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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.07.1998
Aktenzeichen: I ZB 24/97
Rechtsgebiete: MarkenG, ZPO


Vorschriften:

MarkenG § 82 Abs. 1
ZPO § 265 Abs. 2
Sanopharm

MarkenG § 82 Abs. 1; ZPO § 265 Abs. 2

§ 265 Abs. 2 ZPO gilt auch im markenrechtlichen (Widerspruchs-)Beschwerdeverfahren.

BGH, Beschl. v. 2. Juli 1998 - I ZB 24/97 - Bundespatentgericht


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

I ZB 24/97

vom 2. Juli 1998

in der Rechtsbeschwerdesache

betreffend die Marke Nr. 1 132 142

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Prof. Dr. Ullmann, Starck und Pokrant

am 2. Juli 1998

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluß des 30. Senats (Marken-Beschwerdesenats VII) des Bundespatentgerichts vom 8. April 1997 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.

Der Wert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

I. Gegen die gemäß § 6 a WZG eingetragene Marke

Salorpharm,

deren Warenverzeichnis - nach dem letzten Stand -

"verschreibungspflichtige pharmazeutische Drogen, Pflaster, Verbandstoffe und chemische Erzeugnisse für Heilzwecke und Gesundheitspflege"

erfaßt, ist (am 17. März 1989) Widerspruch erhoben worden von der zu jenem Zeitpunkt eingetragenen Inhaberin der prioritätsälteren Marke Nr. 502 659

Sanopharm

mit dem Warenverzeichnis

"Arzneimittel, chemische Produkte für medizinische und hygienische Zwecke, pharmazeutische Drogen und Präparate, Pflaster, Verbandstoffe, Tier- und Pflanzenvertilgungsmittel, Desinfektionsmittel, Konservierungsmittel für Lebensmittel".

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentamts hat durch zwei Beschlüsse, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die zeichenrechtliche Übereinstimmung festgestellt und die Löschung des angegriffenen Zeichens angeordnet. Die ernsthafte Benutzung des Widerspruchszeichens für ein Magenmittel sei glaubhaft gemacht worden. Die beiden Zeichen seien verwechslungsfähig.

Dagegen hat die Markeninhaberin Beschwerde erhoben.

Die zwischenzeitliche Umschreibung der Widerspruchsmarke auf deren Erwerberin hat das Bundespatentgericht zum Anlaß genommen, diese als Widersprechende in das Verfahren einzuführen. Dem hat die Markeninhaberin widersprochen.

Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit der (auf die Frage der verfahrensrechtlichen Auswirkung des Wechsels des Inhabers der Widerspruchsmarke beschränkt zugelassenen) Rechtsbeschwerde.

II. Das Bundespatentgericht hat ausgeführt, die im Laufe des Verfahrens eingetragene neue Inhaberin der Widerspruchsmarke sei Verfahrensbeteiligte geworden. Des Einverständnisses der Inhaberin der angegriffenen Marke bedürfe es dafür nicht. Die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Bundespatentgericht schlössen eine entsprechende Anwendung von § 265 ZPO aus. Der anders lautenden Begründung zum Regierungsentwurf zum Markengesetz könne nicht beigetreten werden. Diese erscheine zudem widersprüchlich, als danach § 265 ZPO selbst bei Übertragung der angegriffenen Marke einschlägig sein solle. Die Entscheidung über den Widerspruch gehöre aber zum markenrechtlichen Eintragungsverfahren, an dem bis zur Eintragung immer bloß der Anmelder beteiligt sei, so daß in diesem Stadium allein auf die materielle Rechtslage abgestellt werden könne. Hiervon abzuweichen bestehe auch dann kein Anlaß, wenn in das einheitliche registerrechtliche Verfahren weitere Beteiligte einträten. Das Widerspruchsverfahren betreffe prinzipiell ein Recht; die Person des Inhabers sei für den anderen Verfahrensbeteiligten von untergeordneter Bedeutung. Dementsprechend sehe die Zivilprozeßordnung selbst bezüglich in Registern eingetragener Rechte eine von § 265 ZPO abweichende Regelung vor (§ 266 ZPO). Bei konsequenter Anwendung von § 265 ZPO sei nicht nur die Zustimmung des Prozeßgegners, sondern auch diejenige des bisherigen Markeninhabers erforderlich. Damit könne aber das auf eine rasche Klärung relativer Schutzhindernisse ausgerichtete Widerspruchsverfahren prozessual nicht unerheblich belastet oder sogar gänzlich zum Scheitern gebracht werden, wenn die Widerspruchsfrist längst abgelaufen sei. Erwägungen hinsichtlich der Durchsetzbarkeit eines Kostenerstattungsanspruchs, die bei der Schaffung von § 265 Abs. 2 ZPO eine Rolle gespielt haben mögen, seien hier bloß von untergeordneter Bedeutung, da im allgemeinen jeder Beteiligte des Widerspruchsverfahrens seine eigenen Kosten tragen müsse.

