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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.03.1999
Aktenzeichen: I ZR 190/96
Rechtsgebiete: UWG, KosmetikVO, EGV, Richtlinie 76/768/EWG


Vorschriften:

UWG § 1
KosmetikVO § 4 Abs. 2
EGV Art. 30
EGV Art. 36
Richtlinie 76/768/EWG über kosmetische Mittel
UWG § 1; KosmetikVO § 4 Abs. 2; EGV Art. 30, 36; Richtlinie 76/768/EWG des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel (ABl. Nr. L 262 vom 27.9.1976, S. 169) in der Fassung der Richtlinie des Rates 88/667/EWG vom 21. Dezember 1988 zur vierten Änderung der Richtlinie 76/768/EWG (ABl. Nr. L 382 v. 31.12.1988, S. 46) Art. 6 Abs. 1 lit. d Halbsatz 3

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 lit. d Halbsatz 3 der Richtlinie des Rates 76/768/EWG vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel (ABl. Nr. L 262 v. 27.9.1976, S. 169) in der Fassung der Richtlinie des Rates 88/667/EWG vom 21. Dezember 1988 zur vierten Änderung der Richtlinie 76/768/EWG (ABl. Nr. L 382 v. 31.12.1988, S. 46) i.V. mit Art. 30, 36 EGV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist der in Art. 6 Abs. 1 lit. d Halbsatz 3 der genannten Richtlinie enthaltene Begriff der "praktischen Gründe" dahin auszulegen, daß er auch die Berücksichtigung einer vom Hersteller- oder Vertriebsunternehmen kosmetischer Mittel - aus wirtschaftlichen Erwägungen und zur Erleichterung der Verkehrsfähigkeit innerhalb der Gemeinschaft - für sinnvoll gehaltene Anbringung der vorgeschriebenen Warnhinweise in mehreren Sprachen zuläßt, wenn dadurch der vollständige Warnhinweis nur auf der Packungsbeilage deutlich lesbar angebracht werden und auf der Verpackung und dem Behältnis aus Platzgründen nur ein Kurzhinweis erfolgen kann? Konkret: Ist es erlaubt, von der Angabe der vollständigen Warnhinweise auf Verpackung und Behältnis abzusehen und dort lediglich einen Kurzhinweis anzubringen, wenn das Unternehmen es aus den genannten Gründen für sinnvoll hält, seine Erzeugnisse in einer einheitlichen Aufmachung in neun Sprachen verschiedener Abnehmerstaaten (davon acht EU-Mitgliedstaaten) auf den Markt zu bringen?

BGH, Beschl. v. 25. März 1999 - I ZR 190/96 - OLG Hamburg LG Hamburg


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

I ZR 190/96

Verkündet am: 25. März 1999

Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Haarfärbemittel

in dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 1998 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Starck, Dr. Bornkamm und Pokrant

beschlossen:

1. Das Verfahren wird ausgesetzt.

2. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 lit. d Halbsatz 3 der Richtlinie des Rates 76/768/EWG vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel (ABl. Nr. L 262 v. 27.9.1976, S. 169) in der Fassung der Richtlinie des Rates 88/667/EWG vom 21. Dezember 1988 zur vierten Änderung der Richtlinie 76/768/EWG (ABl. Nr. L 382 v. 31.12.1988, S. 46) i.V. mit Art. 30, 36 EGV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist der in Art. 6 Abs. 1 lit. d Halbsatz 3 der genannten Richtlinie enthaltene Begriff der "praktischen Gründe" dahin auszulegen, daß er auch die Berücksichtigung einer vom Hersteller- oder Vertriebsunternehmen kosmetischer Mittel - aus wirtschaftlichen Erwägungen und zur Erleichterung der Verkehrsfähigkeit innerhalb der Gemeinschaft - für sinnvoll gehaltene Anbringung der vorgeschriebenen Warnhinweise in mehreren Sprachen zuläßt, wenn dadurch der vollständige Warnhinweis nur auf der Packungsbeilage deutlich lesbar angebracht werden und auf der Verpackung und dem Behältnis aus Platzgründen nur ein Kurzhinweis erfolgen kann? Konkret: Ist es erlaubt, von der Angabe der vollständigen Warnhinweise auf Verpackung und Behältnis abzusehen und dort lediglich einen Kurzhinweis anzubringen, wenn das Unternehmen es aus den genannten Gründen für sinnvoll hält, seine Erzeugnisse in einer einheitlichen Aufmachung in neun Sprachen verschiedener Abnehmerstaaten (davon acht EU-Mitgliedstaaten) auf den Markt zu bringen?

