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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 19.05.2005
Aktenzeichen: I ZR 285/02
Rechtsgebiete: UrhG


Vorschriften:

UrhG § 31 Abs. 4
UrhG § 31 Abs. 5
UrhG § 89 Abs. 1
a) Für Filmwerke kommt der auf eine umfassende Rechtseinräumung zugunsten des Filmherstellers abzielenden Auslegungsregel des § 89 Abs. 1 UrhG gegenüber der allgemeinen Auslegungsregel des § 31 Abs. 5 UrhG der Vorrang zu.

b) Eine neue Nutzungsart i.S. des § 31 Abs. 4 UrhG setzt voraus, dass es sich um eine technisch und wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform des Werkes handelt (im Anschluss an BGHZ 128, 336, 341 - Videozweitauswertung III und BGHZ 133, 281, 287 f. - Klimbim). Die Zweitverwertung von Spielfilmen auf DVD stellt im Verhältnis zur herkömmlichen Videozweitverwertung keine neue Nutzungsart dar.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I ZR 285/02

Verkündet am: 19. Mai 2005

in dem Rechtsstreit

Der Zauberberg

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Mai 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Büscher

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 10. Oktober 2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Szenenbildner und Filmarchitekt. Er schuf 1981 zusammen mit seiner Ehefrau das gesamte Szenenbild und die Filmarchitektur des Spielfilms "Der Zauberberg", wofür er 1982 mit dem Bundesfilmpreis, dem "Filmband in Gold", ausgezeichnet wurde. Aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau nimmt er die Beklagte, die diesen Film zusammen mit einer ursprünglich für das Fernsehen produzierten Dokumentation "100 Tage auf dem Zauberberg" auf DVD vertreibt, auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger schloss 1980 mit dem Produzenten, dem Rechtsvorgänger der Streithelferin, einen "Anstellungsvertrag für Filmschaffende", nach dem ihm bis zur Beendigung der Tätigkeit als Architekten des Films "Der Zauberberg" ein Betrag von 2.000 DM pro Woche gezahlt werden sollte. In dem Vertrag wurde ergänzend auf den Tarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende vom 1. April 1979 Bezug genommen. Dort heißt es in Ziffer 3.1:

Der Filmschaffende räumt mit Abschluss des Vertrages alle ihm etwa durch das vertragliche Beschäftigungsverhältnis erwachsenden Nutzungs- und Verwertungsrechte an Urheber- und verwandten Schutzrechten dem Filmhersteller für die Herstellung und Verwertung des Films ausschließlich und ohne inhaltliche, zeitliche oder räumliche Beschränkung ein.

Die Einräumung umfasst:

a) den Film als Ganzes, seine einzelnen Teile (mit und ohne Ton), auch wenn sie nicht miteinander verbunden sind, die zum Film gehörigen Fotos sowie die für den Film benutzten und abgenommenen Zeichnungen, Entwürfe, Skizzen, Bauten und dgl.,

b) die Nutzung und Verwertung des Films durch den Filmhersteller in unveränderter oder geänderter Gestalt, gleichviel mit welchen technischen Mitteln sie erfolgt, einschließlich ... der Verwertung durch andere zur Zeit bekannte Verfahren, einschließlich AV-Verfahren und -träger, gleichgültig, ob sie bereits in Benutzung sind oder in Zukunft genutzt werden.

Nach Ziffer 3.6 des Tarifvertrags sind von der Rechtseinräumung auch einzelne Teile des Films sowie alle zur Werbung für den Film hergestellten Fotos erfasst.

Die Beklagte beansprucht, Inhaberin der Rechte zu sein, die der Kläger dem Produzenten eingeräumt hat.