Die Löschungsentscheidung sei zu bestätigen, da die Widerspruchsmarke nach Farm und Umfang rechtserhaltend benutzt worden sei. Die vorgelegten Umsatzzahlen reichten aus. Die Bejahung hinreichender Ernsthaftigkeit der Benutzung hänge nicht von bestimmten Umsätzen ab, sondern davon, ob die vorgenommenen Vertriebshandlungen angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse des Verwenders als finanziell sinnvoll, insbesondere als gewinnversprechend erschienen. Aus der Lauertaxe ergebe sich, daß die Widerspruchsmarke für ein Arzneimittel, nämlich ein Magenmittel, eingesetzt worden sei. Da die Benutzung schon durch die Verkaufszahlen ausreichend belegt sei, komme es nicht mehr darauf an, ob die beim Bundesgesundheitsamt gestellten Anträge auf Zulassung eines Präparats unter der Bezeichnung der Widerspruchsmarke hierfür ausgereicht hätten.

III. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

Die Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung statthaft (§ 83 Abs. 1 Satz 1 MarkenG). Sie ist auch begründet. Bereits die rechtliche Beurteilung der vom Bundespatentgericht als Zulassungsgrund aufgeworfenen Frage, ob § 265 ZPO im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren entsprechend anwendbar sei, führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache. Eine weitere revisionsmäßige Überprüfung der angefochtenen Entscheidung, an welcher das Rechtsbeschwerdegericht durch die Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Bundespatentgericht nicht gehindert ist (vgl. BGHZ 90, 318, 320 - Zinkenkreisel; 130, 187, 191 - Füllkörper; BGH, Beschl. v. 19.6.1997 - I ZB 7/95, WRP 1998, 185, 186 - Active Line), steht sonach nicht an.

Die angefochtene Entscheidung leidet an einem Verfahrensmangel, der zur Zurückverweisung der Sache führt (§ 84 Abs. 2 MarkenG, § 550 ZPO). Die Rechtsnachfolgerin der Inhaberin der Widerspruchsmarke ist nicht Beteiligte des Widerspruchsverfahrens geworden. Deren Antrag konnte nicht zur Bestätigung der Löschungsentscheidung der Markenstelle des Deutschen Patentamts führen.

1. Auch auf einen Widerspruch, der - wie im Streitfall - vor Inkrafttreten des Markengesetzes (1. Januar 1995) erhoben und auf § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V. mit § 6 a Abs. 3 Satz 3 WZG gestützt worden ist, finden die Vorschriften des Markengesetzes Anwendung, und zwar nicht nur hinsichtlich der materiell-rechtlichen Prüfung der Verwechslungsgefahr (§ 158 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) und der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke (§ 158 Abs. 3 Satz 1 und 2, § 43 Abs. 1 MarkenG), sondern auch bezüglich der Vorschriften des Verfahrens. Das hat das Bundespatentgericht nicht verkannt.

