Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 03.12.1998
Aktenzeichen: I ZR 63/96
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 3

a) Die Frage, ob im Einzelhandel auf eine nachteilige Eigenschaft der angebotenen Ware hingewiesen werden muß, richtet sich in erster Linie nach der Verkehrserwartung; sie wird dadurch nahegelegt, daß ein solcher Hinweis auch sonst im Handel üblich ist. Dabei sind jedoch die berechtigten Interessen des Werbenden zu berücksichtigen.

b) Bei hochwertigen Geräten der Unterhaltungselektronik (hier: Videorecorder und Autoradio) besteht grundsätzlich eine Hinweispflicht des Handels, wenn das fragliche Modell vom Hersteller nicht mehr produziert und nicht mehr im Sortiment geführt oder von ihm selbst als Auslaufmodell bezeichnet wird. Hat ein Händler ein Gerät aus der laufenden Produktion erworben, kann der Hinweis auf die erfolgte Modelländerung jedoch so lange unterbleiben, bis das Nachfolgemodell im Handel ist oder - wenn es kein Nachfolgemodell gibt - bis die Ware im üblichen Warenumschlag abgesetzt ist. Es ist Sache des Beklagten, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, daß die Voraussetzungen für eine solche Ausnahme von der Hinweispflicht vorliegen.

BGH, Urt. v. 3. Dezember 1998 - I ZR 63/96 - OLG Stuttgart LG Ravensburg


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I ZR 63/96

Verkündet am: 3. Dezember 1998

Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

Auslaufmodelle I

in dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 1998 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Starck, Dr. Bornkamm und Pokrant

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15. März 1996 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien sind Wettbewerber im Einzelhandel mit Geräten der Unterhaltungselektronik. Sie streiten darüber, ob Auslaufmodelle in der Werbung als solche zu kennzeichnen sind.

Die Beklagte warb am 15. Dezember 1994 in einer Zeitungsanzeige für einen Videorecorder der Marke Mitsubishi sowie am 22. Dezember 1994 in einer weiteren Anzeige für ein Autoradio der Marke JVC.

Die Klägerin hat diese Werbung u.a. mit der Begründung beanstandet, die Beklagte habe es versäumt, darauf hinzuweisen, daß es sich bei den beworbenen Geräten um Auslaufmodelle gehandelt habe. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat die Auffassung vertreten, sie sei nicht verpflichtet, in ihre Anzeigen einen solchen Hinweis aufzunehmen.

Das Landgericht hat der Klage mit dem hier in Rede stehenden Antrag stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte verurteilt wird, es zu unterlassen, zu Zwecken des Wettbewerbs in Zeitungsanzeigen und/ oder sonstigen Werbeträgern Geräte der Unterhaltungselektronik, bei denen es sich um Auslaufmodelle handelt, mit Preisangaben zu bewerben, ohne darauf hinzuweisen, daß es sich um Auslaufmodelle handelt.

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat einen Wettbewerbsverstoß der Beklagten nach § 3 UWG bejaht und zur Begründung ausgeführt:

Die Beklagte treffe hinsichtlich des Umstandes, daß es sich bei den beworbenen Geräten der Unterhaltungselektronik um Auslaufmodelle gehandelt habe, eine Hinweispflicht. Denn der Verkehr gehe bei derartigen Geräten grundsätzlich davon aus, daß es sich um das Modell aus der aktuellen Produktion handele. Sei dies nicht der Fall, erwarte das Publikum einen Hinweis, der ihm im allgemeinen auch gegeben werde. Durch die beanstandete Werbung der Beklagten werde der Verkehr in dieser Erwartung getäuscht.

Unerheblich sei dabei, ob es für das Auslaufmodell überhaupt ein Nachfolgemodell gebe und ob das Nachfolgemodell gegebenenfalls gegenüber dem beworbenen Gerät technische Vorteile aufweise. Denn unabhängig davon bestehe insoweit ein berechtigtes Informationsinteresse des Verkehrs, weil die Frage, ob es sich um ein Auslauf- oder um ein aktuelles Modell handele, für die Beurteilung der Ware und deren Preisgünstigkeit von erheblicher Bedeutung sei. Wenn die Beklagte darauf abstelle, daß Auslaufmodelle teilweise in technischer Hinsicht den Nachfolgemodellen vorzuziehen seien, bleibe es ihr unbenommen, auf diesen Umstand in der Werbung hinzuweisen.