Während zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Videozweitauswertung von Spielfilmen bereits eine bekannte Nutzungsart darstellte, wurde das digitale Speichermedium DVD (= Digital Versatile Disc) erst in den neunziger Jahren bekannt und spätestens 1998 in Deutschland eingeführt. Spielfilme auf DVD werden ebenfalls verkauft und vermietet. Für das Abspielen der DVD ist ein besonderes Gerät, der DVD-Player, oder ein PC/Notebook mit DVD-Laufwerk erforderlich. Wie alle digitalen Speichermedien ist die DVD nicht verschleißanfällig und weist eine höhere Bild- und Tonqualität sowie eine besonders hohe Speicherkapazität auf. Sie verfügt über bis zu acht parallele Audiospuren. Daher können auf einer DVD bis zu acht verschiedene Sprachfassungen sowie eine große Zahl untertitelter Fassungen gespeichert sein. Auch die Auswahl zwischen verschiedenen Bild- und Tonversionen oder die direkte Ansteuerung bestimmter Szenen ist bei einer DVD ohne Schwierigkeiten menügesteuert am Gerät oder über eine Fernbedienung möglich.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei zur Vervielfältigung und Verbreitung des Films "Der Zauberberg" schon deswegen nicht berechtigt, weil es sich bei der DVD um eine zum Zeitpunkt der Rechtseinräumung durch den Kläger unbekannte Nutzungsart i.S. von § 31 Abs. 4 UrhG gehandelt habe, für die der Kläger 1980 Nutzungsrechte noch nicht habe wirksam einräumen können. Außerdem sei der Tarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende nicht wirksam in die Anstellungsverträge einbezogen worden.

Der Kläger hat die Beklagte wegen der Vervielfältigung und Verbreitung der DVD-Version des Films "Der Zauberberg" auf Unterlassung und Auskunftserteilung in Anspruch genommen. Er hat ferner die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten begehrt. Außerdem hat er Abmahnkosten in Höhe von 962,50 DM geltend gemacht.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG München I ZUM 2002, 71). Im Berufungsverfahren ist die Streithelferin dem Rechtsstreit auf seiten der Beklagten beigetreten. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen (OLG München GRUR 2003, 50). Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er seine Klageanträge weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht von der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit der vom Kläger und seiner Ehefrau geschaffenen Filmarchitektur ausgegangen, hat aber gleichwohl Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte wegen der Vervielfältigung und Verbreitung des Spielfilms "Der Zauberberg" auf DVD verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Grundlage der Rechtseinräumung durch den Kläger und seine Ehefrau sei der Anstellungsvertrag in Verbindung mit den tarifvertraglichen Bestimmungen, auf die dieser Vertrag Bezug nehme. Die von der Beklagten geäußerten Zweifel an der Einbeziehung des Tarifvertrags seien unbegründet. Bei dem Anstellungsvertrag, den der Kläger mit dem Produzenten geschlossen habe, handele es sich um einen Arbeitsvertrag. Auf arbeitsrechtliche Verträge der in Rede stehenden Art finde das AGB-Gesetz keine Anwendung. Gegen den Umfang der im Tarifvertrag, namentlich in Ziffer 3.1, vorgesehenen Rechtseinräumung bestünden keine Bedenken, weil er weitgehend den für Filmwerke geltenden gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere der Regelung des § 89 UrhG, entspreche. Auch dem detaillierten und unter Vorlage sämtlicher Verträge und Handelsregisterauszüge belegten Vortrag der Beklagten zur Rechtekette sei zu folgen.

Schließlich stehe der Wirksamkeit der Nutzungsrechtseinräumung durch den Kläger auch § 31 Abs. 4 UrhG nicht entgegen; denn es handele sich bei der Verwertung des in Rede stehenden Films auf DVD nicht um eine gegenüber der im Jahre 1980 unstreitig bekannten Verwertung von Filmwerken auf Videokassette eigenständige neue Nutzungsart. Dies ergebe sich freilich noch nicht aus den besonderen Regelungen über Filmwerke in §§ 88 ff. UrhG. Insbesondere umfassten die Auslegungsregeln der § 88 Abs. 1, § 89 Abs. 1 UrhG keine Rechtseinräumung für noch unbekannte Nutzungsarten; § 31 Abs. 4 UrhG komme insofern der Vorrang zu.

