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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.08.2000
Aktenzeichen: II ZR 163/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 719 Abs. 2
ZPO § 712
ZPO § 719 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

II ZR 163/00

vom

28. August 2000

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 28. August 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Henze, Kraemer und die Richterin Münke

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten zu 3, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 14. April 2000 gemäß § 719 Abs. 2 ZPO einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten zu 1 bis 4 wegen eines fehlgeschlagenen Anlagegeschäftes, insbesondere nach den Grundsätzen der sog. Prospekthaftung, in Anspruch. Das Landgericht gab der Klage (im wesentlichen) statt und verurteilte die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 370.640,-- DM nebst Zinsen. Gegen dieses Urteil haben die Beklagten zu 2 bis 4, die Geschäftsführer der Beklagten zu 1, Berufung eingelegt; dabei machte der Beklagte zu 3 im wesentlichen geltend, (auch) er habe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Kläger keine konkrete Kenntnis von dem maßgeblichen Auftragsformular (Anl. K 3) gehabt. Mit Urteil vom 14. April 2000 hat das Oberlandesgericht die Berufung (u.a.) des Beklagten zu 3 zurückgewiesen und dazu ausgeführt, die Beklagten seien zum Kreis derjenigen Personen zu rechnen, die nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der Prospekthaftung schadenersatzpflichtig seien. Das Oberlandesgericht geht dabei davon aus, der Beklagte zu 3 habe zum relevanten Zeitpunkt Kenntnis von der Verwendung des maßgeblichen Auftragsformulares (Anl. K 3) gehabt; als Geschäftsführer der Beklagten zu 1 sei er für diese Verwendung verantwortlich, ohne daß es auf seine Kenntnis von Einzelheiten ankomme. Das Oberlandesgericht hat die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils angeordnet und den Beklagten nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, falls der Kläger nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagten zu 3 und 4 haben gegen dieses Urteil Revision eingelegt. Der Beklagte zu 3 beantragt ferner, die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil einstweilen einzustellen; unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung macht er geltend, im Falle einer Zwangsversteigerung des von ihm und seiner Familie bewohnten Hausgrundstückes sei es ihm später nicht mehr möglich, ein vergleichbares Objekt zu erwerben, auch wenn er den vollstreckten Betrag vom Kläger später zurückerhalten würde. Infolge seiner wirtschaftlichen Verhältnisse erhalte er auch keine Bürgschaft als Sicherheitsleistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung.

II.

Der Antrag bleibt ohne Erfolg.

Nach § 719 Abs. 2 ZPO kann das Revisionsgericht auf Antrag die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung anordnen, wenn diese dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und überwiegende Gläubigerinteressen nicht entgegenstehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt jedoch eine solche Einstellung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen als letztes Hilfsmittel des Vollstreckungsschuldners in Betracht (vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 16. September 1998 - X ZR 107/98, NJW 1998, 3570; v. 27. August 1998 - XII ZR 167/98, NJW-RR 1998, 1603; v. 28. März 1996 - I ZR 14/96, ZIP 1996, 885, jew. m.w.N.). Dabei ist der Vollstreckungsschutz nach § 719 Abs. 2 ZPO regelmäßig zu verweigern, wenn es der Schuldner versäumt hat, im Berufungsrechtszug einen Schutzantrag nach § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher möglich und zumutbar war. Zweifel am Bestand eines angefochtenen Urteils rechtfertigen es in der Regel nicht, von einem Vollstreckungsschutzantrag abzusehen; vielmehr fällt die Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels grundsätzlich in den Risikobereich des Rechtsmittelführers (so ausdrücklich BGH, Beschl. v. 26. September 1991 - I ZR 189/91, NJW-RR 1992, 189, 190).

Von diesen Grundsätzen ausgehend erweist sich der Antrag als unbegründet.

Einen Schutzantrag nach § 712 ZPO hat der Beklagte zu 3 - wie in der Antragsschrift selbst eingeräumt wird - nicht gestellt. Die Begründung hierfür, er habe bis zuletzt mit einer Klageabweisung vor dem Oberlandesgericht rechnen können, überzeugt nicht, insbesondere rechtfertigten die Umstände hier keine solche Annahme:

Abgesehen davon, daß bereits das Landgericht in erster Linie mit der Verantwortlichkeit (u.a.) des Beklagten als Geschäftsführer argumentiert und nicht auf dessen Kenntnis konkreter Unterlagen abgestellt hat [GA I, 110, 111], mußten eine ganze Reihe von Umständen hier Zweifel daran wecken, der Beklagte zu 3 werde (unter Berufung auf die Unkenntnis der dem Geschäft mit dem Kläger zugrundeliegenden Unterlagen) mit seiner Berufung erfolgreich sein. So etwa trug ein dem Zeugen M. übersandtes Schreiben, dem entsprechende Prospekte beigefügt gewesen sein sollen, immerhin die Unterschrift des Beklagten zu 3. Die Annahme, er werde gleichwohl ohne weiteres beweisen können, vom Inhalt keine Kenntnis gehabt zu haben, war schon daher nicht zwingend. Zweifel an einem Obsiegen vor dem Oberlandesgericht mußten beispielsweise auch wegen des Vorbringens des Klägers (nebst Beweisangeboten) in den Schriftsätzen vom 18. Oktober 1999 [GA II, 222 ff.] bzw. vom 7. April 2000 [GA II, 315 ff.] aufkommen. Entsprechendes gilt für die Aussage der Zeugin W. im Termin vom 13. März 2000. Unter diesen Umständen drängte sich ein Antrag i.S.v. § 712 ZPO, zumindest vorsorglich, geradezu auf. Dazu, daß ihm ein solcher Antrag nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, hat der Beklagte zu 3 nichts dargetan.

Im übrigen rechtfertigen die vorgebrachten Umstände nicht die Annahme eines nicht zu ersetzenden Nachteiles i.S.v. § 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO: Regelmäßig gegebene Vollstreckungsnachteile wie etwa die Unmöglichkeit, "ein vergleichbares Objekt erneut zu erwerben", zählen hierzu nicht (vgl. Zöller/Herget, ZPO 21. Aufl. § 719 Rdn. 6).



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