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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.06.2006
Aktenzeichen: II ZB 26/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233 Fd
a) Der Rechtsanwalt hat durch seine Büroorganisation dafür Sorge zu tragen, dass Fristen erst dann im Fristenbuch als erledigt gekennzeichnet werden, wenn der fristgebundene Schriftsatz zumindest postfertig gemacht ist.

b) Die - noch nicht ausgeschöpfte - Berufungsbegründungsfrist darf nicht schon mit der Einreichung des Fristverlängerungsantrags, sondern erst nach Bewilligung der Fristverlängerung im Fristenkalender gelöscht werden.


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

II ZB 26/05

vom 26. Juni 2006

in der Rechtsbeschwerdesache

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 26. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Strohn und Dr. Reichart

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 11. Zivilsenat, vom 17. Oktober 2005 wird auf Kosten der Klägerin zu 12 als unzulässig verworfen.

Beschwerdewert: 250.000,00 €

Gründe:

I. Das Landgericht hat die Anfechtungsklagen der Kläger zu 1 bis 13 gegen einen Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 7. April 2004 abgewiesen. Die Klägerin zu 12 hat gegen das ihr am 3. Juni 2005 zugestellte Urteil des Landgerichts am 28. Juni 2005 Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat die Klägerin zu 12 mit Verfügung vom 8. August 2005 darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der zweimonatigen Begründungsfrist begründet worden sei. Mit Schriftsatz vom 4. August 2005 hat auch die Beklagte auf den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist aufmerksam gemacht. Die Klägerin zu 12 hat am 22. August 2005 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und am 24. August 2005 die Berufung begründet.

Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Klägerin zu 12 vorgetragen:

Die zuständige, bisher fehlerfrei arbeitende Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellte Frau L. , die über eine langjährige Berufserfahrung verfüge, habe die Berufungsbegründungsfrist mit Vorfrist ordnungsgemäß im Fristenkalender notiert, bei Eintritt der Vorfrist am 20. Juli 2005 die Akten mit einem Fristverlängerungsantrag zur Vorlage an den Rechtsanwalt vorbereitet und in einem Regal abgelegt. Hierbei sei sie durch mehrere Anrufe unterbrochen worden, die zu Folgetätigkeiten geführt hätten. Während eines Telefongesprächs habe sie im Fristenbuch die Erledigung von Vorfrist und Frist vermerkt, weil sie davon ausgegangen sei, den Vorgang nach diesem Anruf dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 12 vorlegen zu können, und dieser Anträge auf Fristverlängerung in der Regel sofort unterzeichne. Danach wie auch in den folgenden Tagen habe sie wegen Arbeitsüberlastung vergessen, die Akten in sein Büro zu bringen. Weil sie die beide Fristen im Fristenbuch als erledigt vermerkt habe, habe sie auch durch das Fristenbuch nicht mehr an die Vorlage der Akten erinnert werden können.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin zu 12 als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin zu 12 mit der Rechtsbeschwerde.

II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 577 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Sie ist zwar statthaft, §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO, aber unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordern weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Wahrung des Rechtsstaatsprinzips eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

1. Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung liegt nicht vor, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Einklang steht.

Der Klägerin zu 12 konnte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden, weil sie nicht ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten (§§ 233, 85 Abs. 2 ZPO).

Die von der Klägerin zu 12 dargelegte Büroorganisation ihres Prozessbevollmächtigten genügt den an eine ordnungsgemäße Fristenkontrolle zu stellenden Anforderungen nicht. Es fehlt nämlich schon nach dem eigenen glaubhaft gemachten Vortrag der Klägerin zu 12 an einer effektiven Ausgangskontrolle, wie sie nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erforderlich ist (vgl. nur BGH, Beschl. v. 4. November 2003 - VI ZB 50/03, NJW 2004, 688 f.; v. 2. März 2000 - V ZB 1/00, NJW 2000, 1957; v. 9. Juni 1992 - VI ZB 9/92, NJW-RR 1992, 1277). Die von ihrem Prozessbevollmächtigten für die Bearbeitung von Fristsachen erteilte Anweisung, "die Erledigung der Einhaltung von Frist und Vorfrist im Fristenbuch zu vermerken", ist völlig unzureichend. Durch sie wird nicht sichergestellt, dass eine Frist im Kalender erst dann als erledigt gekennzeichnet wird, wenn der fristgebundene Schriftsatz zumindest postfertig gemacht und die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet ist. In dem entschiedenen Fall hat sich gerade die Gefahr verwirklicht, der durch die genannten organisatorischen Vorkehrungen begegnet werden soll, dass nämlich Mitarbeiter der Kanzlei, abgelenkt durch andere Aufgaben, Fristen löschen, obwohl die zu erledigenden Aufgaben nicht erfüllt sind.

2. Aus der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung ergibt sich ferner ein weiteres organisatorisches Versagen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 12. Denn selbst nach Unterzeichnung und Absendung des vorbereiteten Schriftsatzes hätte die Berufungsbegründungsfrist auch deshalb nicht gestrichen werden dürfen, weil nicht schon die Berufungsbegründung, sondern nur ein Fristverlängerungsantrag bei Gericht eingereicht werden sollte. In einem solchen Fall darf die bisherige - noch nicht ausgeschöpfte - Frist erst nach Bewilligung der Fristverlängerung gelöscht werden (BGH, Beschl. v. 25. Januar 1984 - IVa ZB 11/83, VersR 1984, 336; Beschl. v. 14. Juli 1999 - XII ZB 62/99, NJW-RR 1999, 1663). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu 12 hat nicht vorgetragen, dass er durch eine entsprechende Arbeitsanweisung Vorkehrungen dagegen getroffen hat, dass es zu einer solchen fehlerhaften vorzeitigen Löschung der Frist kommen kann.

3. Die angefochtene Entscheidung verletzt die Klägerin zu 12 nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör oder auf wirkungsvollen Rechtsschutz.

Anders als die Klägerin zu 12 meint, hat das Berufungsgericht nicht ihren Vortrag übersehen, dass ihr Prozessbevollmächtigter sogar für eine wirksame Eingangskontrolle bei Gericht gesorgt habe, indem er die Anweisung erteilt habe, dass "der Eingang der Schriftsätze bei Gericht zu kontrollieren" sei. Ob eine solche Anweisung im Wiedereinsetzungsverfahren ordnungsgemäß vorgetragen wurde, kann offen bleiben. Es ist zu unterstellen, dass diese Anweisung erteilt ist. Sie genügt aber nicht den - von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten - Anforderungen an eine wirksame Fristenkontrolle, weil nicht sichergestellt ist, dass die Kontrolle des Eingangs vor Ablauf der Frist stattfindet und damit genügend Zeit für eine "Reparatur" bleibt.

Ende der Entscheidung

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