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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.04.2007
Aktenzeichen: II ZB 13/06
Rechtsgebiete: ZPO, AktG


Vorschriften:

ZPO § 575
ZPO § 71 Abs. 1 Satz 2
AktG § 246 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

II ZB 13/06

vom 23. April 2007

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 23. April 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Strohn und Dr. Reichart beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel des Nebenintervenienten werden der Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. Mai 2006 aufgehoben und das die Nebenintervention zurückweisende Zwischenurteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27. Januar 2006 unter Einschluss der diesbezüglichen Kostenentscheidung abgeändert.

Der Nebenintervenient wird zugelassen.

Die Kosten des Zwischenstreits werden der Beklagten auferlegt.

Beschwerdewert: 75.000,00 €

Gründe:

I. Die vier Kläger und der Nebenintervenient sind Aktionäre der Beklagten. Am 12. November 2004 fand eine Hauptversammlung der Beklagten statt, zu der die Kläger zu 1-3 vom Versammlungsleiter gemäß § 59 WpÜG wegen angeblicher Verstöße gegen §§ 35, 30 WpÜG nicht zugelassen wurden. Gegen die zu den Tagesordnungspunkten 2 bis 4 gefassten Hauptversammlungsbeschlüsse haben die Kläger 1-3 in einem Parallelrechtsstreit Klage erhoben, der der Nebenintervenient auf Seiten des Klägers zu 3 beigetreten ist. Über den zwischen der Beklagten und dem Nebenintervenienten hinsichtlich der Wirksamkeit seines Beitritts geführten Zwischenstreit hat der Senat im Rahmen eines Rechtsbeschwerdeverfahrens durch Beschluss vom heutigen Tage zugunsten des Nebenintervenienten entschieden (II ZB 29/05).

Am 12. Juli 2005 fand eine weitere Hauptversammlung der Beklagten statt, zu der die Kläger vom Versammlungsleiter gemäß § 59 WpÜG wegen angeblicher Verstöße gegen §§ 35, 30 WpÜG erneut nicht zugelassen wurden. Der Nebenintervenient stimmte gegen die in der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse und erklärte Widerspruch zur Niederschrift.

Gegen die zu den Tagesordnungspunkten 2 bis 4 gefassten Hauptversammlungsbeschlüsse wenden sich der Kläger zu 1 mit seiner am 8. August 2005 beim Landgericht eingegangenen, dem Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten am 30. September 2005 zugestellten, sowie die Kläger zu 2 bis 4 mit ihren am 29. Juli 2005 beim Landgericht eingegangenen, den Organen der Beklagten am 26. August 2005 zugestellten Anfechtungsklagen. Der Vorstand der Beklagten hat die Klageerhebungen und den Termin zur mündlichen Verhandlung im elektronischen Bundesanzeiger hinsichtlich der Kläger zu 2 bis 4 am 30. August 2005 und hinsichtlich des Klägers zu 1 am 5. Oktober 2005 bekannt gemacht. Mit seinen am 31. Oktober 2005 beim Landgericht eingegangenen Schriftsätzen ist der Nebenintervenient den jeweiligen Klagen beigetreten. Die Beklagte hat die Zurückweisung der Nebenintervention beantragt.

Durch Zwischen- und Schlussurteil vom 27. Januar 2006 hat das Landgericht die Nebenintervention zurückgewiesen und zugleich die angefochtenen Hauptversammlungsbeschlüsse für nichtig erklärt. Gegen die Hauptsacheentscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die gegen die Zurückweisung der Nebenintervention gerichtete sofortige Beschwerde des Nebenintervenienten hat das Oberlandesgericht unter Zulassung der Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

II. Die den förmlichen Anforderungen des § 575 ZPO entsprechende Rechtsbeschwerde des Nebenintervenienten ist begründet und führt unter Änderung der vorinstanzlichen Entscheidungen zur Zulassung der Nebenintervention (§ 71 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner gegenteiligen Entscheidung ausgeführt:

Der Nebenintervenient habe durch seinen Beitritt vom 31. Oktober 2005 nicht die auf die Nebenintervention entsprechend anwendbare Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG gewahrt. Zur näheren Begründung hat das Beschwerdegericht im Wesentlichen auf seine in der Parallelsache II ZB 29/05 (= 5 W 46/05 OLG Frankfurt am Main) am 3. November 2005 getroffene Beschwerdeentscheidung unter Einrückung jener Beschlussgründe Bezug genommen.

2. Die Beurteilung des Beschwerdegerichts hält auch im vorliegenden Zwischenstreit den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.

a) Wie der Senat in der insoweit gleichgelagerten Parallelsache II ZB 29/05 am heutigen Tage entschieden hat, ist die vom Beschwerdegericht vorgenommene entsprechende Anwendung der Anfechtungsfristregelung des § 246 Abs. 1 AktG auf den noch am Tag vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (v. 22. September 2005, BGBl. I, 2802 - UMAG -) zum 1. November 2005 wirksam erklärten Beitritt des Nebenintervenienten nicht nur aus systematischen Gründen verfehlt, sondern vor allem unter dem Blickwinkel einer unzulässigen Beeinträchtigung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) des beitrittswilligen Aktionärs nicht hinnehmbar.

Auf die ausführliche Begründung im Beschluss vom heutigen Tage in der Parallelsache II ZB 29/05, die hier entsprechend gilt, nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (vgl. dort unter II 2 a, b der Gründe).

b) Hinsichtlich der Frage der etwaigen unechten Rückwirkung der durch das UMAG mit dessen Inkrafttreten am 1. November 2005 eingeführten, die Nebenintervention in zeitlicher Hinsicht beschränkenden neuen Fristregelung des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG n.F. gilt auch im vorliegenden Fall, dass für die Beurteilung der Wirksamkeit der unter der Geltung des alten Rechts noch am 31. Oktober 2005 durch bestimmenden Schriftsatz formgültig gemäß § 70 ZPO vorgenommene Prozesshandlung des Beitritts das alte Recht Anwendung findet, so dass deren Wirksamkeit nicht durch die beschränkende Fristregelung des neuen Rechts nachträglich fortgefallen ist.

Auch insoweit nimmt der Senat auf die entsprechend geltenden Ausführungen seines Beschlusses in der Parallelsache II ZB 29/05 (vgl. dort unter II 2 d der Gründe) Bezug.

Auf den Umstand, dass im vorliegenden Fall bezüglich der Nebenintervention zur Klage des Klägers zu 1 sogar die Frist des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG n.F. eingehalten und danach der Beitritt auch insoweit als zulässig anzusehen wäre, kommt es danach nicht einmal an.

III. 1. Da die Sache im vorliegenden Verfahren ebenfalls endentscheidungsreif ist, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden und gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 ZPO den Nebenintervenienten im Zwischenstreit in Bezug auf die Klagen aller Kläger zuzulassen.

2. Der von der Beklagten formelhaft erhobene Einwand des Rechtsmissbrauchs der Nebenintervention entbehrt im vorliegenden Fall bereits der erforderlichen näheren Substantiierung. Hier ist nicht einmal eine objektive Widersprüchlichkeit zwischen dem Verhalten des Nebenintervenienten in der Hauptversammlung und seinem anschließenden Beitritt auf Klägerseite zu erkennen, weil der Nebenintervenient bereits gegen die Beschlüsse gestimmt und Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat.



Ende der Entscheidung

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