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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.08.2000
Aktenzeichen: I ZB 13/00
Rechtsgebiete: GVG, ZPO


Vorschriften:

GVG § 101 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 148
ZPO § 97 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

I ZB 13/00

vom

10. August 2000

in der Beschwerdesache

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. August 2000 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck, Prof. Dr. Bornkamm und Dr. Büscher

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel des Beklagten gegen den Beschluß des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. April 2000 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert der Beschwerde wird auf 50.000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die außerordentliche Beschwerde des Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen.

Das im Gesetz nicht vorgesehene Rechtsmittel der außerordentlichen Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit kann nur in Betracht kommen, wenn die angegriffene Entscheidung jeder rechtlichen Grundlage entbehrt oder mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, weil sie dem Gesetz inhaltlich fremd ist (BGH, Beschl. v. 26.5.1994 - I ZB 4/94, WRP 1994, 763, 764 - Greifbare Gesetzwidrigkeit II, m.w.N.). Davon kann hier nicht ausgegangen werden.

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist eine greifbare Gesetzwidrigkeit nicht deshalb gegeben, weil die Zivilkammer des Landgerichts funktionell nicht zuständig gewesen wäre, über den Aussetzungsantrag zu entscheiden, soweit wettbewerbsrechtliche Anspruchsgrundlagen betroffen sind. Das Oberlandesgericht hat sich der Auffassung des Beklagten nicht angeschlossen, daß die Zivilkammer zunächst seinem Antrag, den Rechtsstreit wegen der wettbewerbsrechtlichen Anspruchsgrundlage an die Kammer für Handelssachen zu verweisen, hätte stattgeben müssen, mit der Folge, daß insoweit dann allein die Kammer für Handelssachen für die Entscheidung über den Aussetzungsantrag funktionell zuständig gewesen wäre. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seines Standpunktes ausgeführt, soweit § 101 Abs. 2 Satz 1 GVG vorsehe, über den Verweisungsantrag "vorab" zu entscheiden, sei damit lediglich gemeint, daß die Entscheidung vor der Verhandlung über die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage getroffen werden müsse. Es kann keine Rede davon sein, daß diese allgemein vertretene Meinung (vgl. etwa Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl. 1999, § 101 GVG Rdn. 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl. 2000, § 101 GVG Rdn. 3; MünchKomm/Wolf, ZPO, § 101 GVG Rdn. 5; Musielak/Wittschier, ZPO, § 101 GVG Rdn. 5; Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 101 GVG Rdn. 7) jeder rechtlichen Grundlage entbehrt oder mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist.

Auch die Erwägungen, mit denen das Oberlandesgericht die Vorgreiflichkeit der beim Hessischen Staatsgerichtshof anhängigen Grundrechtsklage verneint hat, sind nicht greifbar gesetzwidrig. Aus den Ausführungen des Oberlandesgerichts geht hervor, daß es - anders als der Beklagte meint - den Vortrag des Beklagten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, sowohl in dem vorliegenden Rechtsstreit, als auch in dem Rechtsstreit, der Gegenstand der Grundrechtsklage sei, gehe es um dasselbe Gutachten von demselben Rechtsanwalt und dieselbe rechtliche Vorfrage, ob die gegen ihn gerichtete Unterlassungsklage seine Grundrechte verletze. Im Gegensatz zu dem Beklagten, der geltend macht, wegen dieser Übereinstimmungen sei eine gewisse Abhängigkeit des vorliegenden Rechtsstreits von jenem Verfahren und damit Vorgreiflichkeit gegeben, hat das Oberlandesgericht allerdings die Entscheidung des Hessischen Staatsgerichtshofs für den vorliegenden Rechtsstreit schon deshalb nicht für vorgreiflich erachtet, weil die rechtliche Beurteilung der beanstandeten Äußerungen von einer umfassenden Abwägung der Interessen der beteiligten Parteien abhänge.

Ob ein Rechtsstreit im Hinblick auf einen anderen Rechtsstreit, bei dem der Sachverhalt und die Rechtsfragen gleich oder vergleichbar sind, wegen Vorgreiflichkeit nach § 148 ZPO ausgesetzt werden kann, ist umstritten (dagegen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO § 148 ZPO Rdn. 2; Musielak/Stadler aaO § 148 ZPO Rdn. 5; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl. 1994, § 148 Rdn. 16; dafür: MünchKomm/Peters aaO § 148 ZPO Rdn. 9 f.; Zöller/Greger, ZPO, 21. Aufl. 1999, § 148 Rdn. 5). Umstritten ist insbesondere auch, ob wegen einer beim Bundesverfassungsgericht oder bei einem Landesverfassungsgericht - etwa aufgrund einer Verfassungsbeschwerde - anhängigen ähnlichen Sache, eine Aussetzung zulässig ist (dagegen: Musielak/Stadler aaO § 148 ZPO Rdn. 16 m.w.N.; dafür: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO § 148 ZPO Rdn. 29 "Verfassungsrecht"; Stein/Jonas/Roth aaO § 148 Rdn. 117). Es kann dahinstehen, welcher Auffassung der Vorzug zu geben ist. Bereits die Tatsache, daß der Standpunkt des Oberlandesgerichts von einem beachtlichen Teil der Rechtsprechung und des Schrifttums vertreten wird, zeigt, daß die Entscheidung des Oberlandesgerichts, wegen fehlender Vorgreiflichkeit den vorliegenden Rechtsstreit nicht im Hinblick auf die beim Hessischen Staatsgerichtshof anhängige Grundrechtsklage auszusetzen, jedenfalls nicht völlig gesetzesfremd oder gar willkürlich ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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