Bei den von der Beklagten beworbenen Geräten habe es sich auch wirklich um Auslaufmodelle, also um Geräte gehandelt, die vom Hersteller nicht mehr produziert und nicht mehr im Sortiment geführt oder von ihm als Auslaufmodelle bezeichnet worden seien. Dies ergebe sich hinsichtlich des Videorecorders daraus, daß dieser in einer ab 1. August 1994 gültigen Preisliste des Herstellers nicht mehr enthalten sei. Das angebotene Autoradio sei ebenfalls seit Sommer 1994 nicht mehr hergestellt worden.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, was unter einem Auslaufmodell zu verstehen ist. Nach der vom Berufungsgericht gegebenen Definition handelt es sich dabei um ein Gerät, das vom Hersteller nicht mehr produziert und nicht mehr im Sortiment geführt oder von ihm selbst als Auslaufmodell bezeichnet wird.

2. Zutreffend hat das Berufungsgericht zunächst unter Hinweis auf eine frühere Entscheidung (OLG Stuttgart WRP 1994, 902, 905) den rechtlichen Ausgangspunkt beschrieben: Danach kann das Verschweigen einer Tatsache - wie derjenigen, daß es sich um ein Auslaufmodell handele - nur dann als eine irreführende Angabe i.S. von § 3 UWG angesehen werden, wenn den Werbenden eine Aufklärungspflicht trifft. Eine solche Pflicht besteht, sofern sie nicht schon aus Gesetz, Vertrag oder vorangegangenem Tun begründet ist, im Wettbewerb nicht schlechthin. Denn der Verkehr erwartet nicht ohne weiteres die Offenlegung aller - auch der weniger vorteilhaften - Eigenschaften einer Ware oder Leistung. Die Pflicht zur Aufklärung besteht jedoch in den Fällen, in denen das Publikum bei Unterbleiben des Hinweises in einem wesentlichen Punkt, der den Kaufentschluß zu beeinflussen geeignet ist, getäuscht würde (vgl. BGH, Urt. v. 6.11.1981 - I ZR 164/79, GRUR 1982, 374, 375 = WRP 1982, 266 - Ski-Auslaufmodelle; Urt. v. 24.4.1986 - I ZR 56/84, GRUR 1987, 45, 47 = WRP 1986, 603 - Sommerpreiswerbung; ferner BGH, Urt. v. 13.11.1951 - I ZR 44/51, GRUR 1952, 416, 417 f. - Dauerdose; Urt. v. 7.7.1972 - I ZR 96/71, GRUR 1973, 206, 207 = WRP 1973, 21 - Skibindungen; Urt. v. 11.5.1989 - I ZR 141/87, GRUR 1989, 682 f. = WRP 1989, 655 - Konkursvermerk; Urt. v. 3.12.1992 - I ZR 132/91, WRP 1993, 239 - Sofortige Beziehbarkeit; Urt. v. 20.6.1996 - I ZR 113/94, GRUR 1996, 793, 795 = WRP 1996, 1027 - Fertiglesebrillen). Dabei deutet es im allgemeinen auf eine entsprechende Verkehrserwartung hin, wenn derartige Hinweise auf eine bestimmte negative Eigenschaft im Wettbewerb üblich sind (vgl. BGH GRUR 1982, 374, 376 - Ski-Auslaufmodelle; Loewenheim, GRUR 1980, 14, 16; Großkomm.UWG/Lindacher, § 3 Rdn. 189 f. u. 193). Allerdings müssen auch die Interessen des Werbenden beachtet werden: Seine wettbewerbsrechtliche Aufklärungspflicht bezieht sich nicht auf jede Einzelheit der geschäftlichen Verhältnisse. Vielmehr besteht aus dem Gesichtspunkt des § 3 UWG eine Verpflichtung, negative Eigenschaften des eigenen Angebots in der Werbung offenzulegen, nur insoweit, als dies zum Schutz des Verbrauchers auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden unerläßlich ist (vgl. BGH GRUR 1989, 682, 683 - Konkursvermerk; Lindacher aaO § 3 Rdn. 199 f.; Helm in Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2. Aufl., § 49 Rdn. 47).