Eine neue Nutzungsart i.S. von § 31 Abs. 4 UrhG sei eine konkrete technisch und wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform des Werkes. Dazu genüge es nicht, dass die Nutzungsart als hinreichend klar abgrenzbare Verwendungsform Gegenstand einer selbständigen Rechtseinräumung sein könne. Mit Hilfe des § 31 Abs. 4 UrhG solle verhindert werden, dass dem Urheber Mehrerträgnisse vorenthalten würden, die sich aus neuen technischen Entwicklungen ergäben. Die Vorschrift solle aber mit ihrer strengen Anordnung der Unwirksamkeit nicht die auch im Interesse des Urhebers liegende wirtschaftlich-technische Fortentwicklung der Werknutzung durch Herausbildung neuer, selbständig lizenzierbarer Nutzungsmöglichkeiten behindern. Daher setze der besondere Schutz des Urhebers nach § 31 Abs. 4 UrhG voraus, dass es sich um eine neu geschaffene Nutzungsart handele, die sich von den bisherigen Nutzungsarten so sehr unterscheide, dass eine Werkverwertung in dieser Form nur aufgrund einer neuen Entscheidung des Urhebers in Kenntnis der neuen Nutzungsmöglichkeiten zugelassen werden könne. Dies sei nicht der Fall, wenn eine schon bisher übliche Nutzungsmöglichkeit durch den technischen Fortschritt erweitert und verstärkt werde, ohne sich aber aus der Sicht der Endverbraucher, deren Werkgenuss durch das System der Verwertungsrechte letztlich erfasst werden solle, in ihrem Wesen entscheidend zu verändern. Die mit der digitalen Aufzeichnungstechnik einhergehenden technischen Verbesserungen allein könnten der DVD-Auswertung nicht den Charakter einer technisch und wirtschaftlich eigenständigen Verwendungsform geben, wenn - wie vorliegend - der Vorgang der Werkvermittlung seiner Art nach im wesentlichen unverändert bleibe. Zwar seien die technischen Möglichkeiten durch den Übergang von der analogen zur digitalen Aufzeichnung in beträchtlichem Maße verbessert und erweitert worden. Die Wiedergabe des Films erfolge aber auf identische Weise durch Betrachten des Films auf einem Bildschirm. Dabei sei für den Verbraucher in der Regel weder erkennbar noch relevant, ob der Film analog oder digital aufgezeichnet sei. Die auf DVD speicherbaren Zusatzinformationen (z.B. alternative Endfassungen, verschiedene Kameraperspektiven, verschiedene Sprachfassungen, Begleitkommentare, Trailer, Entstehungsgeschichte, Wiedergabe nicht verwendeter Szenen) seien letztlich für die Kaufentscheidung des Publikums nicht entscheidend und ließen sich auch nicht selbständig vermarkten.

Für die wirtschaftliche Eigenständigkeit sei erforderlich, dass sich für die DVD ein neuer Markt entwickelt hätte und dadurch neue Verbraucherkreise angesprochen worden wären. Von der Entwicklung eines neuen Marktes sei immer dann zu sprechen, wenn eine neue Verwendungsform die alte nicht lediglich substituiere. Die vom Kläger mitgeteilten Zahlen sprächen jedoch für eine kontinuierliche Substitution der Videokassette durch die DVD, wobei dieselben Absatzwege genutzt würden. Im Übrigen sei die Praxis nach Bekanntwerden der DVD dazu übergegangen, die Vermarktung von Filmen auf Videokassette und auf DVD unter dem Oberbegriff der "Home-Video-Verfahren" einheitlich zu lizenzieren.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei der Vermarktung eines digital gespeicherten Films zum Abspielen auf einem eigenen Wiedergabegerät (DVD) nicht um eine gegenüber der Vermarktung herkömmlicher Videokassetten neue Nutzungsart i.S. des § 31 Abs. 4 UrhG handelt. Dennoch führt die Revision zur Aufhebung und Zurückverweisung, weil sich das Berufungsgericht nicht mit dem Klagevorbringen auseinandergesetzt hat, wonach das Urheberrecht des Klägers und seiner Ehefrau durch die Verbreitung der auf der DVD ebenfalls enthaltenen Dokumentation "100 Tage auf dem Zauberberg" verletzt worden sei.

