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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.07.2006
Aktenzeichen: II ZB 28/05
Rechtsgebiete: ZPO, RVG


Vorschriften:

ZPO § 278 Abs. 6
RVG VV Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1

Entscheidung wurde am 24.10.2006 korrigiert: die Veröffentlichungshinweise, die in der Vorversion nicht wie angekündigt korrigiert wurden, wurden geändert
a) Ein Rechtsanwalt verdient die Terminsgebühr nach RVG Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 Nr. 3104 VV immer dann, wenn ein schriftlicher Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen wird, unabhängig davon, ob dies im Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO oder § 495 a ZPO geschieht oder die Parteien in einem Verfahren, in dem zunächst die mündliche Verhandlung vorgesehen war, durch Abschluss eines schriftlichen Vergleichs auf die mündliche Verhandlung verzichten (Bestätigung von BGH, Beschl. v. 3. Juli 2006 - II ZB 31/05).

b) Den Vergleich vorbereitende "Besprechungen" zwischen den Rechtsanwälten finden in einem Rechtsstreit auch dann statt, wenn diese ihre unterschiedlichen Vorstellungen über eine vergleichsweise Beilegung des Rechtsstreits dem Gericht mitteilen und dieses die Vorschläge und die Antworten hierauf an den jeweils anderen Anwalt weiterleitet.


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

II ZB 28/05

vom 10. Juli 2006

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 10. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein, Caliebe und Dr. Reichart

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 12. Oktober 2005 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Bad Kreuznach vom 18. Juli 2005 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Beschwerdeverfahren zu tragen.

Gründe:

I. Nachdem außergerichtliche Vergleichsverhandlungen der Parteien gescheitert waren, begehrte der Kläger mit seiner im September 2004 bei dem Landgericht Bad Kreuznach eingegangenen Klage im Urkundenprozess die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 10.225,84 € nebst Zinsen mit der Begründung, dieser Betrag stehe ihm als Abfindungsguthaben aus einem von ihm gekündigten Unterbeteiligungsvertrag zwischen den Parteien zu. Das Landgericht führte ein schriftliches Vorverfahren durch, in dessen Verlauf die Prozessbevollmächtigten der Parteien ihre grundsätzliche Bereitschaft zum Abschluss eines Vergleichs bekundeten, mit dem Gericht, das die jeweiligen Vorschläge weiterleitete, über den Inhalt dieses möglichen Vergleichs korrespondierten und auch untereinander Verhandlungen führten. Durch Beschluss vom 21. Februar 2005 stellte das Landgericht das Zustandekommen und den Inhalt des Vergleichs nach § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO fest. Hiernach haben der Kläger 30 v.H. und der Beklagte 70 v.H. der Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs zu tragen.

In seinem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. Juli 2005 berücksichtigte das Landgericht neben den von den Parteien zum Ausgleich angemeldeten 1,3 Verfahrensgebühren gemäß Nr. 3100 des Vergütungsverzeichnisses (im Folgenden: VV) in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG und den 1,0 Einigungsgebühren gemäß Nr. 1003 VV auch die vom Kläger angemeldete 1,2 Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV. Das Oberlandesgericht hat auf die sofortige Beschwerde des Beklagten den Kostenfestsetzungsbeschluss um die anteilige Terminsgebühr reduziert, den Erstattungsbetrag neu festgesetzt und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Wiederherstellung der Entscheidung des Landgerichts.

1. Verfehlt hat das Beschwerdegericht (NJW-RR 2006, 358 f.) die Festsetzung der Terminsgebühr abgelehnt. Nach dem unter I. geschilderten Verfahrensgang kann keine Rede davon sein, dass der Vergleich ohne Besprechungen der Prozessbevollmächtigten untereinander zustande gekommen ist.

2. Im Übrigen ist - auch wenn man dem Beschwerdegericht im Ausgangspunkt folgen wollte - dessen Ansicht, eine Terminsgebühr sei nicht angefallen, aus Rechtsgründen verfehlt.

Das Beschwerdegericht hat sich zu Unrecht bei seiner Entscheidung allein vom Wortlaut der Bestimmung leiten lassen und die Gründe außer Betracht gelassen, die den Gesetzgeber zum Erlass der Regelung in Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV veranlasst haben. Danach verdient der Rechtsanwalt - wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung in Übereinstimmung mit dem III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (Beschl. v. 27. Oktober 2005 - III ZB 42/05, NJW 2006, 157 ff.) mit Beschluss vom 3. Juli 2006 (II ZB 31/05) entschieden hat - die Terminsgebühr immer dann, wenn ein schriftlicher Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen wird, unabhängig davon, ob dies in einem Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO oder § 495 a ZPO geschieht oder die Parteien in einem Verfahren, in dem zunächst die mündliche Verhandlung vorgesehen war, durch Abschluss eines schriftlichen Vergleichs auf die mündliche Verhandlung verzichten. Das ergibt sich aus der gebotenen teleologischen Interpretation, weil der Gesetzgeber mit der Regelung in Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV hat erreichen wollen, dass der Prozessbevollmächtigte, der in einem Zivilprozess im Hinblick auf den Grundsatz der Mündlichkeit (§ 128 Abs. 1 ZPO) erwarten kann, in der mündlichen Verhandlung seine Terminsgebühr zu verdienen, keinen Gebührennachteil erleiden soll, wenn durch eine andere Verfahrensgestaltung auf eine mündliche Verhandlung verzichtet wird (BGH, Beschl. v. 27. Oktober 2005 aaO S. 158). Eine solche "andere Verfahrensgestaltung" liegt neben den in Nr. 3104 VV ausdrücklich genannten Fällen auch dann vor, wenn - wie hier - die zunächst vorgesehene mündliche Verhandlung deshalb nicht stattfindet, weil das Gericht gemäß § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO durch Beschluss das Zustandekommen und den Inhalt eines Vergleichs feststellt.

Dem trägt die vordergründig am Wortlaut haftende Auslegung des Beschwerdegerichts nicht Rechnung. Sie hat im Gegenteil zur Folge, dass das eintreten würde, was der Gesetzgeber mit der Ausweitung der Terminsgebühr - auch im Interesse der Entlastung der Gerichte - vermeiden wollte, dass nämlich die früher geübte Praxis, einen gerichtlichen Verhandlungstermin nur um einer anwaltlichen Gebühr willen anzustreben, fortgesetzt wird (siehe hierzu Goebel BGH-Report 2006, 66).

Beschwerdewert: 512,53 €

Ende der Entscheidung

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