Gründe:

I. Die Beklagte ist Herstellerin und Vertreiberin von Haarpflegeprodukten. Sie vertreibt u.a. Haarfärbemittel unter der Bezeichnung "I. ". Dabei handelt es sich um eine Produktserie mit unterschiedlichen Farbnuancen; die Produktserie ist für Friseure und sonstige gewerbliche Anwender, nicht für den privaten Verbraucher bestimmt. Einzelne Farbnuancen ihrer Färbemittel enthalten die chemischen Substanzen Toluylendiamin und Resorcin. Für diese sind nach Anlage 2 Teil A Nr. 9 bzw. 22, jeweils Spalte f, der Kosmetik-Verordnung Warnhinweise erforderlich. Diese lauten

für Toluylendiamin:

"Nur für gewerbliche Verwendung. Enthält Toluylendiamin. Erzeugnis kann eine allergische Reaktion hervorrufen. Geeignete Handschuhe tragen",

für Resorcin:

"Nur für gewerbliche Verwendung. Enthält Resorcin. Sofort Augen spülen, falls das Erzeugnis mit den Augen in Berührung gekommen ist".

Diese Hinweise druckt die Beklagte nur auf der Packungsbeilage mit ihrem vollständigen Inhalt ab. Auf der Verpackung (Umkarton) und dem Behältnis (Tube) befindet sich lediglich in neun Sprachen (deutsch, französisch, niederländisch, englisch, spanisch, schwedisch, italienisch, portugiesisch und arabisch) folgender Kurzhinweis:

"Nur für gewerbliche Verwendung. Achtung: Gebrauchsanweisung und Warnhinweise beachten".

Außerdem sind auf der Verpackung und dem Behältnis die deklarationspflichtigen Inhaltsstoffe in der Form angegeben, daß sie mittels eines Hinweisschlüssels aus einer Tabelle mit allen sechs Stoffen, die in den einzelnen Produkten der "I. "-Serie enthalten sein können, entnommen werden können. Auf der Verpackung befindet sich zusätzlich noch das Symbol gemäß Anlage 8 zur Kosmetik-Verordnung.

Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hält die Deklarationspraxis der Beklagten für wettbewerbswidrig. Sie hat die Ansicht vertreten, daß die Beklagte nach der dem Gesundheitsschutz dienenden Kosmetik-Verordnung verpflichtet sei, die Warnhinweise mit ihrem vollen Inhalt sowohl auf der Verpackung als auch auf dem Behältnis in der jeweiligen Landessprache des Vertriebslandes - was in der Beschränkung auf dieses Land ohne weiteres möglich sei - anzubringen. Der vollständige Abdruck auf der Packungsbeilage reiche hier nicht aus.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,

Haarfärbemittel der Produktserie "I. " gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen, wenn die in Spalte f der Anlage 2 zur KosmetikVO hinsichtlich bestimmter, in den Färbemitteln enthaltener Stoffe vorgeschriebenen Angaben nicht angebracht sind

1. auf der Verpackung,

2. auf dem Behältnis.