1. Das Berufungsgericht hat sich den Ausführungen des Landgerichts zum urheberrechtlichen Schutz der vom Kläger und seiner Ehefrau geschaffenen Ausstattung des Films "Der Zauberberg" angeschlossen. Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen; sie werden auch von der Revision nicht angegriffen.

2. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte aufgrund einer lückenlosen Rechtekette Inhaberin der Rechte ist, die der Kläger 1980 dem Produzenten eingeräumt hat. Auch die Revision erhebt gegen diese Beurteilung keine Rügen. Dagegen lässt das Berufungsurteil Feststellungen darüber vermissen, ob neben dem Kläger auch seine Ehefrau dem Produzenten entsprechende Rechte eingeräumt hat, auf die sich die Beklagte über die beschriebene Rechtekette stützen könnte.

Diese Lücke in den tatrichterlichen Feststellungen lässt sich indessen in der Revisionsinstanz schließen. Aus dem unstreitigen Parteivortrag ergibt sich, dass die Ehefrau des Klägers im September 1980 einen im Wesentlichen gleichlautenden Anstellungsvertrag mit dem Produzenten geschlossen hat (wöchentliches Honorar 1.800 DM). Auch in ihrem Revisionsvorbringen nehmen beide Parteien auf diesen Vertrag Bezug. Dieser Vertrag enthält ebenso wie der vom Kläger unterzeichnete Anstellungsvertrag eine gleichlautende Verweisung auf den Tarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende vom 1. April 1979.

3. Der Kläger und seine Ehefrau haben dem Produzenten in den Anstellungsverträgen vom August bzw. September 1980 umfassende ausschließliche Nutzungsrechte für die Herstellung und Verwertung des Films "Der Zauberberg" eingeräumt. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich diese Rechtseinräumung auch auf die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits bekannten Zweit- oder Drittverwertungsformen erstreckte. Dies ist den tarifvertraglichen Bestimmungen zu entnehmen, die Gegenstand der Anstellungsverträge geworden sind.

Die Rügen, die die Revision insofern erhebt, sind nicht begründet. Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass es sich bei den Anstellungsverträgen, die der Produzent mit dem Kläger und mit seiner Ehefrau geschlossen hat, um Arbeitsverträge handelt, auf die die Regelungen des AGB-Gesetzes nicht anwendbar sind (§ 23 Abs. 1 AGBG; Art. 229 § 5 EGBGB). Im Übrigen ist der Tarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende vom 1. April 1979 in den Anstellungsverträgen jeweils ausdrücklich in Bezug genommen worden. Bedenken gegen die Wirksamkeit der entsprechenden umfassenden Rechtseinräumung zugunsten des Produzenten bestehen entgegen der Ansicht der Revision nicht. Die Rechtseinräumung für alle bekannten Nutzungsarten entspricht - wie das Berufungsgericht mit Recht betont hat - der im Gesetz für Rechte am Filmwerk festgehaltenen Auslegungsregel (§ 89 Abs. 1 UrhG) und widerspricht damit jedenfalls nicht einem gesetzlichen Leitbild. Etwas anderes lässt sich auch dem urheberrechtlichen Zweckübertragungsgedanken (§ 31 Abs. 5 UrhG) nicht entnehmen. Gegenüber der allgemeinen Auslegungsregel des § 31 Abs. 5 UrhG kommt der besonderen, auf eine umfassende Rechtseinräumung zugunsten des Filmherstellers abzielenden Auslegungsregel des § 89 Abs. 1 UrhG für Filmwerke grundsätzlich der Vorrang zu (Lütje in Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., § 89 Rdn. 15 f., 21; Schricker/Katzenberger, Urheberrecht, 2. Aufl., § 89 UrhG Rdn. 3; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, § 89 Rdn. 2; Hertin in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., §§ 31/32 UrhG Rdn. 21; a.A. Movsessian, UFITA 79 (1977), S. 213, 227; vermittelnd Manegold in Wandtke/Bullinger, UrhR, § 89 UrhG Rdn. 21 f.).

4. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass es sich bei der Vervielfältigung und Verbreitung eines Films auf DVD nicht um eine unbekannte Nutzungsart handelt. Eine solche unbekannte Nutzungsart wird von der im Streitfall vereinbarten Rechtseinräumung, die sich lediglich auf eine "Verwertung durch ... zur Zeit bekannte Verfahren" bezieht, nicht erfasst und könnte von ihr im Hinblick auf die Bestimmung des § 31 Abs. 4 UrhG auch nicht erfasst werden. Zwar war zum Zeitpunkt der Rechtseinräumung im Jahre 1980 die Möglichkeit der digitalen Speicherung von Filmwerken auf Speicherplatten (DVD) noch nicht bekannt; auch bietet die DVD gegenüber der herkömmlichen Videokassette eine Vielzahl technischer Vorteile. Dennoch handelt es sich dabei nicht um eine technisch und wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform, durch die eine neue, vorher noch unbekannte Verwendungsmöglichkeit eröffnet worden wäre.

a) Ob es sich bei der Vervielfältigung und Verbreitung von Spielfilmen auf DVD um eine neue Nutzungsart handelt, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. So hat eine andere Kammer des Landgerichts München I eine neue Nutzungsart verneint (ZUM 2003, 147, 149), während das Landgericht Köln die Anwendbarkeit des § 31 Abs. 4 UrhG bejaht hat (LG Köln, Urt. v. 25.5.2002 - 28 O 31/02; das Berufungsurteil - OLG Köln ZUM 2003, 317 - hat die Frage offen gelassen). Auch das Schrifttum bietet kein einheitliches Bild (eine neue Nutzungsart bejahen: Reber, GRUR 1998, 792, 797; ders., MMR 2001, 829; Stieper/Frank, MMR 2000, 643 ff.; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 3. Aufl., Rdn. 551; Katzenberger, GRUR Int. 2003, 889, 892 ff.; ders., GRUR Int. 2005, 215 ff.; eine neue Nutzungsart verneinen: Castendyk, ZUM 2002, 332, 345 f.; v. Petersdorff-Campen, ZUM 2002, 74 ff.; Fette, ZUM 2003, 49 ff.; Loewenheim, GRUR 2004, 36, 39 ff.; Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger aaO § 31 Rdn. 67).

b) Eine Nutzungsart i.S. des § 31 Abs. 4 UrhG kann nur eine konkrete technisch und wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform des Werkes sein (vgl. BGHZ 133, 281, 287 f. - Klimbim; vgl. auch BGHZ 95, 274, 283 - GEMA-Vermutung I; 128, 336, 341 - Videozweitauswertung III). Technische Neuerungen, die eine neue Verwendungsform kennzeichnen, ohne wirtschaftlich eigenständige Vermarktungsmöglichkeiten zu erschließen, reichen daher nicht aus, um eine neue Nutzungsart anzunehmen.

c) Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die DVD-Zweitauswertung von Spielfilmen im Verhältnis zur herkömmlichen Vermarktung auf Videokassette keine wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform darstellt.

aa) Mit der Frage nach der wirtschaftlich eigenständigen Verwendungsform wird dem urheberrechtlichen Grundsatz Rechnung getragen, dass der Urheber an der wirtschaftlichen Nutzung seines Werkes tunlichst angemessen zu beteiligen ist (vgl. § 11 Satz 2 UrhG; ferner BGHZ 133, 281, 288 f. - Klimbim). Dabei ist zu bedenken, dass einerseits urheberrechtliche Nutzungsrechte häufig für eine lange Zeitdauer, nicht selten für die gesamte Schutzdauer des Werkes eingeräumt werden und dass andererseits die rasante technische Entwicklung innerhalb kurzer Zeit neue Verwendungsformen schafft, für die bei Vertragsschluss noch keine angemessenen Regelungen getroffen werden konnten. Mit Hilfe des § 31 Abs. 4 UrhG soll daher verhindert werden, dass dem Urheber Mehrerträgnisse vorenthalten werden, die sich aus neuen technischen Entwicklungen ergeben (vgl. BGHZ 95, 274, 282 f. - GEMA-Vermutung I; 133, 281, 288 - Klimbim); dem Urheber soll die Entscheidung darüber vorbehalten bleiben, ob und gegen welches Entgelt er mit der Nutzung seines Werkes auch für die neu gefundene Verwendungsform einverstanden ist (Begr. des Reg. Entwurfs, BT-Drucks. IV/270, S. 56).