3. Es ist ferner nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht bei den hier in Rede stehenden Geräten der Unterhaltungselektronik grundsätzlich eine Verpflichtung des Handels bejaht hat, darauf hinzuweisen, daß es sich um Auslaufmodelle handele. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht hinreichend beachtet, daß eine derartige Verpflichtung nicht uneingeschränkt und nicht notwendig bei sämtlichen Geräten der Unterhaltungselektronik besteht.

a) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Verkehr erwarte zumindest bei den im Streitfall in Rede stehenden Geräten der Unterhaltungselektronik wie Videorecordern und Autoradios grundsätzlich, daß es sich um Modelle aus der laufenden Produktion und nicht um nicht mehr produzierte Geräte handele.

aa) Die Frage, ob bei dem Angebot einer bestimmten Ware auf die Eigenschaft als Auslaufmodell hingewiesen werden muß, kann nicht generell, sondern allenfalls nach Warengruppen beantwortet werden. Während bei einzelnen Gegenständen, etwa bei Kraftfahrzeugen oder Computern, ein solcher Hinweis aus der Sicht des Verkehrs grundsätzlich unerläßlich erscheint, gibt es eine Fülle von Gegenständen, bei denen sich der Verkehr keine besonderen Gedanken darüber macht, ob die angebotene Ware vom Hersteller auch heute noch in dieser Form hergestellt und vertrieben wird. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht angenommen, der Verkehr erwarte jedenfalls bei Geräten der hier in Rede stehenden Art im allgemeinen einen Hinweis, falls es sich um ein ausgelaufenes, d.h. um ein in dieser Form nicht mehr produziertes Modell handele.

Diese Feststellung des Berufungsgerichts steht mit der allgemeinen Lebenserfahrung im Einklang. Bei Videorecordern und Autoradios handelt es sich um Geräte, bei denen der Verkehr zwar nicht (mehr) mit einem rasanten technischen Fortschritt, jedoch zumindest auf längere Sicht mit weiteren technischen Verbesserungen rechnet und daher tendenziell das neuere gegenüber dem älteren Gerät bevorzugt. Hinzu kommt, daß für derartige Geräte im allgemeinen mehrere Hundert Mark aufgewendet werden müssen und es sich für den jeweiligen privaten Endabnehmer um eine Kaufentscheidung handelt, die der Deckung eines nicht alltäglichen Bedarfs dient und die er in der Regel nicht spontan, sondern nach einiger Überlegung trifft, nachdem er sich über das zu erwerbende Produkt informiert hat.

bb) Das Berufungsgericht hat sich in seiner Auffassung, bei Geräten der Unterhaltungselektronik sei ein Hinweis auf eine erfolgte Modelländerung geboten, dadurch bestärkt gesehen, daß der Verkehr derartige Hinweise - entsprechend der Empfehlung eines für die Unterhaltungselektronik zuständigen Einzelhandelsverbandes - weitgehend erhalte. Auch diese Erwägung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat auf eine entsprechende Üblichkeit aufgrund der vorgelegten Anzeigen sowie aufgrund eigener Marktbeobachtung geschlossen (Verweis auf OLG Stuttgart WRP 1994, 902, 905). Entgegen der Auffassung der Revision war das Berufungsgericht aufgrund eigener Sachkunde zu dieser Annahme berechtigt, ohne daß es insofern einer Beweiserhebung bedurfte. Dabei ist nicht von Bedeutung, ob andere Unternehmen, die Auslaufmodelle anbieten, durchweg oder weitgehend auf diesen Umstand hinweisen. Allein die Tatsache, daß dem Verbraucher - wie vom Berufungsgericht festgestellt - immer wieder entsprechende Hinweise begegnen, deutet auf eine Erwartung der Verbraucher hin, darüber aufgeklärt zu werden, daß es sich um ein Auslaufmodell handelt.

cc) Ebenfalls mit Recht hat das Berufungsgericht die wettbewerbsrechtliche Relevanz bejaht und angenommen, für die Kaufentscheidung der Verbraucher sei der Umstand, daß es sich bei einem Gerät um ein Auslaufmodell handele, erheblich.

Die Revision möchte in diesem Zusammenhang darauf abstellen, daß bei der Unterhaltungselektronik die Veränderungen im Zuge eines Modellwechsels häufig nicht durch den technischen Fortschritt bedingt sind. Hierauf kommt es indessen nicht an. Denn maßgeblich ist allein die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise. Die Annahme des Berufungsgerichts, das Publikum erwarte bei Modellwechseln in dieser Branche eine Veränderung zum Besseren, steht mit der Lebenserfahrung im Einklang. Auch wenn, wie die Revision zu erwägen gibt, der bestehende Kostendruck zuweilen sogar eine Veränderung der Geräte zum qualitativ Schlechteren bewirken sollte, ist doch die Erwartung des Verkehrs von der - nicht zuletzt durch die Werbung vermittelten - Vorstellung einer ständigen technischen Verbesserung geprägt.

