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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 03.12.2007
Aktenzeichen: II ZB 8/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO §§ 103 ff.
ZPO § 709
ZPO § 788 Abs. 2
Findet keine Zwangsvollstreckung statt, können die Kosten einer Avalbürgschaft, die geleistet wurde, um die Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil zu ermöglichen, nach §§ 103 ff. ZPO durch das Prozessgericht festgesetzt werden; eine Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts kommt nicht in Betracht.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

II ZB 8/07

vom 3. Dezember 2007

in der Rechtsbeschwerdesache

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 3. Dezember 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. Februar 2007 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 17.444,56 €

Gründe:

I. Das Landgericht hat im November 2000 - unter Klageabweisung im Übrigen - den Beklagten verurteilt, an den Kläger 280.018,68 DM zu zahlen. Um aus dem gegen Sicherheitsleistung, die auch durch Bankbürgschaft erbracht werden konnte, für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil vollstrecken zu können, stellte der Kläger dem Beklagten als Sicherheit eine Sparkassenbürgschaft zur Verfügung. Der Beklagte leistete daraufhin die durch das - damals noch nicht rechtskräftige - Urteil titulierten Zahlungen, ohne dass der Kläger die Zwangsvollstreckung betreiben musste. Das Urteil des Landgerichts wurde im November 2005 durch die von dem Beklagten erklärte Berufungsrücknahme rechtskräftig. Der Kläger hat beim Prozessgericht die Festsetzung der - für die Prozessbürgschaft angefallenen - Avalzinsen in Höhe von 17.444,56 € gemäß §§ 103 ff. ZPO beantragt. Das Landgericht hat den Antrag wegen fehlender Zuständigkeit des Prozessgerichts zurückgewiesen, das Oberlandesgericht hat auf die sofortige Beschwerde des Klägers die Avalkosten antragsgemäß gegen den Beklagten festgesetzt. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung.

II. 1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Bei den Avalkosten der Prozessbürgschaft handle es sich um Kosten der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung, die den Kosten der Zwangsvollstreckung zuzurechnen seien. Da es infolge der freiwilligen Erfüllung des titulierten Anspruchs nicht zu Vollstreckungshandlungen gekommen sei, komme nur eine Festsetzung der Avalkosten durch das Prozessgericht in Betracht.

2. Dies hält im Ergebnis der statthaften (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerde stand.

Das Beschwerdegericht hat zu Recht die Zuständigkeit des Prozessgerichts bejaht, die Avalkosten des Klägers für die nach § 709 ZPO geleistete Sicherheit festzusetzen. § 802 ZPO steht dem nicht entgegen.

a) Die rechtliche Einordnung der Beschaffungskosten für eine nach § 709 ZPO zu leistende Sicherheit ist umstritten. Nach der h.M., die dafür nicht nach durchgeführter und nicht durchgeführter Zwangsvollstreckung differenziert, fallen derartige Kosten zur Vorbereitung der Zwangsvollstreckung an und sind Kosten der Zwangsvollstreckung (vgl. z.B. Zöller/Stöber, ZPO 26. Aufl. § 788 Rdn. 5 m.w.Nachw.; Musielak/Lackmann, ZPO 5. Aufl. § 788 Rdn. 3; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO 28. Aufl. § 788 Rdn. 24; OLG Koblenz MDR 2004, 835; OLG Düsseldorf JurBüro 2003, 47; OLG München NJW-RR 2000, 517, 518). Die Gegenmeinung tritt dieser Auffassung insbesondere mit dem beachtlichen Argument entgegen, dass durch die Erbringung der Sicherheit die Vollstreckungsfähigkeit des Titels erst herbeigeführt werde (vgl. MünchKommZPO/K. Schmidt 3. Aufl. Rdn. 17; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 22. Aufl. § 788 Rdn. 11). Welcher Meinung zu folgen ist, bedarf hier keiner Entscheidung.

b) Eine Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts für die Festsetzung derartiger Vorbereitungskosten ist jedenfalls deshalb zu verneinen, weil eine Zwangsvollstreckung aus dem Titel weder stattgefunden hat noch anhängig ist.