Die Klägerin hat außerdem einen auf die Gestaltung des Beipackzettels und den auf dem Behältnis angebrachten Hinweis bezogenen Hilfsantrag gestellt.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat sich darauf berufen, daß die Kosmetik-Verordnung es ihr erlaube, "aus praktischen Gründen" auf einen vollständigen Abdruck der Warnhinweise auf der Verpackung und dem Behältnis zu verzichten. Sie halte es aus wirtschaftlichen Gründen und im Interesse der Verkehrsfähigkeit für notwendig, die Hinweise in mehreren Sprachen abzudrucken; dies sei auf der Verpackung und dem Behältnis nicht möglich, wenn die Angaben noch deutlich lesbar sein sollen. Es sei ihr als mittelständischem Unternehmen wirtschaftlich nicht zumutbar, für jedes Exportland unterschiedliche Verpackungen herzustellen. Die Verwendung mehrerer Sprachen sei auch wegen des zunehmenden Anteils fremdsprachiger Bevölkerung in Deutschland sinnvoll. Der verkürzte Hinweis auf der Verpackung und dem Behältnis sei auch deshalb ausreichend, weil die in Rede stehenden Produkte lediglich für eine Verwendung durch gewerbliche Abnehmer bestimmt seien.

Das Landgericht hat der Klage mit dem Hilfsantrag stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen.

Das Berufungsgericht (OLG Hamburg NJWE-WettbR 1997, 101 = ZLR 1997, 60) hat die Beklagte nach dem Hauptantrag zur Unterlassung verurteilt.

Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Das Berufungsgericht hat einen Verstoß gegen § 1 UWG i.V. mit § 4 Abs. 2 Nr. 1 KosmetikVO (auf der Grundlage der bis 31.12.1996 geltenden Fassung) bejaht und dazu ausgeführt:

Nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 KosmetikVO seien die nach Spalte f der Anlage 2 der Verordnung erforderlichen Warnhinweise grundsätzlich auf den Behältnissen und Verpackungen von Kosmetika anzubringen. Die grundsätzlich streng auszulegende Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 KosmetikVO sei nach ihrem Wortlaut und ihrem Zweck nicht anwendbar. Das Erfordernis, daß der vollständige Warnhinweis auf den Behältnissen und Verpackungen "aus praktischen Gründen" nicht angebracht werden könne, sei wie in § 4 Abs. 1 KosmetikVO im Sinne von "praktisch unmöglich" zu verstehen. Unmöglich sei die Anbringung hier jedoch nicht. Selbst wenn man aber allgemeine praktische Erwägungen genügen lassen wollte, würde dies am Ergebnis nichts ändern. Denn es müßte sich in der Abwägung zu den Anforderungen an den Verbraucher- und Gesundheitsschutz um praktische Gründe von einer gewissen Erheblichkeit handeln. Davon könne hier nicht ausgegangen werden. Gründe einer - gewissermaßen aus Bequemlichkeit gewählten - einfacheren und leichteren Handhabung für den Hersteller und Vertreiber reichten keinesfalls aus. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie sei, um als mittelgroßes Unternehmen, das international tätig sei, konkurrenzfähig zu bleiben, auch aus Kostengründen nicht in der Lage, für jedes Land gesonderte Packungen herzustellen. Der Kostenvorteil, den die Beklagte durch den Abdruck in neun Sprachen zu erreichen suche, könne nicht ausschlaggebend sein. Rein wirtschaftliche Erwägungen, die für eine in allen Wirtschaftsräumen einheitliche Gestaltung sprächen, rechtfertigten es nicht, Gesichtspunkte des Verbraucher- und Gesundheitsschutzes zurücktreten zu lassen.

III. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des europäischen Gemeinschaftsrechts ab. Vor der Entscheidung über die Revision ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 177 Abs. 1 lit. b, Abs. 3 EGV eine Vorabentscheidung zu den im Beschlußtenor gestellten Fragen einzuholen. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist zur Vorabentscheidung berufen, da es um die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 lit. d der EG-Kosmetik-Richtlinie geht.

1. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Beklagte nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 KosmetikVO grundsätzlich verpflichtet ist, beim Vertrieb ihrer Haarfärbemittel der Produktserie "I. " sowohl auf der Verpackung (Umkarton) als auch auf dem Behältnis (Tube) die in Spalte f der Anlage 2 zur Verordnung enthaltenen Angaben hinsichtlich der Stoffe anzubringen, die in den Färbemitteln enthalten sind. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte unstreitig nicht nachgekommen, da sie den vollständigen Warnhinweis lediglich auf der in den Umkarton eingelegten Packungsbeilage abgedruckt und auf dem Umkarton und dem Behältnis nur einen Kurzhinweis angebracht hat.

Der Streit der Parteien geht darum, ob die Beklagte sich mit Erfolg auf die Ausnahmeregelung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 KosmetikVO berufen kann. Auf den Streitfall ist die ab 1. Januar 1997 geltende Fassung dieser Regelung anwendbar; sie lautet:

"Kann der volle Wortlaut der Angaben aus praktischen Gründen auf dem Behältnis und der Verpackung nicht angebracht werden, so müssen diese Angaben auf einer Packungsbeilage, einem beigefügten Etikett, Papierstreifen oder Kärtchen enthalten sein, auf die der Verbraucher auf dem Behältnis und der Verpackung entweder durch einen verkürzten Hinweis oder durch das in Anlage 8 abgebildete Symbol hingewiesen wird."

Das Berufungsgericht hat diese Ausnahmeregelung eng ausgelegt. Es hat das Erfordernis der "praktischen Gründe" - was der Senat für bedenklich hält - im Sinne von "praktisch unmöglich" verstanden. Wäre dem zu folgen, so würde die Ausnahmeregelung nicht eingreifen, weil davon auszugehen ist, daß die Warnhinweise allein in deutscher Sprache bzw. in der Landessprache des jeweils beabsichtigten Vertriebslandes sowohl auf der Verpackung als auch auf dem Behältnis vollständig und auch hinreichend deutlich, d.h. insbesondere in einer genügenden Schriftgröße, angegeben werden könnten. Im übrigen hat das Berufungsgericht aber selbst für den Fall, daß es auf eine Interessenabwägung ankommen sollte, die Ansicht vertreten, daß die Interessen des Verbraucher- und Gesundheitsschutzes, auf denen die Hinweispflicht beruhe, gegenüber den von der Beklagten angeführten Gründen zurücktreten müßten.

Die Revision macht demgegenüber geltend, die von der Beklagten angeführten wirtschaftlichen Erwägungen, die vor allem in der Möglichkeit eines Produktvertriebs mit einheitlicher Aufmachung in allen europäischen und außereuropäischen Abnehmerstaaten lägen, seien als hinreichende praktische Gründe anzuerkennen. Auch die Lebenserfahrung spreche dafür, die Warnhinweise auf der Verpackungsbeilage ausreichen zu lassen; der Verkehr sei im Arzneimittelbereich seit langem daran gewöhnt, die Angaben zu Nebenwirkungen allein auf einem Beipackzettel zu finden. Zudem diene die von der Beklagten eingeführte Sprachenvielfalt der jeweils angebrachten Hinweise dem Schutz der bei der gewerblichen Verwendung der Haarfärbemittel tätigen ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus verschiedenen Sprachbereichen.

Sollte dem Standpunkt der Revision gefolgt werden, daß ausreichende praktische Gründe für einen Verzicht auf den vollständigen Abdruck der Warnhinweise auf Verpackung und Behältnis vorliegen, so ist für die Prüfung in der Revisionsinstanz davon auszugehen, daß der verkürzte Hinweis und auf der Verpackung zusätzlich der Abdruck des Symbols gemäß Anlage 8 den Anforderungen der nationalen Kosmetik-Verordnung genügen.

2. Die Entscheidung über den Hauptantrag hängt danach maßgebend davon ab, wie das Erfordernis der "praktischen Gründe" im Sinne der Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 der deutschen KosmetikVO auszulegen ist. Da diese Regelung in Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 lit. d Halbsatz 3 der Richtlinie 76/768/EWG, die ebenfalls an den Begriff der "praktischen Gründe" anknüpft, geschaffen worden ist, handelt es sich um eine gemeinschaftsrechtliche Auslegungsfrage.