Daß diese Vorstellung für die Kaufentscheidung von Bedeutung ist, ergibt sich noch aus einem weiteren Gesichtspunkt: Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sehen viele Verbraucher einen preisbildenden Faktor in dem Umstand, daß es sich bei einem angebotenen Gerät der Unterhaltungselektronik um ein Auslaufmodell handelt. Bei einem solchen Gerät wird der Verkehr im allgemeinen einen günstigeren Preis erwarten als bei einem Gerät aus der laufenden Produktion, und zwar unabhängig davon, ob im Einzelfall mit dem neuen Modell ein technischer Fortschritt verbunden ist und ob gegebenenfalls ein Interesse an der technischen Verbesserung besteht oder nicht. Handelt es sich aber um einen preisbildenden Faktor, kann an der Relevanz der Irreführung kein Zweifel bestehen.

Hieraus wird im übrigen deutlich, daß es für die Verkehrserwartung nicht entscheidend darauf ankommt, wie groß der technische Fortschritt oder Wandel ist, der sich hinter einem Modellwechsel verbirgt. Von einem neuen Modell, das an die Stelle eines auslaufenden Modells tritt, kann nur gesprochen werden, wenn der Modellwechsel für den Verbraucher - durch eine neue Bezeichnung oder auf andere Weise - erkennbar wird. Nimmt ein Hersteller dagegen technische Veränderungen vor, ohne dies durch einen Modellwechsel deutlich zu machen, gibt es keine an den Modellwechsel geknüpften Erwartungen des Verkehrs.

b) Ein Hinweis darauf, daß es sich bei einem angebotenen Gerät der Unterhaltungselektronik um ein Auslaufmodell handelt, ist dem Werbenden auch unter Berücksichtigung seiner am Warenabsatz orientierten Interessen im allgemeinen zuzumuten. Dies wird besonders deutlich in Fällen, in denen der Händler die Ware vom Hersteller oder Großhändler als Sonderposten eines auslaufenden Modells günstig erworben hat. Aber auch bei Geräten, die der Händler aus dem (damals) aktuellen Sortiment bestellt hat, die er aber im Rahmen des üblichen Warenumschlags nicht hat absetzen können, widerspricht die Annahme einer Aufklärungspflicht nicht den berechtigten Interessen des Werbenden.

c) Gleichwohl kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Denn das ausgesprochene Unterlassungsgebot, das sich nicht an der konkreten Verletzungsform orientiert, geht in zweierlei Hinsicht über den der Klägerin zustehenden Anspruch hinaus.

aa) Zum einen kann sich der Unterlassungsanspruch der Klägerin - ungeachtet der Frage, ob sich aus dem beanstandeten Verhalten der Beklagten eine entsprechende Wiederholungsgefahr ergibt - nicht auf sämtliche Geräte der Unterhaltungselektronik beziehen. Die Frage, ob der Verkehr einen Hinweis darauf erwartet, daß es sich bei einem angebotenen Gerät um ein Auslaufmodell handelt, ist nicht generell für alle Geräte der Unterhaltungselektronik zu beantworten. Sie ist vom Berufungsgericht für die in Rede stehenden Geräte, einen Videorecorder und ein Autoradio, zutreffend bejaht worden, kann sich aber bei anderen Geräten, beispielsweise bei einfachen Radiogeräten und Kassettenrecordern, ganz anders stellen. Unter diesen Umständen kommt eine so weitreichende Verallgemeinerung der konkreten Verletzungsform, wie sie das Berufungsgericht für möglich erachtet hat, nicht in Betracht (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 5 Rdn. 5 ff.). Der Unterlassungsanspruch ist vielmehr auf die hier in Rede stehenden Gerätearten (Videorecorder und Autoradios) zu begrenzen.

