar 1994, BLw 71/93, in NL-BzAR 1997, 277, 278).

Die Vereinbarung vom 18. Mai 1992 ist entgegen der Auffassung des Antragstellers wirksam.

1. Die Rechtsbeschwerde nimmt die Verneinung einer Nichtigkeit der Vereinbarung vom 18. Mai 1992 durch das Beschwerdegericht unter dem Gesichtspunkt von § 138 BGB hin. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich. Die Tatsache, daß der Antragsteller in dieser Vereinbarung auf 80 % des Betrages, auf den die Antragsgegnerin sein Geschäftsguthaben errechnet hat, verzichtet hat, führt nicht zur Sittenwidrigkeit der vereinbarten Regelung. Der Verzicht auf eine Forderung oder ihr Erlaß sind nur dann nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn der Verzicht oder der Erlaß sich nach der Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck seinem Gesamtcharakter nach als nicht mit den guten Sitten vereinbar darstellt (Senatsbeschl. v. 16. Juni 2000, BLw 19/99, WM 2000, 1762, 1763; BGH, Urt. v. 10. Oktober 1997, V ZR 74/96, NJW-RR 1998, 590). Hieran fehlt es. Dem Antragsteller war die Höhe seines Geschäftsguthabens bekannt. Er wußte, auf welchen Betrag er durch den Abschluß des Vertrages vom 18. Mai 1992 verzichtete. Daß die im Beschluß vom 23. Juli 1991 angebotene Abfindung weit hinter einer angemessenen Abfindung im Sinne von § 36 Abs. 1 LwAnpG zurückblieb (vgl. Senat, BGHZ 131, 260 ff), führt nicht dazu, daß die dem Angebot entsprechende Vereinbarung sittenwidrig wäre. Der angebotene Betrag entsprach nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts dem Verkehrswert der Beteiligung des Antragstellers an der Antragsgegnerin. Daß ein weitaus höherer Betrag anzubieten war, hatte die Rechtsprechung im Jahr 1992 noch nicht entschieden.

2. Die Vereinbarung zwischen den Parteien vom 18. Mai 1992 ist auch nicht nach § 779 BGB oder den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage unwirksam.

Eine Diskrepanz zwischen den Vorstellungen der Vertragsparteien bei Abschluß eines Vertrags oder den einer Partei erkennbar gewordenen Vorstellungen der anderen Partei, auf denen der Geschäftswille beruht, und der bestehenden tatsächlichen Situation oder deren spätere Entwicklung kann zu einer Anpassung der vereinbarten Pflichten oder der Unwirksamkeit der getroffenen Vereinbarung führen, sofern das Festhalten an der vertraglichen Vereinbarung einer oder beiden Parteien nicht zugemutet werden kann. So verhält es sich im vorliegenden Fall nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht. Ist der Beschluß zur Umwandlung einer LPG wegen Fehlens eines Abfindungsangebots oder deshalb nicht wirksam, weil die angebotene Abfindung nicht berechenbar oder das Angebot nicht angemessen ist, erfolgt die Korrektur dadurch, daß die anzubietende Abfindung gerichtlich bestimmt wird (§ 37 Abs. 2 LwAnpG). Diesen möglicherweise langwierigen Weg hat der Antragsteller nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts im Gegensatz zu anderen Mitgliedern der umgewandelten LPG nicht beschritten; vielmehr hat er seinen Austritt aus der Antragsgegnerin erklärt und eine Abfindung akzeptiert, die die Antragsgegnerin in Übereinstimmung mit dem Beschluß der Mitgliederversammlung vom 23. Juli 1991 angeboten hat. Damit war der Beschluß zwar Kalkulationsgrundlage, deren Wirksamkeit aber nicht Geschäftsgrundlage der Vereinbarung vom 18. Mai 1992. Das Beschwerdegericht hat vielmehr fehlerfrei festgestellt, daß mit dieser Vereinbarung gerade auch eine Unsicherheit der Beteiligten über die Rechtsgrundsätze der Bemessung der Abfindung des Antragstellers beseitigt werden sollte. Damit ist die Vereinbarung weder nach § 779 BGB noch unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage unwirksam.

3. Ob das AGB-Gesetz auf die Vereinbarung Anwendung findet (vgl. § 23 AGB-Gesetz), kann dahingestellt bleiben. Die darin liegende Verzichtsklausel ist nämlich in jedem Fall wirksam, denn sie ist weder nach §§ 3, 9 AGBG noch nach den zu § 242 BGB entwickelten Grundsätzen überraschend und benachteiligt den Antragsteller auch nicht entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen. Anders wäre es nur dann, wenn es um den Verzicht gegenüber Dritten ginge (vgl. BGH, Urt. v. 25. Oktober 1984, VII ZR 95/83, NJW 1985, 970 f). Das ist hier jedoch nicht der Fall.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 LwVG.

Ende der Entscheidung

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