Die Auslegungsfrage ist nicht eindeutig zu beantworten. Die Auslegung ist daher zur Wahrung der Rechtseinheit in der Europäischen Union dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorbehalten.

Für die enge Auslegung der Ausnahmeregelung durch das Berufungsgericht, die auch im Schrifttum Billigung gefunden hat (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 500, KosmetikVO § 4 Rdn. 25), könnten eine Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen, die der Senat für geboten hält, und der Schutzzweck der Richtlinie 76/768/EWG sprechen. Wie dem 10. Erwägungsgrund der Richtlinie zu entnehmen ist, ist diese insbesondere zum Schutz der Gesundheit der Verbraucher - namentlich vor den Gesundheitsgefahren, die durch Allergierisiken bei Haarfärbemitteln drohen - erlassen worden. Der Verbraucherschutzgedanke könnte es nahelegen, die vollständige Angabe der gebotenen Warnhinweise zumindest in der Landessprache des jeweiligen Vertriebslandes auf Verpackung und Behältnis zu verlangen. Demgegenüber müßte der Wunsch des Herstellers zurücktreten, die Hinweise in möglichst vielen Sprachen anzubringen, um durch eine einheitliche Gestaltung der Verpackung und des Behältnisses den Export innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft zu erleichtern.

Andererseits könnte das vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Verständnis des Begriffs der "praktischen Gründe" aber auch als zu eng angesehen werden, da es auf einen generellen Vorrang des Verbraucherschutzes hinausläuft und kaum Raum für die Anerkennung praktischer Gründe im Rahmen einer Abwägung im Einzelfall läßt. Für eine Auslegung im Sinne der Revision, die bei der im Streitfall gegebenen Sachlage einen Verzicht auf einen vollständigen Abdruck der vorgeschriebenen Angaben auf Verpackung und Behältnis erlauben würde, läßt sich der 2. Erwägungsgrund der Richtlinie 76/768/EWG anführen. Danach ist es Ziel der Richtlinie, die Hersteller von Kosmetika von Hemmnissen des innergemeinschaftlichen Handels zu befreien, die sich aus den unterschiedlichen Anforderungen an Inhaltsstoffe der Produkte in den Mitgliedstaaten ergeben. Ebenso kann sich die Auslegung von Deklarationsvorschriften hemmend auf den innergemeinschaftlichen Handel und den Export außerhalb der Gemeinschaft auswirken, wenn sie verlangt, daß die umfassenden Warnhinweise jeweils in einer Landessprache vollständig auf Verpackung und Behältnis angebracht werden, und Kurzhinweise der vorliegenden Art ("Nur für gewerbliche Verwendung. Achtung: Gebrauchsanweisung und Warnhinweise beachten") in verschiedenen Sprachen als unzureichend angesehen werden. Dem Gesichtspunkt der Erleichterung der Verkehrsfähigkeit innerhalb der Gemeinschaft kommt auch im Blick auf Art. 30, 36 EGV ein erhebliches Gewicht zu. Er könnte - wozu der Senat neigt - die Annahme rechtfertigen, daß die Kurzhinweise unter den hier gegebenen Umständen als ausreichend zu erachten sind, zumal der Verbraucher - worauf er hingewiesen wird - auf eine Packungsbeilage zurückgreifen kann und die in Rede stehenden Haarfärbemittel der Beklagten letztlich nur für die gewerbliche Verwendung (durch Friseure u.ä.) bestimmt sind, wenn auch nicht auszuschließen ist, daß sie den Endverbraucher unmittelbar erreichen. Zutreffend weist die Revision darauf hin, daß der Verwender ebenso wie der Endverbraucher aus dem Umgang mit Arzneimitteln daran gewöhnt sind, für weitergehende Warnhinweise die Packungsbeilagen heranzuziehen. Die streitgegenständliche Art der Deklaration dürfte den Anforderungen des Gesundheitsschutzes hinreichend Rechnung tragen.

Ende der Entscheidung

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