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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 13.07.2006
Aktenzeichen: I ZR 222/03
Rechtsgebiete: UWG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 5
UWG F.: 1. September 2000 § 3
ZPO § 253
Wird eine Klage auf eine irreführende Werbung gestützt, gehört zum schlüssigen Klagevorbringen der Vortrag, in welcher Hinsicht das Verkehrsverständnis von der Wirklichkeit abweicht. Wird im Laufe des Verfahrens vorgetragen, dass die beanstandete Werbung auch noch unter einem anderen, mit der Klage noch nicht vorgetragenen Gesichtspunkt unzutreffend und daher irreführend sei, handelt es sich insofern um einen neuen Streitgegenstand (im Anschluss an BGH, Urt. v. 8.6.2000 - I ZR 269/97, GRUR 2001, 181 = WRP 2001, 28 - dentalästhetika I).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I ZR 222/03

Verkündet am: 13. Juli 2006

dentalästhetika II

in dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. Juli 2001 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 30. Oktober 1996 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist die Zahnärztekammer Nordrhein. Die Beklagte, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betreibt in Düsseldorf ein Zahnlabor, den Handel mit medizinischen Geräten und die Fortbildung auf dem Gebiet der Zahnheilkunde. Außerdem bietet sie zahnärztliche Behandlungen an. Für diese Leistungen warb sie - u.a. in der Zeitschrift "auto, motor und sport" - mit folgendem, im Original mit der schematischen Darstellung einer Zahnwurzel illustrierten Anzeigentext:

dentalästhetica

Institut für orale Implantologie und ästhetische Zahnheilkunde

Unser langjährig erfahrenes Ärzteteam erstellt in ruhiger Atmosphäre ein individuelles Behandlungskonzept für Sie:

- Ästhetische Zahnkonturierung mit Keramik-Schalen (Veneers)

- beim Fehlen von Zähnen möglichst festsitzende Versorgung mit künstlichen Zahnwurzeln (Implantate)

- Komplettbehandlung des Gebisses mit Keramik, Kronen und Inlays

Die Behandlung erfolgt in wenigen Sitzungen und auf Wunsch selbstverständlich unter Vollnarkose.

Die Klägerin hat in dieser Werbung einen Verstoß gegen das für Zahnärzte geltende Werbeverbot und damit gegen § 1 UWG (a.F.) gesehen und die Beklagte in Anspruch genommen, es zu unterlassen, im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs zu Wettbewerbszwecken auf die von ihr angebotenen zahnheilkundlichen Leistungen hinzuweisen. Zwar gelte das standesrechtliche Werbeverbot nicht für die Beklagte unmittelbar, sondern nur für die bei ihr beschäftigten Zahnärzte. Sie dürfe diese Zahnärzte aber nicht an der Beachtung der für sie geltenden standesrechtlichen Pflichten hindern und sei daher mittelbar ebenfalls an das Werbeverbot gebunden. Hilfsweise hat die Klägerin Unterlassung der konkreten Werbung beansprucht und sich zur Begründung auf einen Verstoß gegen § 1 UWG (a.F.) i.V. mit § 3 Satz 2 Nr. 2 lit. a HWG (irreführendes Versprechen eines Heilungserfolges) berufen.

Das Landgericht hat die Beklagte entsprechend dem Hauptantrag verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage mit diesem Antrag abgewiesen, die konkret beanstandete Werbung jedoch unter dem Gesichtspunkt einer irreführenden Werbung nach § 3 UWG (a.F.) untersagt. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof dieses Urteil mit der Begründung aufgehoben, der beanstandeten Werbung sei kein irreführendes Versprechen eines Heilerfolgs zu entnehmen; die weitergehende Annahme einer irreführenden Werbung gehe über die gestellten Anträge hinaus (BGH, Urt. v. 8.6.2000 - I ZR 269/97, GRUR 2001, 181 = WRP 2001, 28 - dentalästhetika I). Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat sich die Klägerin u.a. darauf berufen, dass die beanstandete Werbung gegen das Irreführungsverbot verstoße. Sie hat sich dabei auf das aufgehobene Berufungsurteil gestützt, in dem in erster Linie die Aussagen, wonach "die Behandlung in wenigen Sitzungen" und "selbstverständlich unter Vollnarkose" erfolge und "unser langjährig erfahrenes Ärzteteam in ruhiger Atmosphäre ein individuelles Behandlungskonzept für Sie" erstelle, als irreführend bezeichnet worden waren. Die Beklagte verfüge über kein Ärzteteam, weil zum einen Ärzte keine zahnheilkundlichen Leistungen anbieten dürften und zum anderen die von der Beklagten beworbenen Behandlungen fast ausschließlich von dem Zahnarzt Dr. Alexander B. und nicht von einem Team erbracht würden. Gegenüber dem Vortrag zur irreführenden Werbung hat sich die Beklagte auf Verjährung berufen.

Das Berufungsgericht hat die Beklagte nunmehr unter dem Gesichtspunkt einer berufswidrigen Werbung verurteilt. Der Senat hat die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision zunächst nicht angenommen (BGH, Beschl. v. 11.7.2002 - I ZR 219/01, NJW-RR 2002, 1685). Mit Beschluss vom 26. September 2003 hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts den Nichtannahmebeschluss des Senats aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen (1 BvR 1608/02, GRUR 2004, 68 = WRP 2003, 1425).

Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat die beanstandete Werbung im Anschluss an das Senatsurteil vom 8. Juni 2000 als berufswidrig eingestuft. Hieran kann nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr festgehalten werden. Danach kann sich die Beklagte darauf berufen, dass für sie als Klinik nicht dieselben Werbebeschränkungen gelten wie für niedergelassene Ärzte. Darüber hinaus ist die angegriffene Werbung nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch dann nicht zu beanstanden, wenn man den Maßstab anlegt, den ein niedergelassener Zahnarzt nach § 20 der Berufsordnung der Zahnärztekammer Nordrhein zu beachten hat.

II. Danach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kommt eine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht nicht in Betracht. Die Klage ist vielmehr abzuweisen.

Die Revisionserwiderung stützt sich darauf, dass sich die Klägerin im wiedereröffneten Berufungsverfahren die Beurteilung des Berufungsgerichts im ersten Berufungsurteil, wonach die beanstandete Werbung irreführend sei, zu eigen gemacht und im Einzelnen zur Irreführung vorgetragen hat. Der Berücksichtigung dieses Vorbringens steht jedoch die von der Beklagten bereits im Berufungsverfahren erhobene Einrede der Verjährung entgegen.

Wie sich aus dem Senatsurteil vom 8. Juni 2000 ergibt (GRUR 2001, 181 - dentalästhetika I), handelt es sich bei diesen Irreführungsvorwürfen um einen Streitgegenstand, der noch nicht Gegenstand des ersten Berufungsverfahrens war. Denn ein bestimmtes Vorbringen, mit dem der Vorwurf einer irreführenden Werbung begründet werden soll, ist nicht nur durch den Antrag, sondern auch durch den dazugehörigen Lebenssachverhalt bestimmt. Eine irreführende Werbung ist danach - ungeachtet der Schlüssigkeit - nur dann Gegenstand des Streits, wenn der Kläger hinsichtlich einer bestimmten Werbeaussage vorträgt, dass die angesprochenen Verkehrskreise dieser Werbung eine Tatsachenbehauptung entnehmen, die mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt.

Die Klägerin stützt sich in ihrer Revisionserwiderung auf folgende Werbebehauptungen, zu denen das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - noch keine Feststellungen getroffen habe:

- die Behandlung erfolge "in wenigen Sitzungen" (irreführend, weil die Aussage unsubstantiiert und daher geeignet sei, falsche Erwartungen zu wecken und potentielle Patienten anzulocken),

- die Behandlung erfolge "auf Wunsch selbstverständlich unter Vollnarkose" (irreführend, weil die angesprochenen Verkehrskreise dem die unzutreffende Aussage entnähmen, dass die Vollnarkose ohne Risiko sei),

- "unser langjährig erfahrenes Ärzteteam erstellt in ruhiger Atmosphäre ein individuelles Behandlungskonzept für Sie" (irreführend, weil der Eindruck erweckt werde, als ob es sich um eine besondere, von anderen Zahnärzten nicht ohne weiteres zu erwartende Leistung handele),

- "unser langjährig erfahrenes Ärzteteam" (irreführend, weil die Beklagte über gar kein Ärzteteam verfüge, es sich vielmehr um eine "Alibi-Klinik" handele, hinter der allein der Zahnarzt Dr. Alexander B. stehe),

- Implantate als Regelbehandlung beim Fehlen von Zähnen (irreführend, weil die medizinische Indikation für Implantate von einer Reihe patientenbezogener Faktoren abhängig sei).

Ob dieser Vortrag den Vorwurf der irreführenden Werbung zu rechtfertigen vermag, bedarf keiner Klärung. Die Klägerin hat diese zur Begründung einer irreführenden Werbung herangezogenen Lebenssachverhalte erstmals im Januar 2001 im wiedereröffneten Berufungsverfahren vorgetragen. Dem daraus abgeleiteten Unterlassungsanspruch steht die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Die Klägerin kann sich - anders als die Revisionserwiderung meint - auch hinsichtlich der Werbeaussage "unser langjährig erfahrenes Ärzteteam" nicht darauf stützen, dass sie bereits in der Klageschrift darauf hingewiesen habe, dass es ein Ärzteteam gar nicht gebe. Dort heißt es lediglich

Der Hinweis im Inserat "Unser langjährig erfahrenes Ärzteteam" ist irreführend und zur Täuschung geeignet. Es verstößt mithin gegen § 1 UWG in Verbindung mit § 3 Ziffer 2a HWG.

Damit hat die Klägerin sich - wie der Bezug auf § 3 Nr. 2 lit. a HWG deutlich macht - allein auf den Gesichtspunkt eines unzulässigen Erfolgsversprechens bezogen, über den der Senat bereits im Urteil vom 8. Juni 2000 (GRUR 2001, 181, 183 - dentalästhetika I) abschließend entschieden hat. Dass in Wirklichkeit kein Ärzteteam, sondern allein Zahnarzt Dr. B. hinter dem Angebot stehe, hat die Klägerin dagegen in unverjährter Zeit nicht vorgetragen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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