Andererseits werden mit dem Merkmal der wirtschaftlich eigenständigen Verwendungsform auch die Interessen des Vertragspartners berücksichtigt, dem umfassende Nutzungsrechte eingeräumt worden sind. Würde allein eine technisch neue Verwendungsform, die eine intensivere Nutzung erlaubt und innerhalb kurzer Zeit die herkömmliche Verwendungsform verdrängt, ausreichen, um eine diese neue Verwendungsform umfassende Rechtseinräumung nach § 31 Abs. 4 UrhG für nichtig zu erklären, wäre ein Produzent oder Vermarkter, der im Hinblick auf die vertraglich vereinbarte Nutzungsdauer hohe Investitionen getätigt hat, von der weiteren wirtschaftlichen Nutzung ausgeschlossen, weil die herkömmliche Verwendungsform sich nicht mehr absetzen ließe und ihm keine Rechte an der neuen Verwendungsform zustünden.

bb) Diese Erwägungen sprechen dafür, eine wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform vor allem dann anzunehmen, wenn mit Hilfe einer neuen Technik ein neuer Absatzmarkt erschlossen wird, die traditionellen Verwendungsformen also nicht oder nur am Rande einschränkt werden (vgl. Castendyk, ZUM 2002, 332, 338). Dagegen ist eine wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform tendenziell eher zu verneinen, wenn durch die neue Verwendungsform eine gebräuchliche Verwendungsform substituiert wird. Aus der Sicht des Urhebers erscheint es besonders wichtig, ihm seine Rechte für die Vermarktung auf neuen Absatzwegen uneingeschränkt vorzubehalten; dagegen kann ihm zugemutet werden, für die bloße Intensivierung der Nutzung bereits im Rahmen der ursprünglichen Rechtseinräumung eine angemessene Regelung zu treffen. Aus der Sicht des Lizenznehmers ist von entscheidender Bedeutung, dass ihm durch eine neue Verwendungsform, die über kurz oder lang die herkömmliche Verwendungsform ersetzt, nicht die wirtschaftliche Grundlage für getätigte Investitionen entzogen wird; dagegen ist es nicht unbillig, dass sein Nutzungsrecht sich trotz umfassender Rechtseinräumung nicht auf neu entstandene Absatzmärkte erstreckt.

cc) Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die DVD auf längere Sicht die herkömmliche Videokassette ersetzen wird und daher keinen neuen Markt erschließt, sondern eine herkömmliche Verwendungsform substituiert, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden.

(1) Zutreffend hat das Berufungsgericht für die Frage, ob die neue Verwendungsform einen neuen Absatzmarkt eröffnet oder auf Dauer eine herkömmliche Verwendungsform substituiert, auf das Nachfrageverhalten der Verbraucher abgestellt. Unabhängig davon, ob für die Frage der Marktabgrenzung auf die kartellrechtlichen Grundsätze zurückgegriffen werden kann, kommt es jedenfalls für die Frage, ob ein Gut durch ein anderes substituiert wird, auf die Marktgegenseite, also auf die Verbraucher, an.

(2) Ohne Erfolg verweist die Revision darauf, dass die Videokassette sich nach wie vor einer nicht unerheblichen Beliebtheit erfreut. Zwar lässt sich dem von den Parteien vorgetragenen Zahlenmaterial entnehmen, dass die Einführung der DVD zu einer erheblichen Ausweitung des Marktes für die Heimvorführung von Spielfilmen geführt hat. Dass die Absatzzahlen der Videokassetten jedoch - anders als die Zahl der verkauften Vinyl-Schallplatten nach Einführung der CD - nicht sofort nach Einführung der DVD gesunken sind, lässt sich ohne weiteres dadurch erklären, dass DVD-Abspielgeräte zunächst noch sehr teuer waren, so dass viele Verbraucher nach wie vor auf herkömmliche Videokassetten angewiesen waren.

