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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.05.2008
Aktenzeichen: I ZR 88/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 340 Abs. 2
Entsprechend dem Schutzzweck des § 340 BGB ist die Vertragsstrafe nur insoweit auf den Schadensersatzanspruch des Gläubigers anzurechnen, als Interessenidentität besteht. Zwischen dem Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe und dem Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten, die durch die Geltendmachung der Vertragsstrafe entstanden sind, besteht keine solche Identität.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I ZR 88/06

Verkündet am: 8. Mai 2008

Vertragsstrafeneinforderung

in dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch für Recht erkannt: Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. Februar 2006 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, die D. AG, verlangt von der Beklagten, mit der sie auf dem Gebiet der Telekommunikation im Wettbewerb steht, die ihr durch die vorprozessuale Geltendmachung eines Vertragsstrafeanspruchs entstandenen Anwaltskosten erstattet, soweit sie nicht auf die im nachfolgenden Rechtsstreit entstandene Verfahrensgebühr anrechenbar sind. Die Beklagte hat sich der Klägerin gegenüber mit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 16. März 2000 unter anderem dazu verpflichtet, es zu unterlassen, Werber im Rahmen der Akquisition von sogenannten Pre-Selection-Verträgen behaupten zu lassen, sie kämen im Auftrag der Klägerin. Die Klägerin hat hierauf gestützt im vorliegenden Rechtsstreit mit der Behauptung, eine von der Beklagten beauftragte Werberin habe am 7. Oktober 2004 gegenüber einem Kunden der Klägerin eine entsprechende Behauptung aufgestellt, eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.624,21 € geltend gemacht. Außerdem hat sie die nach der Vorbemerkung 3.4 VV-RVG auf die Verfahrensgebühr nicht anrechenbare hälftige Geschäftsgebühr gemäß § 13 RVG i.V. mit Nr. 2400 VV-RVG in Höhe von 219,70 € für ein Anwaltsschreiben vom 29. Oktober 2004 ersetzt verlangt, mit dem sie die Beklagte zur Bezahlung der Vertragsstrafe aufgefordert hatte. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung der Vertragsstrafe verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die gegen die teilweise Abweisung der Klage gerichtete (zugelassene) Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben (OLG Frankfurt OLG-Rep 2006, 783). Mit ihrer (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin ihr in den Vorinstanzen erfolgloses Zahlungsbegehren weiter. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen. Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht hat die Ablehnung des Erstattungsanspruchs durch das Landgericht im Ergebnis bestätigt und dazu ausgeführt: Dem von der Klägerin geltend gemachten vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Unterlassungsvertrags stehe zwar nicht, wie das Landgericht gemeint habe, entgegen, dass die Anwaltskosten keine notwendigen und damit erstattungsfähigen Kosten der Rechtsverfolgung seien. Der Anspruch sei aber durch das Verlangen der Vertragsstrafe gemäß § 340 Abs. 2 BGB erloschen. Der deliktische Anspruch aus § 9 UWG, den die Beklagte durch ihr auch gegen §§ 3, 5 UWG verstoßendes vertragswidriges Verhalten ausgelöst habe, sei nicht auf den Ersatz von Kosten zur Durchsetzung von Vertragsstrafeansprüchen gerichtet. Für einen Aufwendungsersatzanspruch analog § 12 UWG fehle es an der erforderlichen Regelungslücke. Wegen des zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses kämen auch keine Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht. II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. 1. Das Berufungsgericht ist allerdings zu Unrecht davon ausgegangen, dass der streitgegenständliche, auf Ersatz der Anwaltskosten für das Anspruchsschreiben gerichtete Schadensersatzanspruch durch das in diesem Schreiben enthaltene Vertragsstrafeverlangen gemäß § 340 Abs. 2 BGB erloschen sei. Entsprechend dem Schutzzweck des § 340 BGB ist die Vertragsstrafe nur insoweit auf den Schadensersatzanspruch des Gläubigers anzurechnen, als Interessenidentität besteht. Nur soweit sich die betroffenen Interessen im Einzelfall decken, ist es gerechtfertigt, die Ansprüche des Gläubigers einzuschränken, damit dieser keine doppelte Entschädigung erhält (vgl. OLG Düsseldorf BauR 2003, 259, 260; Staudinger/Rieble, BGB [2004], § 340 Rdn. 48 und 52; MünchKomm.BGB/Gottwald, 5. Aufl., § 340 Rdn. 15; jurisPK-BGB/Beater, 3. Aufl., § 340 Rdn. 16; Oberhauser, Vertragsstrafe - ihre Durchsetzung und Abwehr, 2003 Rdn. 220). Zwischen dem Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe und dem hier streitgegenständlichen Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten, die durch deren Einforderung entstanden sind, besteht keine solche Identität. Die Anwaltskosten sind nicht aufgrund des am 7. Oktober 2004 erfolgten Verstoßes gegen die Unterlassungserklärung vom 16. März 2000 angefallen, sondern erst aufgrund des Umstandes, dass die Beklagte ihrer dadurch begründeten Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe nicht nachgekommen ist. Der Zweck der Vertragsstrafenvereinbarung besteht darin, die Unterlassungsverpflichtung abzusichern und den sich aus einer Zuwiderhandlung ergebenden Schaden in pauschalierter Form abzudecken. Dazu gehören nicht die weiteren Kosten, die der Schuldner dadurch veranlasst hat, dass er seine durch den Verstoß begründete Verbindlichkeit nicht erfüllt hat. 2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich aber im Ergebnis als richtig dar (§ 561 ZPO). Der Klägerin steht der geltend gemachte Kostenersatzanspruch schon dem Grunde nach unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. a) Die Klägerin kann die ihr entstandenen Anwaltskosten, soweit sie nicht nach §§ 91 ff. ZPO erstattungsfähig sind, nicht gemäß § 280 BGB ersetzt verlangen. Der durch den Verstoß vom 7. Oktober 2004 begründete Vertragsstrafeanspruch der Klägerin stellt einen Zahlungsanspruch dar. Die Verzögerung seiner Erfüllung hätte nur dann einen Schadensersatzanspruch begründet, wenn die Beklagte sich dabei in Verzug befunden hätte (§ 280 Abs. 2, § 286 BGB). Dies war jedoch zu dem Zeitpunkt nicht der Fall, zu dem die Klägerin ihre Prozessbevollmächtigten mit der Erstellung des Schreibens vom 29. Oktober 2004 beauftragt und damit die in Rede stehenden Anwaltskosten veranlasst hat. b) Der Klageanspruch ist auch nicht, wie die Revision geltend macht, aus §§ 3, 5, 9 Satz 1 UWG begründet. Die von der Klägerin ersetzt verlangten Kosten sind nicht im Zusammenhang mit der Verfolgung eines wettbewerbsrechtlichen Schadensersatzanspruchs, sondern anlässlich der Geltendmachung eines vertraglichen Zahlungsanspruchs entstanden. c) Da § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG einen Erstattungsanspruch allein für die Kosten einer Abmahnung vorsieht, käme allenfalls eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung in Betracht. Sie scheidet indessen aus, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. d) Ein Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB besteht im Streitfall deshalb nicht, weil die Klägerin mit dem Schreiben vom 29. Oktober 2004, mit dem sie die Beklagte zur Zahlung der Vertragsstrafe aufgefordert hat, kein Geschäft der Beklagten geführt hat. Insbesondere hat sie nicht mit dem für die Anwendung der §§ 677 ff. BGB unverzichtbaren (vgl. § 687 Abs. 1 und 2 BGB) Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt. III. Die Revision der Klägerin bleibt danach im Ergebnis ohne Erfolg und ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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