2. Von Rechtsfehlern beeinflußt ist allerdings die Ansicht des Bundespatentgerichts, die neue Inhaberin des Widerspruchszeichens sei trotz fehlenden Einverständnisses der Inhaberin der angegriffenen Marke Verfahrensbeteiligte geworden.

Die ursprüngliche Inhaberin der Widerspruchsmarke blieb Beteiligte des Widerspruchsverfahrens, da die Inhaberin der angegriffenen Marke einem Eintritt der Rechtsnachfolgerin als Widersprechende in das laufende Verfahren nicht zugestimmt hat. § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO findet im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren entsprechende Anwendung (§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG). Besonderheiten des Beschwerdeverfahrens im Markenrecht, welche die gebotene entsprechende Anwendung der Verfahrensvorschriften der Zivilprozeßordnung ausschlössen, bestehen entgegen der Ansicht des Bundespatentgerichts nicht.

a) Das Widerspruchsverfahren ist ein echtes Streitverfahren, das außer von der Amtsermittlung (§ 73 Abs. 1 MarkenG) von der Verhandlungsmaxime und der Dispositionsfreiheit der Verfahrensbeteiligten bestimmt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 14.5.1998 - I ZB 9/96, Umdr. S. 8 - DRAGON, zur Veröffentlichung vorgesehen; auch Beschl. v. 16.12.1966 - Ib ZB 11/65, GRUR 1967, 294, 295 - Triosorbin). Es weist keine solchen verfahrensrechtlichen Besonderheiten auf, die der gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG gebotenen entsprechenden Anwendung der Vorschriften der Zivilprozeßordnung entgegenstehen. Die Anwendung der Verfahrensregeln der Zivilprozeßordnung war schon für das Widerspruchsverfahren nach dem überkommenen Warenzeichenrecht geboten (§ 13 Abs. 3, § 5 WZG; § 99 Abs. 1 PatG). Hierzu rechnen auch die Vorschriften der §§ 265, 325 ZPO bei einem Wechsel in der Person eines Verfahrensbeteiligten (vgl. BGHZ 72, 236, 241 f. - Aufwärmvorrichtung; 117, 144, 146 f. - Tauchcomputer; Benkard/Schäfers, PatG, 9. Aufl., § 99 Rdn. 6). Daran hat sich mit Inkrafttreten des Markenrechtsreformgesetzes nichts geändert. In der Begründung des Entwurfs zu § 28 MarkenG (BT-Drucks. 12/6581 S. 85) heißt es folglich ausdrücklich, daß im Fall der Rechtsnachfolge nach Erhebung des Widerspruchs die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Wirkung einer Rechtsnachfolge auf anhängige Verfahren (§§ 265, 325, 66 ff. ZPO) entsprechende Anwendung finden (vgl. auch Fezer, Markenrecht, § 28 MarkenG Rdn. 16).

