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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.11.2008
Aktenzeichen: I ZB 46/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 887
ZPO § 888
Ein Gläubiger kann aus einem Vollstreckungstitel, der den Schuldner zur Beseitigung einer baulichen Anlage verpflichtet, nicht verlangen, dass der Schuldner die Namen und Anschriften der Personen bekannt gibt, an die er das zu beseitigende Gebäude vermietet hat. Dementsprechend kann gegen den Schuldner, der sich weigert, die von dem Gläubiger nachgefragten Namen und Adressen mitzuteilen, kein Zwangsmittel nach § 888 Abs. 1 ZPO festgesetzt werden.
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

am 27. November 2008

durch

die Richter Dr. Bergmann, Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 18, vom 25. April 2008 wird auf Kosten der Rechtsbeschwerdeführer zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 9.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien gehören der Wohnungseigentümergemeinschaft K. 8 in H. an. Die Gläubiger sind Eigentümer von sechs Wohnungen im Erdgeschoss der Wohnanlage, der Schuldner ist Teileigentümer einer von ihm auf dem Grundstück errichteten Tiefgarage, in der sich vermietete Stellplätze befinden. Der Schuldner ist aufgrund eines rechtskräftigen Beschlusses des Landgerichts H. vom 23. September 2004 verpflichtet, das Garagengebäude zu beseitigen. Dieser Verpflichtung ist er bislang nicht nachgekommen.

Die Gläubiger betreiben aus dem Beschluss vom 23. September 2004 die Zwangsvollstreckung. Sie beabsichtigen, das Garagengebäude im Wege der Ersatzvornahme beseitigen zu lassen. Zu diesem Zweck wollen sie zunächst die Mieter des Schuldners auf Duldung in Anspruch nehmen. Sie sind der Ansicht, der Schuldner sei aus dem Vollstreckungstitel verpflichtet, ihnen Namen und Anschriften seiner Mieter mitzuteilen. Der Schuldner hat demgegenüber die Auffassung vertreten, die Klärung von Rechten Dritter könne nicht im Wege der Zwangsvollstreckung aus einem Titel zur Vornahme einer vertretbaren Handlung erfolgen.

Das Amtsgericht hat auf den Antrag der Gläubiger vom 12. November 2007 gegen den Schuldner zur Erzwingung der Mitteilung von Namen und Anschriften seiner Mieter ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 EUR, ersatzweise Zwangshaft, festgesetzt. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerdegericht den Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes zurückgewiesen.

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstreben die Gläubiger die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung. Der Schuldner ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht vertreten gewesen.

II.

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1.

Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass für die von den Gläubigern beabsichtigte Vollstreckung der Beseitigungsverpflichtung nach § 887 ZPO und, zu deren Vorbereitung, für einen nach § 888 ZPO zu vollstreckender Antrag auf Namhaftmachung der Mieter des Schuldners kein Raum sei. Es gebe keine Möglichkeit, dies nach den hier anzuwendenden Vorschriften der Zivilprozessordnung anzuordnen. Im vorliegenden Fall sei ein Beseitigungsanspruch lediglich gegen den Schuldner tituliert, der das Garagengebäude errichtet habe. Aus diesem Titel könne gegen die Mieter nicht vollstreckt und eine Verpflichtung der Mieter könne im Vollstreckungsverfahren nicht erwirkt werden. Vielmehr wäre, wenn der Schuldner den Beseitigungsanspruch nicht freiwillig erfülle, ein Zwangsgeld gegen ihn nach § 888 ZPO zu beantragen und festzusetzen, um ihn zur Erfüllung der rechtskräftig festgestellten Verpflichtung zur Entfernung des Garagengebäudes anzuhalten. Es wäre dann Sache des Schuldners, gegebenenfalls darzulegen, fruchtlos alles in seiner Macht Stehende (z.B. Kündigung, Räumungsklage, Zwangsvollstreckung) getan zu haben, um die Voraussetzungen für die Entfernung des Garagengebäudes zu schaffen.

2.

Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

a)

Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der von dem Schuldner vorzunehmenden Beseitigung der von ihm errichteten Tiefgarage an sich um eine vertretbare Handlung handelt, die der Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO unterliegt. Denn die geschuldete Tätigkeit kann von einem Dritten anstelle des Vollstreckungsschuldners vorgenommen werden, ohne dass es den Vollstreckungsgläubigern darauf ankäme, dass die Beseitigung gerade vom Vollstreckungsschuldner selbst vorgenommen wird (vgl. BayObLG NJW-RR 1989, 462; Staudinger/Wenzel, BGB [2005], § 45 WEG Rdn. 82; MünchKomm.ZPO/Gruber, 3. Aufl., § 887 Rdn. 13; Walker in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., § 887 Rdn. 6). Das Beschwerdegericht hat auch zutreffend angenommen, dass etwas anderes dann gilt, wenn der Vollstreckungsschuldner - wie im Streitfall - das zu beseitigende Objekt an einen Dritten vermietet hat. Gegen den Mieter richtet sich weder der Leistungstitel der Vollstreckungsgläubiger noch kann der Gerichtsvollzieher gegen sie nach § 892 ZPO eingesetzt werden. Die Zwangsvollstreckung ist bei einer derartigen Fallgestaltung nur dann möglich, wenn der Mieter sein Einverständnis mit der durchzuführenden Maßnahme erklärt oder der Vollstreckungsgläubiger einen eigenen Duldungstitel gegen den Mieter erwirkt hat (vgl. BayObLG NJW-RR 1989, 462; Staudinger/Wenzel aaO § 45 WEG Rdn. 83; MünchKomm.ZPO/Gruber aaO § 887 Rdn. 11; vgl. auch BGH, Urt. v. 1.12.2006 - V ZR 112/06, NJW 2007, 432). Fehlt es daran, scheidet eine Vollstreckung nach § 887 ZPO aus (Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 29. Aufl., § 887 Rdn. 1a; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 887 Rdn. 10 und § 888 Rdn. 13 ff.). In einem solchen Fall ist die Zwangsvollstreckung - wovon auch das Beschwerdegericht ausgegangen ist - nach § 888 Abs. 1 ZPO durchzuführen (BayObLG NJW-RR 1989, 462; OLG Stuttgart MDR 2006, 293 f. ; Staudinger/Wenzel aaO § 45 WEG Rdn. 83; Stein/Jonas/Brehm aaO § 888 Rdn. 13; Thomas/Putzo/Hüßtege aaO § 888 Rdn. 3).

b)

Die Rechtsbeschwerde ist der Auffassung, dass ein Gläubiger aus einem Vollstreckungstitel, der auf die Vornahme einer bestimmten, an sich vertretbaren Handlung gerichtet sei, deren Durchführung aber von der Duldung oder Zustimmung eines Dritten abhänge, auch in der Weise vollstrecken könne, dass er den Schuldner auf Auskunft über den Namen und die Adresse des Dritten in Anspruch nehme, um sich selbst einen Duldungstitel gegen den Dritten verschaffen zu können. Denn ein Vollstreckungstitel, der den Schuldner zur Vornahme einer vertretbaren Handlung verpflichte, sei dahingehend auszulegen, dass dem Schuldner damit auch aufgegeben worden sei, dem Gläubiger die Informationen zu erteilen, die dieser zur Erwirkung eines eigenen Duldungstitels gegen den Dritten benötige.

c)

Dieses Vorbringen verhilft der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg.

aa)

Es fehlt schon an der schlüssigen Darlegung der Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO seitens der Vollstreckungsgläubiger. Bei der von dem Schuldner vorzunehmenden Beseitigung des von ihm errichteten Garagengebäudes handelt es sich grundsätzlich um eine vertretbare Handlung, die gemäß § 887 Abs. 1 ZPO zu vollstrecken ist. Danach ist der Gläubiger von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag zu ermächtigen, die geschuldete Handlung auf Kosten des Schuldners vornehmen zu lassen, wenn der Schuldner die titulierte Verpflichtung nicht erfüllt. Die geschuldete vertretbare Handlung wird - wie unter II 2 a ausgeführt - allerdings zu einer unvertretbaren i.S. von § 888 Abs. 1 ZPO, wenn deren Vornahme die Mitwirkung oder Zustimmung von dritten Personen erfordert und diese dazu nicht bereit sind.

