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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 09.02.2004
Aktenzeichen: II ZR 131/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 903 Satz 1
BGB § 1004
BGB § 1004 Abs. 1
BGB § 1004 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL

II ZR 131/03

Verkündet am: 9. Februar 2004

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Februar 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Münke und Dr. Gehrlein

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 1. April 2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch wegen Verletzung ihres Eigentums an einem Flüssiggastank geltend.

Beide Parteien handeln mit Flüssiggas. Auf Grund eines am 19. August 1995 mit E. K. geschlossenen (formularmäßigen) Tanknutzungs- und Flüssiggas-Liefervertrages stellte die Klägerin diesem auf seinem Grundstück einen oberirdischen Flüssiggastank für eine zehnjährige Nutzungsdauer zur Verfügung. Der Vertrag verpflichtete K. , seinen gesamten Energiebedarf für Heizung durch Bezug von Flüssiggas während der Vertragszeit bei der Klägerin zu decken. Die Klägerin behauptet, der Tank, der mit dem Firmenlogo "P.-Gesellschaft mbH" ihrer H.er Schwestergesellschaft sowie einer eingeprägten Tanknummer versehen war, sei ihr Eigentum.

Im Mai 2001 ließ die Beklagte den bei K. aufgestellten Gastank durch ihren Tankwagenfahrer befüllen. Sie hatte K. bereits 1997 Gas geliefert, nachdem dieser ihrem Außendienst unter dem 3. Januar 1997 durch Unterschreiben eines formularmäßigen Lieferauftrags bestätigt hatte, daß er bezüglich des Einkaufs von Flüssiggas keiner vertraglichen Bindung unterliege und Eigentümer des bei ihm stationierten Flüssiggasbehälters sei.

In der Tankbefüllung vom Mai 2001 durch die Beklagte sieht die Klägerin eine Verletzung ihres Eigentums. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, im Eigentum der Klägerin stehende Flüssiggastanks ohne deren Einwilligung zu befüllen, soweit mit dem unmittelbaren Besitzer des Behälters ein ungekündigter Liefervertrag besteht, der ihn verpflichtet, seinen gesamten Energiebedarf für Heizung durch Bezug von Flüssiggas bei der Klägerin zu decken. Auf die Berufung der Beklagten, die das Eigentum der Klägerin an dem Tank in zweiter Instanz in Abrede stellte, hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer - zugelassenen - Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Da die Beklagte im Verhandlungstermin trotz dessen ordnungsgemäßer Bekanntgabe nicht vertreten war, ist über die Revision der Klägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht inhaltlich jedoch nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 82).

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Klägerin könne - ihr Eigentum an dem Gastank unterstellt - ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB zustehen, falls ein Dritter nur dem Eigentümer zustehende Befugnisse bzw. Gebrauchsmöglichkeiten hinsichtlich des Behälters für sich in Anspruch nehme. Daran fehle es jedoch. Die Klägerin habe sich der aus dem Eigentum fließenden Befugnis, den Tank durch Befüllen zu nutzen, bereits mit der Übertragung dieser Befugnis auf ihren Kunden K. begeben, so daß die Befüllung des Tanks durch die Beklagte zwar die Vermögensinteressen der Klägerin beeinträchtige, nicht aber ihre Eigentümerbefugnisse über das durch die Gebrauchsüberlassung des Behälters an K. bereits eingetretene Maß hinaus. Hieran ändere es nichts, daß K. nach dem Zusammenhang des mit der Klägerin geschlossenen Vertrages den Tank lediglich von der Klägerin oder mit deren Zustimmung habe befüllen lassen dürfen. Diese lediglich schuldrechtliche Begrenzung der Tanknutzung wirke nur zwischen den Vertragsparteien, nicht jedoch gegenüber Dritten.

Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht nimmt rechtsfehlerhaft an, die Klägerin habe ihrem Kunden K. ein umfassendes Recht zur Befüllung des bei ihm aufgestellten Gasbehälters eingeräumt.