Nach dem Wortlaut, dem Sinn und Zweck und der Systematik des § 788 Abs. 2 ZPO ist dem Vollstreckungsgericht die - nach § 802 ZPO ausschließliche - Zuständigkeit für die Festsetzung der Kosten der Zwangsvollstreckung nur für die Fälle übertragen, in denen zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Vollstreckungshandlung anhängig ist oder die Zwangsvollstreckung beendet ist. Kommt es hingegen nicht zur Zwangsvollstreckung aus dem Titel, kann das Vollstreckungsgericht, dem der Gesetzgeber wegen der größeren Sachnähe die Zuständigkeit für die Kosten der von ihm zu überwachenden Zwangsvollstreckung übertragen hat (BT-Drucks. 13/341 S. 20), nicht mit der Sache befasst werden; demgemäß scheidet eine Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts für die Festsetzung der Avalkosten als Vorbereitungskosten der Zwangsvollstreckung von vornherein aus (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 66. Aufl. § 788 Rdn. 1; MünchKomm/K. Schmidt aaO Rdn. 19 a.E.; Stein/Jonas/Münzberg aaO Rdn. 5; OLG Frankfurt NJW 1953, 671, 672).

Für dieses Ergebnis, das entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht, sprechen neben dem Sinn und Zweck, der Systematik und dem Wortlaut der Vorschrift auch Gründe der Prozesswirtschaftlichkeit. Denn das Prozessgericht ist in diesen Fällen ohnehin regelmäßig mit der Kostenfestsetzung befasst.

c) Findet keine Zwangsvollstreckung statt, können demnach die Kosten einer Avalbürgschaft, die geleistet wurde, um die Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil zu ermöglichen, nach §§ 103 ff. ZPO durch das Prozessgericht festgesetzt werden.

Die Kosten einer zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung beigebrachten Avalbürgschaft sind - auch wenn man sie bei durchgeführter Zwangsvollstreckung als Kosten dieses Verfahrens verstehen will - den Verfahrenskosten im weiteren Sinn zuzurechnen; ihre Erstattungsfähigkeit beruht auf dem zugrunde liegenden Prozessrechtsverhältnis und bedarf keiner Rechtfertigung durch materiellrechtliche Normen (BGH, Urt. v. 18. Dezember 1974 - VI ZR 158/72, NJW 1974, 693, 994). Ebenso wie die zur Abwehr der Zwangsvollstreckung entstandenen Avalzinsen sichern auch die für die Beschaffung einer Sicherheit zum Zwecke der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil angefallenen Kosten den wirtschaftlichen Prozesserfolg (vgl. BGH, Urt. v. 17. Januar 2006 - VI ZB 46/05, NJW-RR 2006, 1001, 1002). Die Auffassung der Rechtsbeschwerde, dass das Prozessgericht keinesfalls zur Entscheidung berufen sein könne, hätte, da - wie ausgeführt - eine Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts nicht begründet ist, zur Folge, dass der Kläger einen neuen Rechtsstreit wegen der Avalzinsen anstrengen müsste. Dafür, dass der Gesetzgeber dies gewollt haben könnte, ist kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich.

Das Beschwerdegericht hat zutreffend und insoweit von der Rechtsbeschwerde unbeanstandet die - der Höhe nach unstreitigen - Kosten der Avalbürgschaft in vollem Umfang gegen den Beklagten festgesetzt. Die Verpflichtung des Beklagten zur Tragung der gesamten Avalkosten ist hier jedenfalls deshalb gerechtfertigt, weil das Urteil, zu dessen Vollstreckung die Avalbürgschaft beschafft wurde, durch die - zur Tragung der Kosten verpflichtende - Berufungsrücknahme des Beklagten in Rechtskraft erwachsen ist.

Ende der Entscheidung

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