bb) Zum anderen geht die vom Berufungsgericht angenommene Hinweispflicht aber auch insofern zu weit, als sie Produkte erfaßt, die der Händler noch vor dem Modellwechsel als aktuelle Geräte bestellt hat und die er noch vor Erscheinen des Nachfolgemodells im Handel anbietet oder - falls es ein Nachfolgemodell nicht gibt - im Rahmen des üblichen Warenumschlags absetzt. Wie andere Oberlandesgerichte in Übereinstimmung mit der Lebenserfahrung festgestellt haben, erwartet der Verkehr vernünftigerweise nicht, daß mit dem Tag, an dem der Hersteller seine Produktion ändert oder einstellt, alle noch im Handel befindlichen Geräte der früheren Bauweise als Auslaufmodelle bezeichnet werden (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.2.1996 - 6 U 145/95; OLG Hamburg OLG-Report 1996, 217). Unabhängig davon stünden einer derart weitgehenden Hinweispflicht die berechtigten Interessen des Werbenden entgegen, die - wie oben dargelegt - zu berücksichtigen sind, wenn aus § 3 UWG eine Aufklärungspflicht hergeleitet werden soll. Denn der Händler hat ein berechtigtes Interesse daran, die aus dem aktuellen Sortiment erworbene Ware im üblichen Warenumschlag absetzen zu können, ohne bereits auf den - die Absatzchancen schmälernden - Umstand hinweisen zu müssen, daß alsbald ein neues Modell im Handel sein wird. Ebensowenig wie der Händler im allgemeinen verpflichtet ist, auf bevorstehende Modelländerungen oder -einstellungen, von denen er bereits Kenntnis hat, hinzuweisen, kann ihm eine Pflicht auferlegt werden, einen im Handel noch nicht vollzogenen Modellwechsel zu offenbaren.

Das vom Berufungsgericht ausgesprochene Verbot geht über den danach allenfalls bestehenden Unterlassungsanspruch hinaus. Denn es verlangt generell bei Geräten der Unterhaltungselektronik, die vom Hersteller nicht mehr produziert und nicht mehr im Sortiment geführt oder die von ihm als Auslaufmodell bezeichnet werden, einen aufklärenden Hinweis. Es erfaßt damit auch die Fälle, in denen die Beklagte lediglich die vor Modellumstellung eingekaufte Ware in einer Übergangszeit abverkauft, in der sich noch kein Nachfolgemodell im Handel befindet. Ein derart weitreichender Unterlassungsanspruch steht der Klägerin nicht zu.

4. Dem Senat ist eine abschließende Sachentscheidung im Streitfall verwehrt. Auf der einen Seite kommt eine Abweisung der Klage nicht in Betracht, da es der Klägerin erkennbar auch um die Unterlassung der beanstandeten Werbeanzeigen geht und die konkrete Verletzungsform als ein Minus in dem umfassenden Unterlassungsantrag enthalten ist. Ohnehin muß den Parteien im Hinblick auf die neuen rechtlichen Gesichtspunkte Gelegenheit gegeben werden, ergänzend vorzutragen und die Anträge den veränderten Gegebenheiten anzupassen (vgl. BGH, Urt. v. 5.6.1997 - I ZR 69/95, GRUR 1998, 489, 492 = WRP 1998, 42 - Unbestimmter Unterlassungsantrag III, m.w.N.).

Andererseits erlauben es die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht, die Verurteilung der Beklagten hinsichtlich der konkret beanstandeten Handlungen teilweise aufrechtzuerhalten. Zwar liegt es im Hinblick auf die verstrichene Zeit (Einstellung der Produktion im Sommer, Werbung im Dezember) nicht nahe, daß die Beklagte die beworbenen Geräte noch als aktuelle Modelle eingekauft und lediglich im Rahmen des bei ihr üblichen Warenumschlags abverkauft hat. Die Parteien müssen jedoch auch hierzu Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag haben.

III. Die Sache ist daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird es Sache der Beklagten sein, die Umstände vorzutragen, die aus ihrer Sicht eine Hinweispflicht ausschließen. Denn sie trifft - nachdem die Klägerin einen Sachverhalt vorgetragen hat, der eine Irreführung des Verkehrs nahelegt - nunmehr eine prozessuale Pflicht, sich zu den in ihren Verantwortungsbereich fallenden Umständen zu äußern, zu denen ihr ein Vortrag unschwer möglich ist, insbesondere die Tatsachen vorzutragen, die eine Hinweispflicht trotz der erfolgten Einstellung der Produktion der beworbenen Geräte entfallen lassen könnten (vgl. BGHZ 120, 320, 327 f. - Tariflohnunterschreitung, m.w.N.).

Ende der Entscheidung

Zurück