II. Mangels entsprechender Feststellungen des Berufungsgerichts ist zugunsten der Klägerin revisionsrechtlich zu unterstellen, daß der Gasbehälter im Eigentum der Klägerin steht. Mit der von der Beklagten im Mai 2001 veranlaßten Befüllung des Tanks hat die Beklagte danach das Eigentum der Klägerin in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, ohne daß die Klägerin die Beeinträchtigung nach § 1004 Abs. 2 BGB dulden mußte. Der Verstoß der Beklagten gegen § 1004 Abs. 1 BGB begründet die Annahme einer Wiederholungsgefahr.

1. a) Als Eigentümerin konnte die Klägerin, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstanden, mit dem Gasbehälter nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen, § 903 Satz 1 BGB. Sie konnte ihrem Kunden also ein umfassendes Nutzungsrecht einräumen, ihn aber auch nur zu einer begrenzten Nutzung ermächtigen. Von der zuletzt genannten Möglichkeit hat sie Gebrauch gemacht: Sie hat K. den Tank zur Befüllung allein mit von ihr (bzw. mit ihrer Zustimmung oder auf ihre Veranlassung) geliefertem Gas überlassen. Damit hat sie ihm nur ein entsprechend eingeschränktes Nutzungsrecht eingeräumt, nicht aber eines, das auch sog. Fremdbefüllungen, d.h. Tankbefüllungen durch andere Lieferanten, einschloß. Das Berufungsgericht geht daher zu Unrecht davon aus, es liege lediglich eine schuldrechtliche, nur zwischen den Parteien, nicht aber gegenüber Dritten wirkende Begrenzung der Gebrauchsmöglichkeit vor, da die Klägerin K. kein umfassendes, sondern ein auf die Befüllung mit ihrem Gas begrenztes Nutzungsrecht eingeräumt hat.

b) Angesichts der Beschränkung des Nutzungsrechts auf Befüllungen des Behälters mit Flüssiggas der Klägerin war die Befüllung mit von der Beklagten geliefertem Gas bestimmungswidrig und beeinträchtigte das Eigentum der Klägerin. Dies gilt auch dann, wenn diese Fremdbefüllung auf eine Initiative K.s zurückging, wie die Beklagte behauptet. Da K. nur das Recht hatte, den Tank mit von der Klägerin geliefertem Gas befüllen zu lassen, konnte er der Beklagten das Recht, ihn mit ihrem Gas zu befüllen, nicht wirksam einräumen. Die Klägerin war daher nicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung der Befüllung ihres Tanks durch die Beklagte verpflichtet. Diese war vielmehr rechtswidrig.

2. Die Beklagte ist unmittelbare (Handlungs-)Störerin i.S. des § 1004 BGB, weil die Befüllung des Tanks der Klägerin auf ihre Willensbetätigung, nämlich die Erteilung einer entsprechenden Weisung an ihren Verkaufsfahrer, zurückgeht (Sen.Urt. v. 15. September 2003 - II ZR 367/02, NJW 2003, 3702 m.w.N.). Darauf, ob die Beklagte erkennen konnte, daß der Tank K. entgegen dessen schriftlicher Bestätigung von Januar 1997 nicht gehörte, kommt es im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts nicht an. Der Unterlassungsanspruch setzt kein Verschulden voraus. Ein Zumutbarkeitskriterium besteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur für den mittelbaren Störer (vgl. BGHZ 106, 229, 235; 148, 13, 17).

3. Die rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung vom Mai 2001 begründet die tatsächliche Vermutung für eine Wiederholungsgefahr (vgl. BGHZ 140, 1, 10).

III. Da nach dem Vorstehenden die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch im übrigen gegeben sind, kommt es für die Entscheidung allein noch darauf an, ob die Klägerin Eigentümerin des Tanks war. Feststellungen hierzu fehlen bisher. Die Frage war in erster Instanz nicht bestritten und nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht erheblich. Daher kann der Senat die Sache nicht selbst entscheiden. Sie muß an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit dieses die erforderlichen Feststellungen nachholt.

Ende der Entscheidung

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