(3) Es ist nicht zu beanstanden, dass der Tatrichter hinsichtlich der Konsumgewohnheiten der Verbraucher eigene Erfahrungen eingebracht hat. Dabei ist zu bedenken, dass die Frage, ob eine neue Verwendungsform eine neue Nutzungsart i.S. von § 31 Abs. 4 UrhG darstellt, von den Gerichten entschieden werden muss, auch wenn die Absatzzahlen der neuen im Verhältnis zur herkömmlichen Verwendungsform noch nicht über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtet werden konnten. Denn zwischen dem Urheber und seinem Lizenznehmer muss alsbald Klarheit darüber bestehen, wer hinsichtlich der neuen Verwendungsform zur Nutzung berechtigt ist. Die Frage muss daher von den Gerichten beantwortet werden können, auch wenn der wirtschaftliche Sachverhalt noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Dies kann im Einzelfall auf eine Prognose-Entscheidung hinauslaufen, die der Richter aufgrund der vorhandenen Anhaltspunkte zu treffen hat. Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Richter des Berufungsgerichts nicht in der Lage gewesen wären, diese Entscheidung auch ohne sachverständigen Beistand zu treffen.

(4) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe die mit der DVD verbundenen technischen Möglichkeiten nicht hinreichend zur Kenntnis genommen und gewürdigt. Dass die DVD gegenüber der herkömmlichen Videokassette ganz erhebliche technische Vorteile aufweist, hat das Berufungsgericht nicht übersehen. Es hat indessen nicht festzustellen vermocht, dass aufgrund der technischen Neuerungen neben dem herkömmlichen Videokassetten-Markt ein neuer Absatzmarkt entstünde. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

d) Das Berufungsgericht hat danach ohne Rechtsfehler angenommen, der Kläger habe dem Produzenten des Films "Der Zauberberg" das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung von Spielfilmen auf DVD durch den Anstellungsvertrag vom August 1980 eingeräumt (für den Werkanteil der Ehefrau des Klägers gilt entsprechendes). Denn fehlt es an einer wirtschaftlich eigenständigen Verwendungsform, handelt es sich lediglich um eine technische Variante der bereits 1980 bekannten Nutzung von Spielfilmen zur Heimvorführung mit Hilfe des Fernsehgerätes.

5. Mit Erfolg rügt die Revision allerdings, dass sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob der Kläger und seine Ehefrau dem Produzenten auch Nutzungsrechte für die Erstellung der Dokumentation "100 Tage auf dem Zauberberg" eingeräumt haben, die ebenfalls auf der von der Beklagten hergestellten und vertriebenen DVD enthalten ist. Nach dem unstreitigen Klagevorbringen ist die vom Kläger und seiner Ehefrau geschaffene Filmausstattung in der Dokumentation ausführlich wiedergegeben. Da sich die gestellten Anträge auf die Vervielfältigung und Verbreitung des konkreten Produkts ("DVD ... Liefer-Nr. 500041") beziehen, das nach dem unstreitigen Parteivorbringen neben dem Spielfilm auch die Dokumentation enthält, ist dieses Vorbringen grundsätzlich geeignet, die Klage zu begründen. Die Beklagte hat bislang nicht geltend gemacht, dass ihr auch insofern ausdrücklich Nutzungsrechte vom Kläger und seiner Ehefrau eingeräumt worden seien. Sie hat sich lediglich darauf berufen, dass die Rechte, die dem Produzenten hinsichtlich des Spielfilms eingeräumt worden seien, sich auch auf die in Rede stehende Dokumentation bezögen. Dies erscheint schon deswegen zweifelhaft, weil die vertraglich eingeräumten Rechte stets den Film "Der Zauberberg", nicht aber eine für das Fernsehen produzierte Dokumentation über den Film betreffen.

III. Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren werden die Parteien Gelegenheit haben, ergänzend zur Frage der Werknutzung im Rahmen der Dokumentation und zu einer entsprechenden Rechtseinräumung vorzutragen.

Ende der Entscheidung

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