Die Gläubiger haben bislang noch keinen Ermächtigungsantrag nach § 887 Abs. 1 ZPO gestellt und auch nicht vorgetragen, dass etwaige Mieter von Stellplätzen eine gegebenenfalls zur Durchführung der Ersatzvornahme erforderliche Zustimmung nicht erteilt haben oder nicht erteilen werden. Bei einem Vorgehen nach § 887 Abs. 1 ZPO, verbunden mit einem Hilfsantrag nach § 888 Abs. 1 ZPO auf Festsetzung von Zwangsgeld wegen Nichtvornahme der möglicherweise unvertretbaren Handlung, wäre es Sache des Schuldners darzulegen, dass und aus welchen Gründen ihm die Vornahme der titulierten Handlung (Abriss des Garagengebäudes) unmöglich ist. Er müsste dazu vortragen, dass Stellplätze (noch) vermietet sind, die Mieter der Beseitigung des Garagengebäudes nicht zustimmen und was er konkret unternommen hat, um den Abriss der Tiefgarage zu ermöglichen (OLG Stuttgart MDR 2006, 293 f. ; Staudinger/ Wenzel aaO § 45 WEG Rdn. 83; Stein/Jonas/Brehm aaO § 888 Rdn. 13 ff.). Solange nicht feststeht, dass eine an sich vertretbare Handlung nicht nach § 887 Abs. 1 ZPO vollstreckt werden kann, ist für die Anwendung des § 888 Abs. 1 ZPO kein Raum.

bb)

Der von den Gläubigern gestellte Antrag, gegen den Schuldner ein Zwangsgeld festzusetzen, ist aber auch dann unbegründet, wenn unterstellt wird, dass es sich bei der titulierten Verpflichtung mangels Zustimmung der Mieter des Schuldners zur Beseitigung des Garagengebäudes um eine unvertretbare Handlung handelt. Die zu vollstreckende Verpflichtung des Schuldners besteht auch dann (nur) in der Beseitigung des Garagengebäudes. Die Verhängung eines Zwangsgeldes nach § 888 Abs. 1 ZPO setzt voraus, dass es sich um eine (nicht vertretbare) Handlung handelt, die ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt. Daraus ergibt sich, dass die objektive oder subjektive Unmöglichkeit der Handlung die Anordnung eines Zwangsgeldes ausschließt (vgl. OLG Stuttgart MDR 2006, 293 f. ; Stein/Jonas/Brehm aaO § 888 Rdn. 10; Staudinger/Wenzel aaO § 45 WEG Rdn. 83). Die Zwangsvollstreckung wegen einer nicht vertretbaren Handlung i.S. von § 888 Abs. 1 ZPO ist grundsätzlich nicht schon dann ausgeschlossen, wenn ein Dritter an der Handlung mitwirken muss. Die Festsetzung von Zwangsgeld oder Zwangshaft ist nur dann nicht möglich, wenn eindeutig feststeht, dass der Vollstreckungsschuldner - erfolglos - alle zumutbaren Maßnahmen einschließlich eines gerichtlichen Vorgehens unternommen hat, um den Dritten zur Duldung der vorzunehmenden Handlung zu veranlassen (BayObLG NJW-RR 1989, 462; OLG Düsseldorf ZMR 2002, 853 f.; OLG Stuttgart MDR 2006, 293 f. ). Die Voraussetzungen für diesen Ausnahmetatbestand hat der Vollstreckungsschuldner im Einzelnen darzulegen (Staudinger/Wenzel aaO § 45 WEG Rdn. 83; Stein/Jonas/Brehm aaO § 888 Rdn. 9, 15).

Ein Titel, der auf die Vornahme einer Handlung gerichtet ist, die von der Mitwirkung eines Dritten abhängt, kann, wenn der Dritte dazu nicht bereit ist, in der Weise vollstreckt werden, dass der Gläubiger nach § 888 Abs. 1 ZPO die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen den Schuldner beantragt, solange dieser nicht alle zumutbaren Maßnahmen (rechtlicher oder tatsächlicher Art) ergriffen hat, um seinerseits den Dritten zur Duldung der geschuldeten Handlung oder Mitwirkung daran zu bewegen. Eine Verpflichtung des Schuldners, dem Gläubiger die Namen und Anschriften von Personen mitzuteilen, damit diese von dem Gläubiger selbst auf Duldung einer gebotenen Vollstreckungsmaßnahme oder Mitwirkung daran in Anspruch genommen werden können, ergibt sich weder aus dem streitgegenständlichen Vollstreckungstitel noch aus § 888 Abs. 1 ZPO. Sofern den Gläubigern gegen den Schuldner ein materiellrechtlicher Anspruch auf Auskunft über die Namen der Mieter des Schuldners zustehen sollte, müssten sie diesen, da darüber in dem dem Vollstreckungstitel zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren nicht entschieden worden ist, gegebenenfalls in einem neuen Verfahren geltend machen.

III.

Danach ist die Rechtsbeschwerde der Gläubiger mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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