b) Der gegenteilige Standpunkt des Bundespatentgerichts (vgl. auch BPatG Mitt. 1997, 162, 163; Ingerl/Rohnke, Markengesetz § 28 Rdn. 9; Althammer/Ströbele, Markengesetz, § 28 Rdn. 10), eine Änderung der Inhaberschaft der Marke müsse notwendigerweise auch zu einem Wechsel der Person des Verfahrensbeteiligten im Widerspruchsverfahren führen, beruht auf einer Verkennung wesentlicher verfahrensrechtlicher Grundsätze. Die verfahrensrechtliche Stellung als Partei oder als Beteiligte bleibt von deren materieller Berechtigung unberührt. Die Sachlegitimation hat keinen Einfluß auf die prozessuale Position (vgl. auch BGH GRUR 1967, 294, 295 - Triosorbin). Hieraus erschließt sich der für das markenrechtliche Widerspruchsverfahren gleichermaßen geltende Sinn der Regelung des § 265 Abs. 2 ZPO, daß kein Verfahrensbeteiligter - weder die klagende noch die beklagte Partei, weder die Widersprechende noch die Markeninhaberin - einen Wechsel der gegnerischen Partei hinzunehmen braucht. Diese Regelung dient dem Schutz des Gegners der Partei, auf deren Seite eine Änderung der sachlichen Legitimation eingetreten sein soll, und der Ökonomie des Verfahrens, unbeeinflußt von einer materiell-rechtlichen Änderung der Inhaberschaft des streitbefangenen Gegenstands das Verfahren fortzusetzen (vgl. BGH, Urt. v. 31.10.1974 - III ZR 82/72, LM Nr. 14 zu § 265 ZPO; Urt. v. 4.2.1975 - VI ZR 85/73, NJW 1975, 929; BGHZ 72, 236, 241 f. - Aufwärmvorrichtung; 118, 312, 315; MünchKommZPO/Lüke, § 265 Rdn. 1 ff.; Zöller/Greger, ZPO, 20. Aufl., § 265 Rdn. 1).

Mit der Vorschrift über die Rechtskraftwirkung (§ 325 Abs. 1 ZPO) erlangt das mit der bisherigen Partei fortgesetzte Verfahren auch Wirkung für und gegen den Rechtsnachfolger. Zudem besteht für diesen die Möglichkeit, als Nebenintervenient seinen Standpunkt und seine Interessen im Verfahren geltend zu machen (§ 265 Abs. 2 Satz 2, §§ 66 ff. ZPO). Das sind verfahrensökonomische Regelungen des ordentlichen Streitverfahrens, die im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren von gleichgewichtiger Bedeutung sind. Dies gilt auch für die weitere der Regelung des § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO zukommende Bedeutung, daß der Gegner seine Zustimmung zum Parteiwechsel von der Erwägung abhängig machen kann, ob er sein Kosteninteresse gegenüber der ausscheidenden Partei im fortlaufenden Verfahren als hinreichend gewahrt ansieht, auch wenn - wie das Bundespatentgericht ausführt - im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren eine Kostenerstattungspflicht nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt (vgl. aber § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG). Bei erfolgloser Rechtsbeschwerde der Widersprechenden ist indessen der Ausspruch, daß diese die Kosten der Rechtsbeschwerde zu tragen habe, gesetzlich geboten (§ 90 Abs. 2 MarkenG).

c) Die abweichende Ansicht des Bundespatentgerichts wird auch nicht von dessen weiteren Erwägungen getragen, wonach bei einer konsequenten Anwendung von § 265 ZPO, bei welcher nicht nur die Zustimmung des Prozeßgegners, sondern auch die Zustimmung des bisherigen Markeninhabers (gemeint ist wohl: der bisherigen Widersprechenden) erforderlich sei, das auf eine rasche Abklärung ausgerichtete Widerspruchsverfahren auf diese Weise durch nicht unerhebliche prozessuale Schwierigkeiten belastet, auch zum Scheitern gebracht werden und dann - wegen Ablaufs der Widerspruchsfrist - nicht mehr neu angestrengt werden könnte. Es ist nicht ersichtlich, warum bei einem einverständlichen Parteiwechsel das Widerspruchsverfahren zum Scheitern verurteilt sein sollte. Mit den neuen Parteien wird das Verfahren mit dem bisherigen Verfahrensstand - wozu auch die Zulässigkeit des erhobenen Widerspruchs gehört - fortgesetzt. Kommt es nicht zu einem Parteiwechsel, nimmt das Verfahren mit den Beteiligten ohne jegliche Änderung seinen Fortgang.

IV. Nach alledem ist der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen. Über den Streitfall ist - nach dem gegenwärtigen prozessualen Verhalten der Markeninhaberin - mit der ursprünglich Widersprechenden als Verfahrensbeteiligter erneut zu befinden.

Ende der Entscheidung

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